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Sorgen sind ansteckend

Diplom-Psychologin Ilona Bürger erklärt in dieser Kolumne, warum Sorgen zu einem Teufelskreislauf werden und wie Sie ihnen entkommen können.

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Wir bestimmen selbst über unsere Emotionen.
Wir bestimmen selbst über unsere Emotionen. © dpa-infografik GmbH

In diesen Tagen passiert es schnell, dass wir uns über viele Dinge Sorgen machen. Doch die Sorgen nützen niemandem etwas – nicht Ihren Kindern, Eltern, Nachbarn, Kranken, geschweige denn Ihnen selbst. Ganz im Gegenteil.

Wenn wir uns sorgen, geht unser Körper in den Stressmodus. Das ist völlig in Ordnung, denn so stellen wir uns auf Veränderungen ein. Schwierig wird es, wenn wir das nicht ausgleichen und der Zustand zum Dauerstress wird. Anspannung wird zu Verspannung, die kurzfristige Blutdruckerhöhung wird zur dauerhaften. Schlafstörungen oder auch der sogenannte Tunnelblick sind die Folge. Wir sehen nur noch Probleme und können sie nicht mehr relativieren. Sorgen führen zu noch mehr Sorgen. Der Stresspegel steigt. Stress ist jedoch der größte Feind unseres Immunsystems, wir gefährden uns folglich selbst.

Schlafen wir schlecht, haben wir einen Turbo für weiteren Stress. Im Schlaf werden die Ereignisse des Tages verarbeitet. Körper und Geist erholen sich. In unserer Gesellschaft schlafen wir generell zu wenig. Ist dieser Schlaf dann auch noch schlecht, sind wir am nächsten Tag noch dünnhäutiger, angespannt, schlecht drauf. Ein Teufelskreis beginnt.

Hohe Ansteckungsgefahr

Unser Gehirn tut dann nicht mehr, was wir brauchen. Wenn wir zu wenig Erholung haben, können wir uns nicht mehr konzentrieren, das Gedächtnis wird schlechter und unsere Wahrnehmung filtert automatisch das heraus, was zu unseren Sorgen passt und diese bestätigt. Wir nennen dies den Bestätigungsirrtum.

Zudem zeigt die Forschung, dass wir uns in Teams oder Familien mit unseren Sorgen anstecken. Grundlage sind unsere eigenen Erfahrungen, die aktiviert werden, wenn wir etwas Ähnliches bei anderen miterleben. Daraus entsteht unser Mitgefühl, mit dem wir uns in andere hineinversetzen und ein „Was wäre wenn“-Phänomen. Unser Gehirn spielt durch, wie wir uns in dieser Situation fühlen würden. Dabei ist das dabei entstehende Unwohlsein genauso groß, als ob wir die Sorgensituation wirklich erleben. Unsere guten Absichten für Menschen, die uns wichtig sind, verkehren sich somit ins Gegenteil.

Diese Ansteckung geschieht im Übrigen auch über Informationen, die wir hören und lesen. Das ist beim Thema Burn-out untersucht worden. Wenn wir viel über etwas lesen, fangen wir an, bei uns selbst nach Symptomen zu suchen. Ein normaler Kopfschmerz, der vielleicht durch einen Wetterumschwung zustande kam, wird dann als ein Symptom für etwas anderes, manchmal viel Schwerwiegenderes, interpretiert. Die gute Nachricht an dieser Stelle lautet, dass wir uns auch mit guten Gefühlen und Gedanken „anstecken“ können. Dafür möchte ich Sie gern gewinnen.

Nicht ablenken lassen

Was können Sie tun? Fragen Sie sich, ob Sie an der sorgenvollen Situation selbst etwas ändern können. Beim Thema Inflation ist das nicht der Fall. Bei Familienproblemen, die uns nicht direkt betreffen, wie die schwierige Ehe der Kinder oder die Gesundheit der Geschwister, sollten wir uns fragen, ob wir um Hilfe gebeten worden sind. Wenn nicht, wäre es Einmischung, wenn wir etwas unternehmen – und sei es in noch so guter Absicht. Dies kostet unsere Energie. Wenn die Antwort ja ist, sollten wir nach konkreten Lösungen suchen.

Mir scheint es, als ob wir uns mit den Sorgen um die großen und kleinen Dinge dieser Welt davon ablenken, etwas für uns zu tun. Als ob wir uns drücken vor Dingen, die uns unangenehm sind. Vielleicht haben wir auf die längst fällige Weiterbildung im Büro keine Lust, sind zu träge, den Sport zu treiben, der uns guttun würde. Oder wir schieben das Loslassen alter Enttäuschungen vor uns her, statt einen ersten Schritt zu tun. Wir haben so viele Dinge in unserem eigenen Leben zu erledigen, dass wir Zeit, Kraft und Energie gut abwägen sollten, die wir mit Sorgen verlieren. Mit denen können wir uns dann auseinandersetzen, wenn die Situation tatsächlich eintritt, dann aber mit dem Fokus auf Lösungen.

Wenn wir uns mit uns befassen, kommen wir körperlich und mental in den Zustand, in dem wir gute Lösungen für die immer vorhandenen Themen finden, die uns betreffen. Wir haben Lebensfreude und Kraft, die wir weitergeben können. Unsere gute Energie bringt den Ausgleich in den Alltag, den wir uns alle wünschen. In diesem Sinne sind wir dann Vorbild für etwas, was sich viele wünschen: freundliche, optimistische, wertschätzende Mitmenschen.