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Görlitzer Demo gegen Rechts zieht 2.000 Menschen auf den Marienplatz

Trotz der Kälte, zahlreiche Menschen kamen am Sonntag nach Görlitz, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen - auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer.

Von Susanne Sodan
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Demonstration gegen Rechts auf dem Marienplatz in Görlitz: Um die 2.000 Menschen kamen zusammen.
Demonstration gegen Rechts auf dem Marienplatz in Görlitz: Um die 2.000 Menschen kamen zusammen. © Martin Schneider

"Wltffnht" ist auf Theresa Liebichs Plakat zu lesen. Das Plakat ohne Vokale stammt von einer schon älteren Aktion gegen rechte Strömungen. Trotzdem, "Weltoffenheit", darum geht es ihr auch jetzt. Die Görlitzerin kam mit Freunden am Sonntagnachmittag auf den Marienplatz - so wie zahlreiche andere Menschen au. Um die 2.000 Teilnehmer zählte die Polizei bei der Görlitzer Demo gegen Rechts am Sonntag, trotz klirrender Kälte. Davon zeigte sich selbst Demo-Anmelderin Samira Schrenk vom Bündnis"Klare kante" überrascht. Die Teilnehmer: bunt gemischt. Eine ältere Dame fordert auf ihrem Plakat "Nein zu Gewalt und Krieg" und eine junge Frau teilt auf dem ihren mit: "Ich kann nicht glauben, dass ich gegen Menschenhass demonstrieren muss."

Manche nahmen für Demo weite Wege auf sich

Die meisten Demonstranten schienen Görlitzer zu sein, aber manche nahmen weite Wege auf sich.
Die meisten Demonstranten schienen Görlitzer zu sein, aber manche nahmen weite Wege auf sich. © Foto: SZ/Veit Hengst

Die meisten Teilnehmer scheinen aus Görlitz zu kommen, manche reisten aber auch aus umliegenden Orten an, darunter eine Freundesgruppe aus Weißwasser. "Wir sollen ein Zeichen setzen", sagt ein junger Mann. Welche Inhalte die AfD propagiere, sei zwar längst bekannt. "Aber dieses Geheimtreffen in Potsdam hat noch mal so richtig bewusst gemacht, wie radikal und menschenfeindlich das alles ist." Das Treffen zwischen AfD-Vertretern, Mitgliedern der Werte-Union und Rechtsextremisten in Potsdam, bei dem es etwa um "Remigration" ging, sorgt seit Tagen bundesweit für Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.

Die Sorge, dass die AfD wirklich demokratische Strukturen auflösen könnte, sollte sie früher oder später eine Mehrheit erlangen, trieb auch Kathrin Frahm aus Herrnhut nach Görlitz. "Ich habe einfach Sorge, dass dann Rücksichtlosigkeit und Aggression sich noch weiter breit machen würden", sagt sie. "Ich will aber noch in einem Jahr in der Oberlausitz leben."

Trotz der Sorgen, trotz der Kälte: Die Stimmung auf dem Marienplatz ist gut. Viele Familien haben sich offenkundig aufgemacht, so einige prominente Gesichter auch: Schulleiter, Ärzte, Bürgermeister Benedikt Hummel oder auch Günther Hasinger, Leiter des neuen Deutschen Zentrums für Astrophysik. Bunt ist auch die Liste der Redner: Daniel Preißler von "Görlitz bleibt bunt", Julia Schlüter, Leiterin des soziokulturellen Zentrums Rabryka, Karsten Günther-Töpert, Vorsitzender der "Bürger für Görlitz"-Fraktion, Mirko Schultze, Stadtrat und Landtagsmitglied für die Linkspartei, Kristina Seifert von der Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, Christiane Schulz, Chefin des CDU-Stadtverbandes. Landrat Stephan Meyer (CDU) stand auf der Bühne, wie auch der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu.

