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Kreis Görlitz: Pflegedienste kämpfen mit "bürokratischem Monster"

Die Löhne sind in der Branche gestiegen, bezahlt wird nun nach Tarif. Das zieht höhere Kosten nach sich. In einer Gesprächsrunde in Reichenbach schilderten Pflegedienste dem Ministerpräsidenten ihre Bedenken.

Von Constanze Junghanß
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Michael Kretschmer in Reichenbach im Austausch mit Mitarbeiterinnen aus der Pflege und einer Steuerberatung für Pflegedienste.
Michael Kretschmer in Reichenbach im Austausch mit Mitarbeiterinnen aus der Pflege und einer Steuerberatung für Pflegedienste. © Constanze Junghanß

Ambulante Pflegedienste aus dem Landkreis Görlitz befürchten, „Fälle von pflegerischer Verwahrlosung zu sehen“, wie die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes bei einer Gesprächsrunde mit Ministerpräsident Michael Kretschmer am vergangenen Freitag in Reichenbach sagte. Eingeladen hatte den CDU-Politiker dazu das Reichenbacher Pflegeteam mit Chefin Susan Kothe-Spieß, ebenso waren Vertreter der Mobilen Hauskrankenpflege Kröber aus Zittau und des Görlitzer Pflegedienstes Cathrin Gutsche vor Ort, um dem Ministerpräsidenten die aus dem Tarifvertrag resultierenden Schwierigkeiten und Zukunftsängste zu schildern. Die Sorge ist groß, dass die hohen Kosten zulasten der Patienten, der Pflegedienste, aber auch des Landkreises führen.

Später Dank mit Folgen

Seit September 2022 ist die Bezahlung nach Tarif in der Pflege verpflichtend. Damit wollte die Bundesregierung erreichen, dass die wichtige Arbeit der Pflegenden besser entlohnt wird und rechnete mit Lohnsteigerungen bis zu 30 Prozent. In einer Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums wird Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach so zitiert: „Das ist ein später Dank für alle aktiven Pflegekräfte und ein gutes Zeichen an alle, die diesen wichtigen und erfüllenden Beruf ergreifen wollen. Die Gesellschaft muss diese Leistung besser honorieren.“

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Doch dadurch wird es teurer. Mittlerweile erhalten Hilfskräfte in der ambulanten Pflege aus der Region einen Stundenlohn von 18 Euro, bei Fachkräften ist ein Verdienst regional zwischen 21 bis etwas über 24 Euro üblich. Davor betrug der Mindestlohn in der Pflege etwa 13,50 Euro. Trotz Pflegeversicherung, die einen Teil der Leistungen abfedert, sind bei der Betreuung durch einen Pflegedienst in den eigenen vier Wänden immer öfter Zuzahlungen aus der eigenen Tasche notwendig. Bei der Pflege Zuhause können bei hoher Pflegebedürftigkeit private Zuzahlungen nun durchaus bis in den vierstelligen Bereich klettern. Dazu kommen Preissteigerungen von bis zu 177 Prozent von 2019 bis heute. Kostete die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme vor vier Jahren noch weniger als elf Euro pro Einsatz, sind es heute schon fast 19 Euro. Einmal Duschen oder Baden kostete vor vier Jahren knapp 23 Euro, heute sind das mehr als 40 Euro. Die Zahlen nannte Rita Samsen von der Steuerberatung ETL, Admedio Dresden, bei dem Termin in Reichenbach.

Anträge sind "bürokratisches Monster"

Nicht jeder kann oder will so viel Geld zahlen. Und nicht jeder will das Pflegegeld dafür ausgeben. Und dann kürzten Angehörige die Leistungen, versuchten selber, die Pflege zu meistern, um Geld zu sparen, was sie kräftemäßig und emotional fordert. Die Folge: „Zunehmende Überlastung der Angehörigen“, sagt Susan Kothe-Spieß, weshalb Pflegedienste letztendlich auch Sorge vor „pflegerischer Verwahrlosung“ haben. „Die steigenden Kosten in der Pflege werden für die Pflegebedürftigen, die Städte und Landkreise, aber auch für die Pflegedienste, zu einer immer größeren Belastung“, schätzt Michael Kretschmer angesichts dieser Entwicklungen ein. Da, wo kein Geld vorhanden ist, unterstützt nach einer komplizierten Antragsstellung der Landkreis finanziell, der bereits bei den hohen Eigenanteilen in den Pflegeheimen einspringen muss. Die Steuerberaterin sprach von einem „bürokratischen Monster.“ Stand Februar 2022 zahlte der Kreis mittlerweile für jeden Vierten der rund 3.360 Heimbewohner diese Kosten. Die betragen derzeit im Durchschnitt etwa knapp 2.400 Euro pro Monat.

Eine Entwicklung, die privaten Betreibern ambulanter Pflegedienste in vielerlei Hinsicht Bauchschmerzen bereitet und von der noch niemand genau sagen kann, wo sie hinführt. Dass sich der CDU-Politiker Zeit für die Gesprächsrunde genommen hat, freut Susan Kothe-Spieß und ihre Kollegen sehr. Und auch, dass Michael Kretschmer zusagte, das Thema mit Vertretern der Branche, der Pflegeversicherungen sowie von Bund und Freistaat weiterdiskutieren, um gemeinsam Lösungen zu finden, sei wichtig. „Es geht um das Wohl unserer Patienten und um die Zukunft der Pflege“, sagt sie auch.