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Was wird aus Sachsens Krankenhäusern?

Der neue Chef der Krankenhausgesellschaft Sachsen zu den Reformplänen des Freistaats, warum sie nicht ins Bundeskonzept passen und wie die finanzielle Situation der Kliniken aussieht.

Von Stephanie Wesely
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Immer mehr moderne Technik in Sachsens Krankenhäusern: Hier zeigt Operateur Sören Torge Mees im Städtischen Klinikum Dresden-Friedrichstadt das DaVinci-Operationssystem der neuesten Generation.
Immer mehr moderne Technik in Sachsens Krankenhäusern: Hier zeigt Operateur Sören Torge Mees im Städtischen Klinikum Dresden-Friedrichstadt das DaVinci-Operationssystem der neuesten Generation. © dpa

In Sachsen soll ab 2024 ein neuer Krankenhausplan in Kraft treten. Doch der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministers für eine deutschlandweite Krankenhausreform durchkreuzt diesen Plan zum Teil. Was das für die Versorgung in Sachsen bedeutet, erläutert Friedrich R. München, neuer Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen.

Herr München, wie soll die Krankenhausversorgung in Sachsen nach den Beschlüssen der Landesregierung ab nächstes Jahr aussehen?

Für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung soll es vier Krankenhaustypen geben: Regel-, Schwerpunkt- und Maximalversorger sowie Fachkrankenhäuser. Hinzu kommen Integrierte Gesundheitszentren, die ambulante, stationäre und pflegerische Aufgaben haben, Notfallversorgung und therapeutische Angebote wie Physio- und Ergotherapie vorhalten. Einige Krankenhäuser im ländlichen Bereich haben Potenziale, zu solchen Gesundheitszentren weiterentwickelt zu werden. Niedergelassene Ärzte arbeiten dann unter anderem per Telemedizin mit stationären Ärzten zusammen, zum Beispiel in der Diagnostik. Ambulant und stationär sollen nicht mehr so strikt getrennt werden, wir nennen das sektorübergreifende Versorgung.

Friedrich R. München (60) leitet seit 1. Februar die Krankenhausgesellschaft Sachsen als Geschäftsführer. Zuvor war er dort Justiziar.
Friedrich R. München (60) leitet seit 1. Februar die Krankenhausgesellschaft Sachsen als Geschäftsführer. Zuvor war er dort Justiziar. © Krankenhausgesellschaft Sachsen

Und wie sieht das der Bund?

Laut einem ersten Referentenentwurf plant auch der Bund neben reinen Fachkrankenhäusern, wie es zum Beispiel psychiatrische Kliniken sind, die Aufteilung der Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen, von denen Stufe 1 und 3 nochmals differenziert werden. Dementsprechend erfolgt die Finanzierung der stationären Versorgung durch den Bund und die Krankenkassen.

Was heißt Differenzierung?

Krankenhäuser der Stufe 1i zum Beispiel sollen die Grundversorgung in den Bereichen Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie anbieten. Häuser in Stufe 1n haben gegenüber 1i-Einrichtungen eine Notaufnahme und eine Unfallchirurgie. Um in Stufe 2 zu kommen, müssen außer Innerer Medizin und Allgemeiner Chirurgie fünf weitere Leistungsbereiche vorhanden sein. Dazu gehören zum Beispiel Gynäkologie und Geburtshilfe sowie eine Spezialeinheit zur Schlaganfallversorgung. Außerdem braucht ein Stufe 2-Krankenhaus eine erweiterte Notfallversorgung mit mindestens zehn Intensivbetten und einem Hubschrauberlandeplatz. Krankenhäuser der Stufe drei sind Maximalversorger und müssen mindestens acht weitere Leistungsbereiche vorweisen. Hinzu kommt eine umfassende Notfallversorgung mit mindestens 20 Intensivbetten. Werden diese Pläne so umgesetzt, würden etwa die Hälfte der sächsischen Krankenhäuser nicht in das Reformkonzept des Bundes passen.

Wieso passen die Reformpläne für Sachsen nicht zum Bundesplan?

Zum Beispiel legt der Referentenentwurf fest, dass Kliniken in Stufe 1i – das sind unter anderem Kliniken, die sich im Umkreis von bis zu 30 Fahrminuten zu größeren Krankenhäusern befinden – keine Notfallversorgung mehr anbieten. Notaufnahmen in Krankenhäusern sind heute schon stark frequentiert. Deren Zahl weiter zu reduzieren, würde die Versorgung verschlechtern. Deshalb sieht der Krankenhausplan für Sachsen auch Regionalkliniken oder Integrierte Gesundheitszentren mit Notfallversorgung vor. Wir müssen die Notfallversorgung unbedingt erhalten.

Eine weitere Diskrepanz zeigt sich in der Geburtshilfe. Laut Reformkonzept des Bundes darf Geburtshilfe dann nur noch in Kliniken der Stufe 2 und 3 angeboten werden, in denen zum Beispiel Spezialeinheiten der Schlaganfallversorgung vorhanden sind. 52 Prozent der Geburtskliniken fielen dann weg, darunter auch Kliniken mit hohen Geburtenzahlen und guter Behandlungsqualität.

Warum wird für die Geburtshilfe eine Schlaganfallstation gefordert?

