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So dramatisch steht es um das Theater im Kreis Görlitz

Landrat Stephan Meyer erwartet 2027 ein Defizit von über vier Millionen Euro. Daher will er nach dem Klinik- nun auch einen Theaterumbau. Dafür hat er zwölf Szenarien vorstellen lassen.

Von Sebastian Beutler
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Bei der letzten Landtagswahl unterstützte Opernsängerin Yvonne Reich (li.) die Kandidatur von Stephan Meyer.
Bei der letzten Landtagswahl unterstützte Opernsängerin Yvonne Reich (li.) die Kandidatur von Stephan Meyer. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Mittwoch war Welttheatertag. Da feiern sich die Theater als wichtige Orte der Identität und Selbstverständigung, der Kunst und der Unterhaltung. In Görlitz musizierten im Theaterfoyer junge Talente, die beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" gut abgeschnitten hatten. Auch für sie bietet das Theater im Kreis Görlitz eine Bühne.

Wie lange das noch der Fall sein wird und in welcher Weise, das beschäftigt die Politik im Kreis Görlitz seit mehr als 30 Jahren. Immer war das Geld zu knapp für eine auskömmliche Finanzierung der Theater im Kreis Görlitz. Viel Geld wurde in all den Jahren für Gutachten ausgegeben, wie sich Kreisrat Thomas Pilz gut erinnert, die immer zu den gleichen Ergebnissen kamen.

Ensemble: Mitarbeiter verzichteten auf Lohn in Höhe eines Kleinwagens

Wie lange erhält sich der Intendant des Theaters Görlitz/Zittau seine gute Laune: Dr. Daniel Morgenroth.
Wie lange erhält sich der Intendant des Theaters Görlitz/Zittau seine gute Laune: Dr. Daniel Morgenroth. © Martin Schneider

Dass die Theater erhalten blieben, ist weniger den Gutachten, als vielmehr ganz anderen zu danken. Engagierten Theaterchefs, hilfreichen Kommunalpolitikern, der Erfindung des Kulturraums, emsigen Theatervereinen, Stadt- und Kreisräten, die zum Theater hielten, und vor allem den Mitarbeitern selbst, die durch die Haustarifverträge auf Löhne im Wert eines Kleinwagens verzichtet haben, wie die langjährige Betriebsratsvorsitzende des Theaters und heutige Kreisrätin Yvonne Reich sagt. Allein bis 2016 wurden 30 Stellen beim Theater abgebaut, weitere Produktionskosten eingespart.

Und doch ist die Theaterzukunft ab 2026 im Moment wieder so offen, man könnte auch sagen gefährdet, wie schon lange nicht mehr - oder immer schon. Das zeigte sich ausgerechnet am Welttheatertag im Kreistag, als Landrat Stephan Meyer eine Analyse seiner Behörde vorstellte, was das Problem ist und wie die verschiedenen Zukunftsszenarien für das Theater aussehen können.

Theaterfinanzierung: Jobs sind gefährdet

Das Problem ist schnell erklärt. Die Schere zwischen den Ausgaben und den Einnahmen geht schneller auf als gedacht. Schon im Jahr 2027 droht ein Defizit von 4,1 Millionen Euro, das der Kreis und die beiden Städte Görlitz und Zittau als Gesellschafter trotz bereits eingerechneter höherer Zuschüsse nicht ausgleichen können. Denn auch bei ihnen ist das Geld knapp, entweder müssen sie bereits einen Sparkurs fahren wie der Kreis und die Stadt Zittau oder große Haushaltslöcher wie in Görlitz sind absehbar.

Dass die Kosten so davongaloppieren, liegt an den Personalkosten, wenn auch nicht allein. Theater sind eben kostenintensiv. Überall. Die Tarifsteigerungen fallen höher aus, als der Landkreis erwartet hatte. Gab das Theater im vergangenen Jahr rund 14 Millionen Euro für seine Mitarbeiter aus, so sind es in vier Jahren knapp drei Millionen Euro mehr. Das sind 20 Prozent. Für die erfahrene CDU-Kreispolitikerin Sieglinde Rüdiger steht deshalb fest: "Es geht nur mit Personalabbau und der Festlegung, von welchen Sparten wir uns trennen. Und wir müssen ehrlich zueinander sein".

