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Bier im Landkreis Görlitz wird teurer

Die Brauereien in Görlitz, Löbau, Eibau und Nieder Seifersdorf erleben schwere Zeiten. Und geben die Kosten an die Kunden weiter. Doch es gibt Unterschiede.

Von Frank-Uwe Michel
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Können wir künftig noch so unbeschwert Bier trinken? Die Brauereien im Kreis verspüren einen enormen Kostendruck.
Können wir künftig noch so unbeschwert Bier trinken? Die Brauereien im Kreis verspüren einen enormen Kostendruck. © dpa

Am Wochenende mal ein paar Bierchen beim Dorffest trinken, fürs Grillen mit Freunden noch einen Kasten zusätzlich kaufen oder sich beim nächsten Kneipenbesuch ein oder gar mehrere "kühle Blonde" genehmigen - das dürfte in Zukunft teurer werden. Erst vor ein paar Tagen hatte Holger Eichele, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbundes, auf die aktuell schwierige Lage der Brauereien aufmerksam gemacht. Es gebe Kostensteigerungen wie noch nie.

Egal, ob Braumalz, Bierdeckel, Kronkorken oder Paletten - überall seien die Preise durch die Decke gegangen. Bei Paletten mit plus 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr fast noch moderat. Strom habe sich dagegen um 250 Prozent verteuert, Gas um satte 430 Prozent. Dies könne, so der oberste deutsche Brauer, nicht ohne Auswirkungen auf den Bierpreis bleiben. Erwartet wird eine Steigerung bis zu 30 Prozent.

Auch die Brauereien im Landkreis Görlitz ächzen unter den hohen Produktionskosten. Die SZ hat in der Bergquell Brauerei Löbau, bei der Privatbrauerei Eibau, in der Landskron-Brau-Manufaktur Görlitz sowie im noch jungen Brauhaus Nieder Seifersdorf nach der aktuellen Situation gefragt.

Was macht den Brauereien besonders zu schaffen?

Steffen Dittmar weiß gar nicht, wo er anfangen soll. Für Energie werde bei ihm jetzt fast das Achtfache gegenüber dem Vorjahr verlangt, beim Getreide gebe es einen noch nie gekannten Kampf.

"Manche Anbieter liefern nicht, trotz laufender Verträge. Braumalz kriegt der, der am meisten drauflegt", beschreibt der Geschäftsführer der Bergquell Brauerei Löbau die Praktiken auf dem Markt. Dittmar ist zugleich Präsident des Sächsischen Brauerbundes und weiß deshalb, dass es den meisten seiner Kollegen ebenso geht.

Nahezu alles, was zum Brauen und Abfüllen gebraucht wird, erlebt derzeit eine Preisexplosion oder ist kaum noch zu bekommen. Beispiel Flaschen: Bergquell braucht pro Jahr etwa eine Million neue. Die zu kaufen, könne man sich fast nicht mehr leisten.

Die Glasherstellung verbraucht jede Menge Gas. Und weil der Preis dafür gerade in die Höhe schnellt, sind Bierflaschen inzwischen eine Art Luxusgut. Auch sie werden zur Mangelware. "Manche Hersteller haben schon angekündigt, dass sie ihre Produktion beenden werden."

Steffen Dittmar, Chef der Bergquell Brauerei Löbau, zählt die hohen Beschaffungskosten für neue Flaschen zu den größten Problemen seiner Firma.
Steffen Dittmar, Chef der Bergquell Brauerei Löbau, zählt die hohen Beschaffungskosten für neue Flaschen zu den größten Problemen seiner Firma. © Archiv/Matthias Weber

Auch die Privatbrauerei Eibau ist stark von der Krise betroffen. "Paletten", schimpft Geschäftsführerin Julia Böhmer, "sind inzwischen viermal so teuer wie vor einem Jahr." Das habe nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Die Händler hätten das mit Holzmangel begründet.

Ähnliches Szenario bei Kronkorken. "Hier gibt es große Lieferengpässe. Für manche Biere haben wir nicht die richtigen Verschlüsse da, müssen deshalb auf andere umsteigen." Die Krisen auf der Welt seien mittlerweile so vielfältig, "dass wir gar nicht mehr nachvollziehen können, wo die Schwierigkeiten denn tatsächlich liegen."

Jammern möchte Landskron-Geschäftsführer Uwe Köhler wie seine Kollegen in Löbau und Eibau dennoch nicht. Aber auch er findet die Preissteigerungen auf allen Gebieten extrem. Jede Woche zögen bestimmte Kosten weiter an. "Aber wir sind ja nicht allein. Auch Bäcker, Schlosser, jeder Privathaushalt hat mit der Situation zu kämpfen", gibt er zu bedenken.

Eibauer Bier - hier ein Bild vom Historischen Bierzug - wird demnächst teurer. Die Brauerei kann die steigenden Kosten nicht mehr allein auffangen.
Eibauer Bier - hier ein Bild vom Historischen Bierzug - wird demnächst teurer. Die Brauerei kann die steigenden Kosten nicht mehr allein auffangen. © Archiv/Rafael Sampedro

Ein klein wenig anders ist die Lage in Nieder Seifersdorf. Das im Vergleich zu den Anlagen in Görlitz, Löbau und Eibau eher kleine Brauhaus in der früheren Gaststätte "Stadt Löbau" zehrt von seinen Reserven. "Wir haben uns mit Paletten, Flaschen und Kronkorken gut bevorraten können. Auch beim Malz", sagt Geschäftsführer Andreas Görnitz. Allerdings beobachtet natürlich auch er den Markt. "Was sich da abspielt, ist wirklich dramatisch." So wird das Brauhaus die Kostenexplosion wohl nicht umgehen können, aber erst mit Verzögerung zu spüren bekommen.

