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Mehr als 87.000 Sachsen brauchten wegen Alkoholsucht medizinische Hilfe

Nach einer Analyse der Barmer ist das Alkohol-Problem in Sachsen sogar noch größer als in klassischen Weinländern.

Von Stephanie Wesely
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Die Zahl der Alkoholabhängigen in Sachsen steigt. Das fängt beim regelmäßigen Bier an.
Die Zahl der Alkoholabhängigen in Sachsen steigt. Das fängt beim regelmäßigen Bier an. © dpa

Es gibt kaum noch eine Feier ohne Alkohol. Das bleibt nicht ohne Folgen. 2022 wurden in Sachsen hochgerechnet 87.053 Männer und Frauen mit Alkoholsucht ambulant oder stationär behandelt. Wie aus einer Auswertung des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung hervorgeht, waren damit 2,13 Prozent der sächsischen Bevölkerung betroffen.

Damit liegt der Freistaat deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 1,71 Prozent. „Sowohl das Suchtpotenzial als auch die gesundheitlichen Risiken von Alkohol werden von vielen unterschätzt", sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Sachsen. "Das hat auch damit zu tun, dass Alkohol in Deutschland ein Kulturgut und gesellschaftlich akzeptiert ist. Dabei ist Alkohol ein Zellgift, das für die Entstehung von mehr als 200 Krankheiten mitverantwortlich ist." Darunter seien Krankheiten wie Krebs, psychische Störungen und Leberzirrhose.

Noch mehr Alkoholabhängige als in Sachsen gab es in Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Berlin. Dort waren im vergangenen Jahr 2,35 Prozent, 2,28 Prozent beziehungsweise 2,14 Prozent der Bevölkerung deswegen in medizinischer Behandlung. Die geringsten Anteile gab es in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit 1,45 beziehungsweise 1,5 Prozent. „Die massiven regionalen Unterschiede sind rein medizinisch nicht erklärbar. Hier dürften auch soziale und demographische Faktoren eine Rolle spielen“, sagt Monika Welfens.

Der Rausch ist jung, die Sucht ist alt

Menschen in der zweiten Lebenshälfte waren besonders häufig von Alkoholabhängigkeit betroffen. „Alkoholismus entwickelt sich in der Regel über viele Jahre. Eine Sucht wird aktuell verstärkt bei Personen diagnostiziert, die in den 50er- und 60er-Jahren geboren wurden. Wichtig ist, dass sie eine passgenaue Hilfe suchen und bekommen“, sagt Welfens und verweist darauf, dass ein Alkohol-Selbsttest helfen könne, Risiken aufzuspüren. Wer den Verdacht habe, ein Alkoholproblem zu haben, könne online einen anonymen Selbsttest machen oder sich ärztlichen Rat einholen. Je nach Ergebnis werde dann entschieden, welche nächsten Schritte sinnvoll sind. Auch eine Suchtberatung oder Selbsthilfegruppen seien gute, erste Anlaufstellen sowohl für Betroffene als auch für deren Angehörige.

Laut Barmer-Analyse wurden in Deutschland im vergangenen Jahr 1.058.000 Männer und 467.000 Frauen mit Alkoholsucht ambulant oder stationär behandelt. Dies bedeutet einen leichten Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Auch deutschlandweit waren vor allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte betroffen. Unter den 55- bis 64-Jährigen wurde bei rund 303.000 Männern und bei rund 116.000 Frauen eine Alkoholsucht diagnostiziert. Obwohl die Risiken von übermäßigem Alkoholkonsum heutzutage stärker im Vordergrund stünden, sei die Zahl alkoholabhängiger Menschen in Behandlung in den vergangenen Jahren leicht gestiegen. Im Jahr 2017 seien bundesweit 1.020.000 Männer und 453.000 Frauen nachweislich alkoholabhängig gewesen.

  • Wo fängt Alkoholismus an?
  • Laut Weltgesundheitsorganisation wird Alkoholkonsum als kritisch für die Gesundheit eingestuft, wenn Frauen täglich mehr als zwölf Gramm Alkohol – also etwa ein Glas Sekt – zu sich nehmen. Bei Männern sind es 24 Gramm – also mehr als ein halber Liter Bier.
  • Wer gilt als Alkoholiker?
  • Riskant wird es laut Barmer meist, wenn Alkoholtrinken alltäglich wird oder ein regelmäßiges Rauschtrinken erfolgt. Dies ist dann der Fall, wenn Frauen mehr als vier Standardgläser Alkohol und Männer mehr als fünf Gläser trinken.
  • Wann schadet Alkohol der Gesundheit?
  • Wer im Durchschnitt weniger als 100 Gramm Alkohol pro Woche trinkt, schadet seiner Gesundheit nicht oder kaum. 100 bis 200 Gramm Alkohol pro Woche verkürzen die Lebenserwartung im Durchschnitt um ein halbes Jahr, 200 bis 350 Gramm um zwei Jahre und mehr als 350 Gramm um fünf Jahre. Deshalb sollte mindestens zwei Tage pro Woche kein Alkohol getrunken werden.