Was passiert, wenn der Römer nicht zahlt?

Für 70.101 Euro ersteigern, anschließend für 9.999 Euro zum Weiterverkauf im Internet anbieten: Das klingt nicht nach einem cleveren Geschäft. Doch so handhabt es Familie Spettmann aus Düsseldorf/Geldern. Sohn Leonardo hat seit Mitte März drei Görlitzer Ruinen bei Zwangsversteigerungen am hiesigen Amtsgericht erworben, eine davon für das 25-fache des Verkehrswertes. Und das jeweils nicht für sich, sondern für Roberto Petrucci aus Rom.

In Görlitz fragen sich nun alle, was das Geschäftsmodell der Spettmanns ist. Dass sie Häuser ersteigern, um Verluste zu machen, ganz sicher nicht. Was aber stattdessen? Bezahlt haben sie die Häuser noch nicht, als Frist dafür ist teilweise der 30. Juni gesetzt. Angeblich will Petrucci dann nach Deutschland kommen, um zu zahlen.
Doch daran gibt es Zweifel. „Für mich deutet alles darauf hin, dass die Gebote der Versteigerungen nicht bezahlt werden, wenn jetzt die Objekte für einen Bruchteil wieder angeboten werden“, sagt ein Görlitzer, der sich in der Branche auskennt, aber nicht namentlich genannt werden will. Und weiter: „Der Leidtragende ist mal wieder der Gläubiger – also die Stadt –, der neben den investierten Geldern nun auch die Immobilien verloren hat.“ Den Schaden gegen einen in Italien lebenden Schuldner durchzusetzen, sei fast aussichtslos. Und in der Regel sei dort sowieso nichts zu holen.
Vollmachten von 2012 und 2014
Für diese Theorie spricht auch, dass Spettmanns mit Uralt-Vollmachten durch die Lande tingeln. Vor Gericht legte Leonardo Spettmann jetzt zwei Vollmachten vor. Die Erste stammt aus dem Jahr 2012. Darin bevollmächtigt Petrucci Karl Leo Spettmann, „beliebigen Grundbesitz zu erwerben.“ Mit der Untervollmacht aus dem Jahr 2014 gibt der Vater dieses Recht an seinen Sohn Leonardo weiter.

Auf der Vollmacht ist Petruccis Wohnadresse mit Via Tuscolana 346 in Rom angegeben. Sucht man Roberto Petrucci unter dieser Adresse im Internet, stößt man auf ein Amtsblatt der Stadt Duisburg vom Februar 2018. Dem ist zu entnehmen, dass der Italiener in Duisburg Eigentümer einer Wohnung im dritten Stock des Gebäudes Ottostraße 60 ist und zu diesem Zeitpunkt seine Grundsteuern für das Jahr 2016 noch nicht gezahlt hatte. Per Amtsblatt wurde der Grundsteuerbescheid zugestellt, weil er per Post nicht zugestellt werden konnte. Der derzeitige Aufenthaltsort Petruccis sei nicht zu ermitteln, hieß es dort schon vor drei Jahren.
Gut möglich also, dass Petrucci längst woanders lebt als auf der Adresse, die Spettmann dem Görlitzer Amtsgericht präsentierte. Oder anders gesagt: Sollte er nicht zahlen und will die Stadt später an ihn herankommen, so wird sie ihn in der Via Tuscolana 346 wohl nicht finden. In Deutschland hat Petrucci derweil nur eine Postadresse, wo er aber nicht lebt: Grüner Weg 6 in Geldern. Dabei handelt es sich um kein Wohnhaus, sondern um ein Gewerbeobjekt mit Briefkasten.
Die Stadt teilt die Befürchtung des Branchenkenners nicht, sagt Matthias Melzig, Sachgebietsleiter Steuer- und Kassenverwaltung im Rathaus: Bei Nichtzahlung würden Sicherungshypotheken an dem Grundstück eingetragen und der Anspruch damit gesichert werden. „Angenommen, dass der Ersteher die Zahlung des vollständigen Bargebotes an das Gericht nicht leistet und das Objekt sofort weiterveräußert, würde der Käufer ein Grundstück erwerben, das mit einer Sicherungshypothek zugunsten der Stadt belastet ist. Die Stadt würde das Grundstück dann erneut zur Zwangsversteigerung bringen, soweit der Käufer die Sicherungshypothek nicht durch Zahlung ablöst.“

Der Branchenkenner sieht das anders: „Wenn bis dahin aber eine Auflassung des neuen Käufers im Grundbuch steht, hat diese Vorrang vor den Rechten des Gläubigers und kann die Löschung der Sicherungsrechte verlangen.“ Der Schaden bleibe dann beim Gläubiger, der keine Immobilie mehr beanspruchen kann und nur noch einen Schadenersatz-Anspruch gegen einen in Italien wohnenden, hier völlig Unbekannten hat. Und das Amtsgericht müsse dabei zuschauen, solange die Frist für die Zahlung noch nicht abgelaufen ist und die Ersteher offiziell noch nicht durch Nichtzahlung auffällig geworden sind.
Wer von beiden Recht hat, wird man sehen, falls Petrucci und Spettmann die Frist 30. Juni verstreichen lassen sollten. Immerhin: Bei der zuletzt ersteigerten Bahnhofstraße 54 hat das Amtsgericht eine Sechs-Wochen-Frist festgelegt, hier muss also bis zum 19. Mai gezahlt werden. Die Spettmanns sind derweil bereits mit weiteren Häusern in Görlitz beschäftigt. Sie verkaufen hier auch die Eckhäuser James-von-Moltke-Straße 35 und Hohe Straße 11.