Görlitz
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Sag „Ja“ zum Theater und lass Taten folgen

Das Musiktheater samt Orchester zu schließen, ist einer Kulturnation unwürdig, findet unsere Autorin. Sie appelliert an die Politik, sich offen zu weichen Standortfaktoren zu bekennen.

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Musiktheater und Orchester schließen - ist keine Option sagt die Görlitzerin Renate Winkler.
Musiktheater und Orchester schließen - ist keine Option sagt die Görlitzerin Renate Winkler. © Theater/Pawel Sosnowski

Gastbeitrag von Renate Winkler

Hier geht es um eine grundsätzliche Frage: Sagen wir Ja zu einem Stadttheater, wie es in Deutschland historisch gewachsen ist, dann muss das auch deutlich artikuliert werden. Das Görlitzer wurde im Jahr 1851 erbaut und wird seither finanziert, in guten und sehr schlechten Zeiten. Es ist das einzige Musiktheater mit Orchester und Ensemble zwischen den Metropolen Breslau und Dresden.

Renate Winkler (85), engagiert sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich für das Görlitzer Theater. Gebürtig noch in Breslau, ist sie Gründungsmitglied und Vorsitzende des Theater- und Musikvereins. Kultur ist für sie ein Lebensbedürfnis.

Mitarbeiter verzichten jahrelang auf Lohn

Die Görlitzer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verzichteten jahrelang auf mehr als 20 Prozent ihres Lohnes und hielten es so über Wasser. Das war notwendig und verdient von uns allen hohe Anerkennung. Sie hätten dies nicht über eine so lange Zeit leisten können, wenn sie nicht gewusst oder gespürt hätten, dass ihrer Arbeitsstätte in der Zivilgesellschaft der Region eine besondere Rolle zukommt. Sie dürfen für ihre langjährige Loyalität am Ende nicht mit leeren Händen dastehen. Abfindungen für langjährige Beschäftigte dürften die fehlende Geldsumme bei Weitem übersteigen.

Renate Winkler (85), engagiert sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich für das Görlitzer Theater. Gebürtig noch in Breslau, ist sie Gründungsmitglied und Vorsitzende des Theater- und Musikvereins. Kultur ist für sie ein Lebensbedürfnis.
Renate Winkler (85), engagiert sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich für das Görlitzer Theater. Gebürtig noch in Breslau, ist sie Gründungsmitglied und Vorsitzende des Theater- und Musikvereins. Kultur ist für sie ein Lebensbedürfnis. © Privatfoto

Von zentralen Spielstätten aus kann Kultur in die Fläche unseres Landkreises strahlen. Das alles ist kein Selbstzweck. In den augenblicklichen breitgefächerten Meinungsäußerungen in der Gesellschaft, die vehement ausgetragen werden, ist Theater ein Ort zur Ruhe zu kommen, zu verweilen, um den Alltag zu befrieden. Die Zuschauer diskutieren in kleinen Gruppen mit Menschen jedes Alters und aller gesellschaftlichen Schichten. Gepflegte Gespräche und empathische Meinungen werden ausgetauscht. Das ist etwas sehr Wichtiges, was im Theater passieren kann. Solche Orte braucht die Gesellschaft.

Theater ist Ort für Austausch

Also müssen kurzfristige, mittelfristige und langfristige Lösungen gefunden werden, der Unterfinanzierung vorzubeugen. Wir begrüßen alle die Anstrengungen im Rahmen des Strukturwandels, wissenschaftliche Institutionen anzusiedeln. Unsere Region muss attraktiv bleiben auch mit einem ausgewogenen Kulturangebot, damit Fachkräfte mit ihren Familien in unsere Region ziehen. Es braucht Visionen für die Entwicklung unserer Heimat, die alle Zuziehenden zum Bleiben einladen. Das Musik- und das Tanztheater haben diese Potenziale, die kulturellen Kontakte zu den Nachbarn ohne Sprachbarrieren zu überwinden. Wo sich ein Austausch entwickelt, entsteht irgendwann ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Entscheiden wir uns für das Theater, dann muss der Verteilungskampf ums Geld in andere Bahnen gelenkt werden. Die Politik sollte sich offen zu weichen Standortfaktoren bekennen. Der Landkreis Görlitz hat ein Theater, verteilt auf die beiden Hauptspielstätten Görlitz und Zittau sowie auf weitere Nebenschauplätze. Das haben andere Städte und Kreise auch zu bewältigen. Die längst überfälligen Lohnerhöhungen der Künstler sind auch von anderen Theatern zu schultern. Schauen wir über den Tellerrand hinaus: Wie gelingt es dort, angenehme und notwendige Aufgaben neben den Pflichtaufgaben zu bewältigen.

Gutachten helfen nicht weiter

Der Theater- und Musikverein, dem ich vorstehe, meint dazu: Alte und neue Gutachten helfen uns nicht weiter, da die Widersinnigkeit vieler Fakten längst besprochen wurde. Das Musiktheater samt Orchester zu schließen, ist einer Kulturnation unwürdig. Die Kündigung von Mitarbeitern wäre höchstens eine mittelfristige Maßnahme, denn sie wirkt nicht sofort, verkleinert Struktur und Angebot nachhaltig und leitet ein langsames Sterben ein. Das alles wird nur gelöst, wenn das Problem der strukturellen Unterfinanzierung langfristig beseitigt wird. Ein klares Ja zum Theater muss mehr Geld in das System bringen: mehr Kulturraummittel, die es schon einmal gab, höhere Zahlungen der Gesellschafter oder Einbinden weiterer Gesellschafter. Ein Kulturraumtheater mit genau definierten selbstständig produzierenden Häusern und Produktionen, die auf allen Bühnen gezeigt werden können, sollte keine Utopie mehr bleiben. Übrigens: Hochachtung vor der Bürde der Aufgaben, die Landrat Stephan Meyer zu schultern hat. Ich wünsche ihm visionäre Entscheidungen für unsere Region.

Ein Kulturraumtheater mit genau definierten selbstständig produzierenden Häusern und Produktionen, die auf allen Bühnen gezeigt werden können, sollte keine Utopie mehr bleiben. Übrigens: Hochachtung vor der Bürde der Aufgaben, die Landrat Stephan Meyer zu schultern hat. Ich wünsche ihm visionäre Entscheidungen für unsere Region.