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Bistum Görlitz: Zisterzienser zeigen erstmals Modell für ihr neues Kloster

Auf einer alten Stasi-Liegenschaft im brandenburgischen Wald soll einst das Kloster Maria Friedenshort entstehen. Eine mexikanische Architektin und Architekturbüros aus Brüssel und Barcelona sind daran beteiligt.

Von Sebastian Beutler
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Symbolische Schlüsselübergabe an die Zisterzienser am Wochenende: Jetzt gehört ihnen das Grundstück für das künftige Kloster Maria Friedenshort in Treppeln bei Neuzelle.
Symbolische Schlüsselübergabe an die Zisterzienser am Wochenende: Jetzt gehört ihnen das Grundstück für das künftige Kloster Maria Friedenshort in Treppeln bei Neuzelle. © Patrick Pleul, dpa

Der Görlitzer katholische Bischof Wolfgang Ipolt konnte die Widersprüchlichkeit katholischen Lebens in diesen Tagen hautnah erfahren. Er kam gerade von der Herbstkonferenz der deutschen Bischöfe. Da ging es wieder um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und zugleich um die Vorbereitung der Weltsynode, die Reformen in der katholischen Kirche vorbereiten soll und Mitte dieser Woche beginnt. Bei beiden Treffen spielt die größte Vertrauenskrise, der sich die katholische Kirche seit Jahrzehnten in Europa gegenübersieht, eine große Rolle.

Und dann erlebt Wolfgang Ipolt zwischendurch am Sonnabendnachmittag ein unbeschwertes Fest von 400 Menschen auf einer Freifläche mitten in einem Wald am nördlichsten Zipfel seines Bistums, wo die Zisterzienser ein neues Kloster erbauen wollen. In Brandenburg, wo der Anteil der Katholiken 3,6 Prozent ausmacht. Kein Wort von Vertrauenskrise, aber oft von Aufbruch, von Zusammenhalt, von Identität und Gottvertrauen.

Das vage Modell für das neue Kloster im Bistum Görlitz. Hinten die Kirche, dafür der Kreuzgang und die Gebäude des Klosters.
Das vage Modell für das neue Kloster im Bistum Görlitz. Hinten die Kirche, dafür der Kreuzgang und die Gebäude des Klosters. © SZ/Sebastian Beutler

Ipolt hatte vor Jahren die Mönche eingeladen, das Kloster in Neuzelle wiederzubeleben, aus dem sie vor 200 Jahren von Preußen vertrieben wurden. Und tatsächlich entschieden sich die Zisterzienser für einen Neuanfang im Bistum Görlitz. Doch sie werden nicht in das barocke Kloster zurückkehren, das das Land Brandenburg über eine Stiftung verwaltet und das eines der größten Touristenattraktionen am Zusammenfluss von Neiße und Oder darstellt. Die Zisterzienser bauen neu. In einem Waldstück, das einst dem Kloster Neuzelle gehörte, zwischendurch von der Stasi als Erholungsgelände genutzt wurde und nun als verwundetes Land durch ein Kloster wieder heilen soll.

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Für Ipolt sind die Mönche Kundschafter, die schauen wollten, ob sich das Land für die Gründung eines Klosters eignet. Das war kein leichter Weg, und nicht nur einmal standen die Pläne auf der Kippe. Doch dann fanden die Mönche das Areal mitten im Wald. Nun haben sie es für 220.000 Euro erworben, 75 Hektar. Die 27 Gebäude des Stasi-Komplexes sind bereits abgerissen, drei Keller dienen nun Fledermäusen als Winterquartier. 40 Tonnen Müll wurden abtransportiert. Hier soll das erste Kloster der Glaubensgemeinschaft in Brandenburg seit dem Mittelalter entstehen. Nicht ganz auf den Fundamenten der Stasi, sondern etwas versetzt im Wald. Für den brandenburgischen Staatssekretär Tobias Dünow ist allein das schon ein Wunder, erklärt er am Sonnabend.

Pater Simeon Weser stand vor Jahren noch vor dem Hauptgebäude in dem Forst bei Neuzelle, das mittlerweile abgerissen wurde.
Pater Simeon Weser stand vor Jahren noch vor dem Hauptgebäude in dem Forst bei Neuzelle, das mittlerweile abgerissen wurde. © ZB

Auch für den Abt aus dem größten Zisterzienserkloster Europas, dem österreichischen Heiligenkreuz bei Wien, ist dieser Tag ein Wunder. Der 62-jährige Maximilian Helm bezeichnet sich selbst als Österreicher mit Migrationshintergrund. Er stammt aus Kronach an der bayerisch-thüringischen Grenze. Er habe eine ziemlich rote Deutsch- und Geschichtslehrerin gehabt, der er aber heute dankbar sei. Mit ihr fuhren die jungen Bayern nach Ostberlin und Weimar und erlebten, dass die Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang ganz normale Menschen sind. Nun steht er als Abt in Neuzelle. "Keiner von uns hätte gedacht, dass wir einmal an diesem Ort sein würden", sagt er der Menschenmenge.

