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Das Gute siegt - doch das Böse gibt nicht auf

Mozarts "Zauberflöte" hatte jetzt in Görlitz Premiere. Eine außergewöhnliche Königin der Nacht, schöne Stimmen, eine passende Regie begeistern das Publikum.

Von Sebastian Beutler
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Von ihrem Spiel und Gesang lebt die Zauberflöte auch in Görlitz: Hans-Peter Struppe als Papageno (re.) und Thembi Nkosi als Prinz Tamino.
Von ihrem Spiel und Gesang lebt die Zauberflöte auch in Görlitz: Hans-Peter Struppe als Papageno (re.) und Thembi Nkosi als Prinz Tamino. © Theater Görlitz/Pawel Sosnowski

So eine Zauberflöte ist eine feine Sache. Kaum erklingen ihre Töne, verwandelt sich die Welt, wird fröhlicher und liebenswürdig. Zorn und Hass, Verschwörungstheorien und Lügen gehören der Vergangenheit an. Es ist wie im Märchen.

Mozarts Oper ist tatsächlich auch ein Märchen. Und doch steht es im Görlitzer Theater am Anfang einer Spielzeit, die sich das Motto "Deutschland, Deutschland" gegeben hat und nach Ansicht von Intendant Daniel Morgenroth Fragen stellen will nach dem Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land, zu Stolz und Fahnen und einer offenen Gesellschaft.

Tamino (Thembi Nkosi) im Kreis der Eingeweihten im Reich Sarastros.
Tamino (Thembi Nkosi) im Kreis der Eingeweihten im Reich Sarastros. © Theater Görlitz/Pawel Sosnowski

Dass die Wahl auf Mozarts letzte Oper fiel, verwundert zunächst und auch die Inszenierung von Barbara Schöne (Regie) und Jeannine Cleemen (Ausstattung) gibt nicht auf den ersten Blick Antworten. Keine Nationalfahnen, kein Nationalstolz, keine Hinweise auf Deutschland, einig Vaterland. Und der Generationenkonflikt, den Dramaturg André Meyer im Programmheft anklingen lässt, leuchtet auch nur ganz sporadisch auf.

Eine Bühne, die sich einfach und schnell wandelt

Dafür hat Jeanine Cleemen, die einst auch mal Architektur an der TU Dresden studierte, eine Bühne gebaut, die die Welten von Sarastro, dem Beschützer des Edlen, und der Königin der Nacht trennt und doch vereint. Das geht ganz schnell und ist der große Vorteil bei den vielen Wandlungen und Szenen, die die Oper abverlangt.

Während die Königin der Nacht in einem Käfig lebt, steht Sarastro auf einem Podium, das nach zwei Seiten abgeschirmt ist und ein Dach hat. Erst spät, wenn es aufs Finale zugeht, wird der Käfig der Königin der Nacht in das Podium geschoben, sodass beide Sphären vereint sind. Zwei Seiten einer Medaille.

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So ganz klar hatten auch Emanuel Schikaneder sowie Ludwig Giesecke, von denen der ursprüngliche Text stammte, die Sympathien nicht verteilt. Ani Taniguchi ist als Königin der Nacht um ihre Macht von Sarastro gebracht, anfangs eine liebende Mutter, die nur das Beste für ihre Tochter Pamina anstrebt - und Rache will. Peter Fabig als Sarastro wiederum erscheint nicht gerade als Sympathiebolzen, bedient sich Sklaven und des Handlangers Monostatos, um sein Reich vor den Menschen abzuschirmen, manipuliert andere und entpuppt sich erst im zweiten Anlauf als Menschenfreund und Hüter des Erbes.