Zukunft: Zwölf mögliche Varianten für ein Theater im Kreis Görlitz

Für diese Ehrlichkeit legte die Landkreisverwaltung immerhin zwölf mögliche Zukunftsszenarien vor. Einige davon sind vermutlich nur theoretischer Art, weil sie keine Kosten einsparen. Dazu zählt die Variante, dass das Schauspiel in Zittau und das Musiktheater in Görlitz wieder jeweils eigene Wege gehen oder auch das Modell einer Genossenschaft - auch hier sind finanzielle Auswirkungen gleich null. Die Streichung der Tanzsparte wurde gar nicht erst in die Liste aufgenommen, weil sie zu wenig bringe.

Andere Varianten könnten schon eher auf das Interesse der Kreisräte stoßen. Beispielsweise die Streichung des Schauspiels in Zittau, was 1,5 Millionen Euro bringen könnte, oder die Verkleinerung des Orchesters mit Wegfall der Konzerte, was schätzungsweise eine Million Euro spart. Eine Bespielung des Musiktheaters mit ganz wenigen eigenen Kräften und vielen Gästen bei deutlicher Reduzierung des Angebots könnte mit einer Einsparung von 800.000 Euro zu Buch schlagen. Größer werden die Summen bei der Streichung des Musiktheaters in Görlitz (4,5 Millionen Euro), bei vollständiger Schließung des Theaters (11 Millionen Euro) oder auch bei einem Kulturraum-Theater (1,5 bis 1,8 Millionen Euro). Doch klar ist auch: Bei jeder dieser Variante geht es auch um Abbau von Angeboten, Aufführungen, Inszenierungen, Konzerte. Gar nicht einberechnet sind Wirkungen auf Dritte, Kooperationen mit Schulen oder dergleichen mehr.

Was die Zahlen des Kreises enthalten - und was nicht

Kaum war Corona überstanden, legte ein Wasserschaden das Görlitzer Haus lahm. Die Folgen sind noch lange zu spüren.
Kaum war Corona überstanden, legte ein Wasserschaden das Görlitzer Haus lahm. Die Folgen sind noch lange zu spüren. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Auch sagen diese Zahlen nichts über die politische Machbarkeit aus. Die Bildung eines Theaters in der Oberlausitz mit Bautzen scheiterte bislang noch immer an jeweils eigenen Interessen. Auch sind die Zahlen, die das Beteiligungsmanagement des Kreises vorlegte, mit Vorsicht zu genießen. Sie enthalten keine Kosten für Abfindungen im Falle von Personalabbau oder Folgekosten für ungenutzte Gebäude und Immobilien.

Zudem gehen die Einnahmen und Ausgaben auch deswegen ab 2025 so auseinander, weil der Landkreis eine Fortsetzung des Kulturpakts 2 derzeit nicht eingepreist hat. Es gebe dafür keine rechtliche Grundlage, erklärte Landrat Meyer, worauf er von anderen Kreisräten als Gegenargument zu hören bekam, dass er dann gleich viele Posten auf null setzen könne in seinem Haushalt, weil es dafür noch keine Entscheidungen gebe.

Welche Wirkung diese zusätzlichen Gelder des Kulturpakts 2 für die Theaterfinanzierung besitzt, kann man an der Bilanz des Theaters für 2023 erkennen. Statt eines Defizits von 360.000 Euro erzielte das Theater einen Überschuss von knapp 800.000 Euro. Der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu drängt deswegen darauf, dass auch diese möglichen zusätzlichen Gelder in die Rechnung aufgenommen werden, zumal er die feste Absicht in Dresden vernommen habe, dass der Freistaat nicht ab 2025 aus der höheren Finanzierung der kommunalen Theater aussteigen will.

So ist der Fahrplan des Landrates für die Theaterdebatte

Meyer ließ nicht erkennen, für welches Szenario sein Herz schlägt. Er beteuerte lediglich, dass er "unser Theater erhalten" will. Was das konkret heißt, erfahren die Kreisräte womöglich bei den weiteren Beratungen. Denn nun sollen sie sich auf zwei, drei Szenarien einigen, die weiter untersucht werden. Ein Beschluss dazu soll im Juni dieses Jahres fallen. Zuvor soll es auch eine gemeinsame Empfehlung der drei Gesellschafter geben, also von Kreis und den Städten Görlitz und Zittau.

Anfang nächsten Jahres könnten dann die untersuchten Szenarien vorliegen, sodass der Kreistag im Juni 2025 eine Entscheidung über das Theater fällen kann. Der Linkspolitiker Mirko Schultze, der vor allem auch über das Görlitzer Straßentheaterfestival Viathea eng mit dem Theater verbunden ist, macht sich über die Tragweite dieses Prozesses keine Illusionen: "Es besteht die Gefahr, dass wir wieder ins Leben der Mitarbeiter am Theater eingreifen."