Wo gibt es Einsparpotenzial für die Brauereien?

"Wir haben die innerbetrieblichen Abläufe optimiert und setzen stark auf Nachhaltigkeit", berichtet Uwe Köhler. Allerdings funktioniere das nur bis zu einem gewissen Punkt. "Wir können und wollen bei Malz und Hopfen gar nicht das Günstigste kaufen. Denn wir arbeiten mit gleichbleibend hoher Qualität."

Deshalb prüfe man Lieferanten nicht nur nach dem Preis. Andreas Görnitz will sein Nieder Seifersdorfer Brauhaus angesichts der hohen Energiepreise mit einer großen Fotovoltaikanlage auf dem Dach unabhängiger machen. In Löbau ist man diesen Schritt schon gegangen. "Wir haben in den vergangenen Jahren viel investiert und sind eine der energetisch am nachhaltigsten arbeitenden Brauereien in Europa", erklärt Steffen Dittmar.

Als Beispiele verweist der Bergquell-Chef auf die im Betrieb produzierte Sonnenenergie und die Abwärme, die wieder neu genutzt wird. Ähnliches kann Julia Böhmer aus Eibau berichten. "Wir haben unsere Abfüllung umgestellt, arbeiten jetzt zwei- oder dreischichtig ohne Pause. Damit sind die Anlagen ständig in Betrieb und müssen nicht erst wieder hochgefahren werden." Änderungen habe es auch im Verpackungsbereich gegeben.

Landskron - hier Stefan Hähnel, Leiter der Marketingabteilung (links) und Geschäftsführer Uwe Köhler, hat schon im Dezember an der Preisschraube gedreht. Aktuell wird abgewartet.
Landskron - hier Stefan Hähnel, Leiter der Marketingabteilung (links) und Geschäftsführer Uwe Köhler, hat schon im Dezember an der Preisschraube gedreht. Aktuell wird abgewartet. © Archiv/Paul Glaser

Was könnte den Brauereien im schlimmsten Fall drohen?

Das Schreckensszenario wohl aller Brauereien beschreibt Sachsens oberster Brauer Steffen Dittmar so: "Wird das Gas knapp, sind wir nicht systemrelevant. Damit ist Schluss. Dann wird nichts mehr gebraut, nichts mehr abgefüllt. Das Kühlen fällt weg, das Bier verdirbt im Tank."

Auch die Ankündigung eines Lieferstopps nütze nichts. "Ein, zwei Wochen Vorlauf retten uns nicht." Auch wenn dies nicht eintreten sollte, rechnet Dittmar mit einer schwierigen Zeit. "Ich gehe davon aus, dass einige Unternehmen aufgeben müssen." Für Löbau, Eibau und Görlitz, die drei Eckpfeiler im Landkreis, hofft er das nicht. Allerdings ist ein langer Atem gefragt. Auch wenn der Ukraine-Krieg, der die größten Schockwellen für die Brauereien verursacht hat, demnächst sein Ende finden sollte, rechnet Dittmar mit einem Zeitraum von zehn Jahren, bis wieder Struktur in die Lieferketten kommt.

Andreas Görnitz (rechts) lenkt die Geschicke im Nieder Seifersdorfer Brauhaus. Er hat sich gut bevorratet und kann eine Preiserhöhung momentan noch vermeiden.
Andreas Görnitz (rechts) lenkt die Geschicke im Nieder Seifersdorfer Brauhaus. Er hat sich gut bevorratet und kann eine Preiserhöhung momentan noch vermeiden. © Archiv/André Schulze

Wer erhöht die Preise, wer noch nicht?

Landskron hat eine erste Preiserhöhung schon hinter sich. "Wir haben im Sommer 2021 intern entschieden, dass wir im Dezember eine leichte Anpassung durchführen werden", erklärt Uwe Köhler. Aktuell wolle man nicht weiter an der Schraube drehen. "Wir werden die Entwicklung bei Energie und Rohstoffen natürlich beobachten." Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass die Landskron-Sorten perspektivisch noch ein Stück teurer würden. Auch das Brauhaus in Nieder Seifersdorf plant derzeit keine höheren Preise. Sind die Vorräte an Malz aufgebraucht, dürfte das anders aussehen. Dann muss sich auch Andreas Görnitz wieder den üblichen Marktmechanismen unterziehen.

In Löbau und Eibau lassen sich Preissteigerungen nicht mehr lange verhindern. "Wir zögern es so lange hinaus, wie wir es verantworten können. Aber spätestens zum Jahresende muss es eine Anpassung geben", schätzt Steffen Dittmar ein. Wahrscheinlich geht es dann um rund 30 Prozent nach oben. Soweit will sich Julia Böhmer noch nicht festlegen. "Wir haben das noch nicht endgültig durchgerechnet." Bier solle auch künftig bezahlbar bleiben. Aber: "Angesichts der hochwertigen Rohstoffe und der langen Bearbeitungszeit ist es zu billig", findet sie. Und das habe nichts mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges zu tun.