Szenenfoto mit (v. li.) Sarastro (Peter Fabig), Tamino (Thembi Nkosi), Pamina (Shoushik Barsoumian) und der Königin der Nacht (Ani Taniguchi).
Szenenfoto mit (v. li.) Sarastro (Peter Fabig), Tamino (Thembi Nkosi), Pamina (Shoushik Barsoumian) und der Königin der Nacht (Ani Taniguchi). © Theater/Pawel Sosnowski

Es gehört zu den Leistungen von Regisseurin Barbara Schöne, dass sie diese Widersprüchlichkeit erhält, nicht glättet und so dem Spiel Tiefe, Spannung und Vielfalt verleiht. Vor allem aber verlegt sie die "Zauberflöte" nicht ins alte Ägypten, nichts ist auf der Görlitzer Bühne von Felsenschluchten zu sehen, wie es das alte Opernbuch einst vorschrieb. Wenn die alte Keilschrift noch in den Kulissen zitiert wird, dann als Merkposten für die Vergangenheit, die in die Gegenwart reicht.

Stattdessen gibt Thembi Nkosi den Prinzen Tamino in Jeans, die drei Damen der Königin tragen Hinweise auf eine journalistische Tätigkeit, und die drei Knaben, die Tamino und Papageno den Weg durch die gefährlichen Prüfungen Sarastros weisen, sind drei ziemlich vergnügte Teenager in kurzen Jeans.

Auch die Vögel Papagenos sind nicht einfach so gefiederte Tiere, sondern Ideen und Gedanken, auf Papier notiert, als Vögel gefaltet, die er fängt und in Käfige sperrt. Nur widerwillig lassen sich diese "Vögel" auf das Spiel ein, in Freiheit fühlen sie sich wohler. Es sind diese kleinen Miniaturen, die dann doch wieder zum Spielzeitmotto führen. Und manches Zitat passt überraschend gut auf die heutige Zeit. Etwa: "Bekämen doch alle Lügner ein solches Schloss vor ihren Mund: Statt Hass und Verleumdung, schwarzer Galle bestünde Lieb und Bruderbund".

Sehr gut besetzte Soli-Partien

Außergewöhnlich sind die Gesangparts besetzt. Für Ani Taniguchi ist es ein Wiedersehen mit Görlitz, wo sie in den 2000er Jahren sang. Mühelos klettert sie die Koloraturen bis zum dreigestrichenen F hinauf, und es gelingt ihr dabei sogar noch, in die Knie zu gehen. Peter Fabig hält als Sarastro auch stimmlich die Balance zwischen entrücktem Herrscher und einsichtigem Machtpolitiker, der erkennt, dass seine Zeit abläuft.

Thembi Nkosis Tenor ist klangschön wie immer, leicht und glänzend und so zurückhaltend, dass sein Prinz Tamino in wirklichem Kontrast zu den Mächtigen steht. Shoushik Barsoumians Pamina leidet und liebt, wehrt sich und verändert zusammen mit Tamino die Welt, als gäbe es kein Gestern.

Und Hans-Peter Struppe verleiht dem Papageno jene Leichtigkeit und Wurschtigkeit, als wäre er just aus einem österreichischen Volkstheater entstiegen. Dass sie so schön und sicher durch die Partitur kommen, liegt auch an der Neuen Lausitzer Philharmonie unter Ewa Strusinska, die sich Zeit nimmt für die Musik und die sehr unterschiedlichen Stilformen, die Mozart verwendete.

Am Ende werfen Sarastros Priester die Mönchskutten ab, befreien sich vom Männerbund und stehen in genauso bunten Hosen und weißen Hemden auf der Bühne, wie Thembi Nkosi den ganzen Abend über den Tamino gibt. Es könnte also alles so enden wie im Märchen, wenn nicht der Spitzbube Monostatos zuletzt durch den Vorhang stibitzt. Das Böse gehört einfach zu dieser Welt.

Als sich Emanuel Schikaneder im März 1791 an Mozart mit der Bitte um eine Oper wandte, ging es für ihn um die Rettung seines Theaters an der Wieden. Ein Zugstück brauche er, sagte er dem Komponisten. Und das wurde die "Zauberflöte" dann tatsächlich.

Auch in Görlitz hat das Theater jedes Interesse, mit Mozarts Oper das Haus zu füllen. Am Premierenabend gelang es schon mal. Und das Publikum zeigte sich auch noch begeistert.

Die nächste Vorstellung ist an diesem Sonnabend, 19.30 Uhr.