Das ist vielen ebenso unklar. Doch ein ähnliches Bild bietet sich auch in den Bereichen Neurologie, Urologie und Interventionelle Kardiologie, für die die Deutsche Krankenhausgesellschaft beispielhaft die Auswirkungen der Krankenhausreform analysiert hat. In Sachsen müssten sich zwischen 30 und 45 Prozent der Patienten, die minimal-invasive Untersuchungen und Eingriffe im Herzkatheterlabor vornehmen lassen müssen, neurologische oder urologische Probleme haben, neue Krankenhäuser suchen.

Es heißt, deutschlandweit sollen etwa 1.000 Klinik-Standorte wegfallen. Was passiert mit denen?

Das ist alles noch nicht entschieden. Diese Folgenabschätzung ist eine Momentaufnahme im derzeitigen Reformprozess und eine Diskussionsgrundlage. Damit soll gezeigt werden, dass Krankenhausversorgung nicht zentral verordnet werden kann, sondern Ländersache ist – und bleiben muss. Auch in Sachsen gibt es Krankenhäuser, wo es wirtschaftlich und versorgungspolitisch sinnvoll wäre, sie zum Beispiel in Integrierte Gesundheitszentren umzustrukturieren. Das ist wichtig, um insbesondere in ländlichen Regionen die Gesundheitsversorgung zu erhalten. Denn ein solches Gesundheitszentrum könnte noch 70 Akutbetten betreiben. Wird ein Krankenhaus hingegen geschlossen, hat das immer auch Auswirkungen auf die ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte. Eine Region ohne Krankenhaus ist auch für niedergelassene Ärzte auf Dauer unattraktiv.

Heißt das, dass keines der 78 Krankenhäuser in Sachsen geschlossen werden soll?

Nach dem Krankenhausplan für Sachsen heißt das, dass auf die Einhaltung der bisherigen Standorte hingearbeitet wird. Darüber sind wir uns mit der Landesregierung einig. Es gilt jedoch, die Form der Krankenhäuser den Strukturen anzupassen oder weiterzuentwickeln.

Die Zentralisierung der stationären Versorgung auf bestimmte Häuser soll das Personalproblem lösen. Sehen Sie das auch so?

Nein. Beschäftigte kann man nicht wie Schachfiguren von einem Ort an einen anderen schieben, wie es sich die Regierungskommission vorstellt. Dort, wo bisher in Sachsen schon Standorte geschlossen wurden, hat dies in anderen Häusern nicht zu einem Mehr an Stellenbewerbern geführt. Viele Beschäftigte würden sich dann in anderen Branchen eine Beschäftigung suchen. Und das wäre genau das Gegenteil von dem, was wir mit einer Krankenhausreform erreichen wollen.

Gibt es auch gute Seiten an der Lauterbach'schen Krankenhausreform?

Ja. Sie hat zum Beispiel richtige Ansätze, was die Finanzierung betrifft. Bei der Vergütung wird von den bisherigen Fallpauschalen abgerückt. Gut ist, dass künftig auch das Vorhalten von Personal und Medizintechnik honoriert wird, nicht nur die erbrachte Leistung. So können Krankenhäuser wirtschaftlicher arbeiten, und trotzdem die Rund-um-die-Uhr-Versorgung absichern.

Wie ist die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser?

Deutschlandweit haben 50 bis 60 Prozent finanzielle Probleme oder arbeiten defizitär. Das sage nicht ich, sondern das Krankenhausbarometer – eine Selbstauskunft der Krankenhäuser.

Die Defizite liegen aber nicht daran, dass dort schlecht gewirtschaftet wird. Es sind die Inflation und die Energiekosten, die ihnen das Leben schwer machen. Auch die Personalkosten steigen. Krankenhäuser brauchen Überbrückungsgelder. Aber von den zugesagten sechs Milliarden Euro sind bisher kaum zehn Prozent bei den Häusern angekommen.

Wie geht es jetzt weiter? Wird der sächsische Krankenhausplan so umgesetzt, oder warten Sie, was der Bund noch so plant?

Unsere Landesregierung möchte den Plan zunächst so umsetzen. Derzeit sind die Krankenhäuser aufgefordert, ihre Anträge für die Leistungsbereiche ab 2024 zu stellen. Danach wird ein Krankenhausplanungsausschuss Empfehlungen erarbeiten. Die Landesregierung entscheidet abschließend darüber.

Es kann aber durchaus passieren, dass wir in Sachsen nachbessern müssen, wenn das Bundesgesetz zur Krankenhausreform beschlossen ist.

Wann wird das der Fall sein?

Die Vorschläge der Regierungskommission sind derzeit in der Diskussion. Bis Juni soll dann zwischen Bund und Ländern ein Referentenentwurf erarbeitet werden, in den die Kritikpunkte der Beteiligten einfließen.

Welche Punkte müssen aus Ihrer Sicht fallen?

Die 30-Minuten-Regel für Krankenhäuser in Bezug auf die Notaufnahmen sowie die starren Regelungen für die Anzahl der einzelnen Fachbereiche als Grundlage der Einstufung in Stufe 2 und 3. Wir fordern Öffnungsklauseln. Auch kleinere Krankenhäuser, die eine Leistungsgruppe wie die Geburtshilfe in guter Qualität erbringen, sollen dies künftig genauso tun dürfen.

Wird es aus Ihrer Sicht in Sachsen einen Kampf um einzelne Krankenhausstandorte geben?

Zurzeit läuft alles sehr sachlich ab. Wir wissen aber nicht, ob das so bleibt, wenn der Krankenhausplanungsausschuss dann seine Empfehlungen zu den einzelnen Anträgen gibt.