Görlitz ist seit jeher reich an Apotheken. Schon 1305 erwähnt das Stadtbuch die erste solcher Einrichtungen, die auf keiner Stadtführung unerwähnt bleibt: die Struve-Apotheke, auch Rats-Apotheke auf dem Untermarkt/Ecke Peterstraße. Da kann keine andere Sechsstadt mithalten: Apotheken wurden in Bautzen erst 1542, in Zittau 1615 oder in Kamenz 1515 erstmals urkundlich erwähnt. Die Struve-Apotheke blieb lange Zeit privilegierter Görlitzer Alleinanbieter, dann folgten 1830 die Löwen-Apotheke auf dem Obermarkt/Ecke Fleischerstraße und 1865 die Adler-Apotheke am Wilhelmsplatz/Ecke Jakobstraße.
Alle drei Einrichtungen gibt es nicht mehr, und so kann die Humboldt-Apotheke am Demianiplatz mit Stolz darauf verweisen, heute die älteste noch betriebene Apotheke der Stadt Görlitz zu sein. Am 12. September 1870 wurde sie vom Apotheker A. Welt eröffnet, kann also jetzt ihren 150. Geburtstag feiern.
Logisch, dass sie in dieser langen Zeit mehrmals die Besitzer wechselte. Die verschiedenen Namen sagen uns heute nichts mehr – bis auf einen: 1909 übernahm Apotheker Botho Finck das Geschäft, Vater des 1902 in Görlitz zur Welt gekommenen bedeutenden Kabarettisten, Schauspieler und Schriftsteller Werner Finck. Man kennt seine Bücher („Alter Narr – was nun?“) und kann ihn heute auch auf DVD erleben, zum Beispiel bei einem brillanten Gastauftritt mit Sketchen in der dreiteiligen TV-Serie „Die Witzakademie“ an der Seite von Theo Lingen und Heinz Erhardt oder im von Rainer Fassbinder gedrehten Kinofilm „Acht Stunden sind kein Tag“.
Max Holfeld erfand Mittel gegen die Schuppenflechte
In der Apotheke am Demianiplatz indes folgten ab 1919 viele weitere Besitzer, ebenso Pächter und – vor allem in der DDR – staatliche Lenker. Interessant ist zudem, dass Werner Fincks Schwester Hildegard den Apotheker Max Holfeld heiratete, der wiederum 1919 die Apotheke seines Schwiegervaters übernahm. Er erfand damals ein spezielles Mittel gegen die Schuppenflechte, das als „Vacampin-Kur“ weltweit verschickt wurde und den Namen Görlitz somit auch auf diesem Gebiet der Heilkunde bis nach Amerika populär machte. In eine Salbe arbeitete er unter anderem Cignolin ein, das auch heute noch zu diesem Zweck in Salben angeboten wird. Zu Holfelds Kur gehörten zudem homöopathische Tropfen, ein Kopfflechtenwasser, ein Flechtentee und ein Mittel zum Einpinseln.
Und unter dem sich bewährenden Namen „Vacampin“ bot der findige Max Holfeld noch weitere Produkte an, darunter auch Bonbons gegen Husten und Heiserkeit als „Spezialität der Humboldt-Apotheke. Auch Apotheker Heinrich Bubenstein führte diese Angebote noch eine Weile weiter. Ihn hatte Hildegard nach Holfelds Tod geheiratet und die Apothekentradition damit fortgeführt.
1990 erfolgte die Reprivatisierung, und seit Februar 1998 heißt die Chefin Brigitte Westphal. Die Fachapothekerin für Offizin-Pharmazie weiß um die Bedeutung der Einrichtung, pflegt das Finck-Erbe und beschäftigt sich viel mit der Geschichte des Apothekenwesens der gesamten Oberlausitz. Im Jahr 2000 finanzierte sie sogar die komplizierte Restaurierung des ältesten Görlitzer Apothekenprivilegs, einer im Ratsarchiv aufbewahrten Urkunde, verliehen 1594 durch Kaiser Rudolf II., und hängte eine Kopie in ihren Geschäftsräumen auf.
Versteigerung für Tierpark geplant
Zum 150. Bestehen ihrer Apotheke will Brigitte Westphal aber auch anderen etwas geben. So bereiten sie und ihre Mitarbeiter eine Versteigerung alter, nicht mehr benötigter Utensilien aus der Apotheke vor. Der Erlös wird dem Tierpark zugute kommen.
www.humboldt-apotheke-goerlitz.de