Emotionale Worte vom Görlitzer OB

Der Görlitzer OB Octavian Ursu gehörte zu den Rednern.
Der Görlitzer OB Octavian Ursu gehörte zu den Rednern. © Martin Schneider

Erschüttert und fassungslos sei er gewesen, als er von den Inhalten des Geheimtreffens in Potsdam, die vor einer reichlichen Woche bekannt wurden, hörte. Görlitz sei zu einer internationalen Stadt geworden, so Octavian Ursu. "Hier arbeiten Menschen aus aller Welt. Wir lassen uns diese Entwicklung nicht von einer Handvoll Rechtsextremisten kaputt machen." Erst am Vormittag war er bei der ältesten Görlitzerin, um ihr zum 109. Geburtstag zu gratulieren. Eine Frau, die von Vertreibung und Krieg betroffen gewesen sei. Ihr Mann sei im Zweiten Weltkrieg gefallen, erzählt Ursu. "Solche Dinge wie zu Zeiten des Nationalsozialismus, dürfen nie wieder passieren. Ich habe ihr versprochen, dass wir auf unsere Stadt aufpassen werden."

Seit bald vier Jahren gibt es in Görlitz die "Montagsdemo", die während der Corona-Pandemie entstanden und deren Organisatoren kürzlich als extremistisch eingestuft wurden. Ursu - und auch andere - hatten dazu mehrfach Stellung bezogen in der Vergangenheit. Auch zur Demo auf dem Marienplatz war die "Montagsdemo" mehrfach Thema.

Wohl das prominenteste Gesicht auf dem Marienplatz: Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Wohl das prominenteste Gesicht auf dem Marienplatz: Ministerpräsident Michael Kretschmer. © Martin Schneider

Ziemlich begeistert von der Teilnehmerzahl zeigte sich auch Spontangast Harald Baumann-Hasske, ehemaliges Landtagsmitglied der SPD, das sei ein starkes Zeichen. Wohl das prominenteste Gesicht beim Görlitzer Protest: Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer. Er verwies etwa darauf, in wie vielen Bereichen - ob Küche oder Technologie - Menschen aus anderen Ländern für Verbesserungen und Fortschritt in Sachsen sorgen. „Hier wird niemand remigriert“, rief er, weder der Lieblingsitaliener, noch der Görlitzer Oberbürgermeister – Ursu stammt aus Rumänien – noch ein Wissenschaftler.

Demo blieb friedlich

Er freue sich besonders, dass die Europastadt Görlitz-Zgorzelec ein solches Zeichen setze und zitierte Jean-Claude Juncker: „Er hat gesagt: Wenn Sie an Europa zweifeln, wenn Sie an Europa verzweifeln, dann gehen Sie einmal auf Soldatenfriedhöfe. Dann wissen Sie, warum es so wichtig, dass wir zusammenhalten.“ Kretschmer appellierte, das Gemeinsame zu suchen, statt das Trennende und auf sachlicher Ebene Lösungen zu finden für bestehende Probleme. „Wir wissen alle, was auf dem Spiel steht.“

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In Görlitz bekam Michael Kretschmer viel Applaus – aber auch Kritik. Mirko Schultze von der Linkspartei nannte die CDU zwar nicht beim Namen in seiner Rede, machte aber deutlich: AfD-Forderungen zu übernehmen, helfe nicht. Vielmehr müsse dem rechten Spektrum deutlich gezeigt werden: „Hier ist Schluss.“

Vertreten waren tatsächlich alle Görlitzer Fraktionen - am Rande der Demo sah man auch AfD-Mitglieder. Im Laufe des Nachmittags wurde auf dem benachbarten Postplatz eine Spontandemonstration gegen die Demo gegen Rechts auf dem Marienplatz angemeldet. Vom wem ist bislang nicht bekannt. 14 Teilnehmer zählte die Polizei bei der Postplatzdemo. Insgesamt zog die Polizei ein positives Fazit, Zwischenfälle gab es nach bisherigem Stand keine.