Görlitz steht bei Flixbus auf der Prüfliste

Peter Hartmann hat schon lange keinen Flixbus mehr gesehen. „Früher kamen die grünen Busse regelmäßig hier vorbei“, sagt der Anwohner aus der Görlitzer Innenstadt. Doch nun? „Entweder fährt Flixbus Görlitz gar nicht mehr an, oder die Busse sind so selten geworden, dass mir lange keiner mehr begegnet ist“, sagt Hartmann.
„Doch, wir fahren noch“, sagt Flixbus-Pressesprecherin Franziska Schleicher auf SZ-Nachfrage: „Aktuell macht Flixbus bis zu 22 Mal wöchentlich in Görlitz halt und bietet unter anderem direkte Verbindungen nach Ingolstadt, Nürnberg, Bayreuth, München, Mönchengladbach, Chemnitz, Dresden und Warschau.“ Die Görlitzer Haltestelle befindet sich am Busbahnhof auf der Bahnhofstraße.
Busse fahren oft zu sehr kuriosen Uhrzeiten
Allerdings fahren die Busse oft zu sehr kuriosen Uhrzeiten – was der Hauptgrund sein dürfte, warum Hartmann schon lange keinen Flixbus mehr gesehen hat. Will man beispielsweise an diesem Donnerstag von Görlitz nach Dresden fahren, so zeigt die Flixbus-Internetseite zwei Verbindungen an: Die erste verlässt Görlitz 0.30 Uhr morgens, die zweite 19 Uhr abends. Wer von Dresden nach Görlitz reisen möchte, hat an dem Tag nur einen Bus zur Verfügung. Er verlässt Dresden um 4.20 Uhr morgens und ist 5.55 Uhr in Görlitz.
„Das derzeitige Streckennetz entspricht noch nicht dem vor Corona“, entschuldigt Franziska Schleicher. Die gesamte Mobilitätsbranche stehe aktuell vor operativen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Flixbus musste aufgrund der Corona-Situation im Frühling zwei Monate pausieren. Seit Ende Mai sind die Fahrzeuge wieder auf deutschen Straßen unterwegs. „Wir passen das Angebot stetig an, basierend auf der aktuellen Situation sowie der Nachfrage“, so die Sprecherin. Bautzen beispielsweise wurde seit dem Neustart noch nicht wieder in das Streckennetz aufgenommen.
Schon vor Corona gab es Probleme
Doch es liegt längst nicht nur an Corona. „Die Fernbushaltestellen in der Oberlausitz gehörten bereits vor der Corona-Krise zu den Orten, die auf der Prüfliste aufgrund der Ungleichberechtigung bei der Mehrwertsteuer standen“, sagt sie.
Bei der Bahn zahlten Kunden bisher 7 Prozent Mehrwertsteuer, seit Juli sind es 5 Prozent. Bei Fernbussen wurde der ursprüngliche Satz von 19 Prozent jetzt auf 16 Prozent reduziert. „Diese Benachteiligung macht es Flixbus besonders schwer, ein bezahlbares Angebot zu schaffen“, erklärt Franziska Schleicher. Das führe letztlich zur Einstellung oder Kürzung von Linien. Darunter leide besonders der Anschluss ländlicher Regionen. Insbesondere aktuell sei es für Flixbus durch die noch günstigeren Bahnpreise – in Form von Spartickets – operativ und wirtschaftlich nicht möglich, die Oberlausitz wieder stärker ins Streckennetz aufzunehmen.
Kurze Strecken sind untersagt
Zur Ungleichbehandlung bei der Mehrwertsteuer komme noch das Personenbeförderungsgesetz. „Es ist uns untersagt, Strecken von weniger als 50 Kilometer oder einer Stunde Bahnfahrt anzubieten“, beklagt die Sprecherin. Daher könnte Flixbus Bautzen zum Beispiel gar nicht mit Dresden verbinden. Auch Hoyerswerda, Neschwitz oder Königswartha treffe die Regelung hart: „Unter diesen Umständen können wir die Strecken aktuell bedauerlicherweise nicht anbieten.“ Daher suche ihr Unternehmen bei der Politik Unterstützung: „Das kann durch Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen oder auch durch die direkte finanzielle Unterstützung des Betriebes der Linien erfolgen.“
Trifft Görlitz also bald das gleiche Schicksal wie Bautzen? Wird auch die Neißestadt aus dem Flixbus-Netz gestrichen? Franziska Schleicher schließt das nicht aus: „Inwieweit Görlitz von Streichungen betroffen sein könnte, analysieren und prüfen wir. Als privates Unternehmen müssen wir selbstverständlich auch auf die Wirtschaftlichkeit unseres Betriebs achten.“ Zu konkreten Auslastungszahlen will sich Flixbus aus Wettbewerbsgründen aber nicht äußern. Gut möglich also, dass Peter Hartmann bald dauerhaft keinen Flixbus mehr in Görlitz sehen wird.