Blick auf die Klosteranlage in Neuzelle (Brandenburg), von der die Zisterzienser vor 200 Jahren vertrieben wurden. Jetzt kehren sie zurück - aber nicht mehr in ihre alte Heimstätte.
Blick auf die Klosteranlage in Neuzelle (Brandenburg), von der die Zisterzienser vor 200 Jahren vertrieben wurden. Jetzt kehren sie zurück - aber nicht mehr in ihre alte Heimstätte. © Patrick Pleul, dpa

Ein Klosterbau ist eine Lebensaufgabe, sagt auch die mexikanische Architektin Tatiana Bilbao, die seit Mai vergangenen Jahres das neue Kloster entwirft. Zwei Tage lang saßen sie, Architektenbüros aus Brüssel und Barcelona sowie deutsche Planungsbüros in der vergangenen Woche wieder zusammen, um gemeinsam mit den Mönchen Details des Baus zu klären. Nun erlebt sie an diesem Sonnabend den Moment, als sie zusammen mit Pater Kilian Müller, Subprior und Ökonom des neuen Klosters, das Tuch über dem ersten, noch recht vagen Modell des künftigen Neubaus heben.

Architektin Tatiana Bilbao zusammen mit Pater Kilian Müller.
Architektin Tatiana Bilbao zusammen mit Pater Kilian Müller. © SZ/Sebastian Beutler

Müller hatte zuvor gesagt, dass mit dem Start zum Bau frühestens 2026 zu rechnen sei. Los geht es mit der Klosterkirche, dem Kreuzgang, den Wohnbereichen und sieben Einsiedeleien. In zwei weiteren Phasen planen die Zisterzienser einen Gäste- und Jugendbereich und am Ende auch einen Gasthof. Das Kloster soll vor allem durch Spenden finanziert werden. Das Bistum Görlitz beteiligt sich an dem Vorhaben mit einem Gründungszuschuss in Höhe von einer Million Euro. Auch das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken bezuschusst den Bau mit einer sechsstelligen Summe.

Bis das Kloster Maria Friedenshort, ausgelegt für 50 Mönche, fertiggestellt sein wird, könnte es Jahrzehnte dauern. Abt Helm erklärt das so. Zuerst müsse der geistliche Zusammenhalt der klösterlichen Gemeinschaft als Fundament für das neue Kloster sich entwickeln, sonst blieben alle Strukturen, Gebäude und auch die Seelsorge hohl und unfruchtbar. Vier Mönche waren anfangs nach Neuzelle aufgebrochen, jetzt sind es bereits acht, zwei weitere sind noch in der Ausbildung. Zudem gibt es den Worten des Abtes zufolge weitere Interessenten.

Damit das monastische Leben sich nicht unter den Blicken von Tausenden Touristen in dem barocken Kloster entwickeln muss und auch die mittlerweile auf drei Gebäude verstreut lebenden Mönche die Gelegenheit haben, an einem Ort zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen, gibt es aber eine Übergangslösung. Die wurde möglich, weil den Mönchen Anfang des Jahres ein verlassener Bauernhof wenige Hundert Meter von dem künftigen Kloster entfernt angeboten wurde. Sie kauften es, und dieser Bernhardshof wird ab Mitte 2024 zu einem provisorischen Kloster für maximal 14 bis 16 Mönche ausgebaut, samt einfacher Kapelle in einer Scheune.

Beim neuen Kloster bauen die Zisterzienser gleich etwas größer. So groß ist ihr Vertrauen. In dem Mutterkloster Heiligenkreuz leben 104 Mönche. Und auch für Neuzelle interessieren sich mehr als die acht, die derzeit dort leben. Auch als Begegnungsort bekommen die Zisterzienser bereits jetzt Anfragen. Das Priorat habe viele Anfragen von Menschen, die sich für eine gewisse Zeit aus ihrem normalen Leben zurückziehen wollten, sagt Pater Kilian Müller. Das hört auch Staatssekretär Tobias Dünow, dem vor allem wichtig ist, dass die Menschen in der Region das neue Kloster mittragen und die anfänglichen Befürchtungen, es könnte zu Streit zwischen den Mönchen und den Alteingesessenen kommen, sich nicht erfüllt haben. Deswegen konnte Dünow am Sonnabend auch sagen: "Die Bevölkerung ist nicht kirchennah, aber sie ist klosterbegeistert."