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Kreis Görlitz: Kreis-Kliniken stehen vor komplettem Umbau

In den kommenden zwei Jahren bleibt in den Kliniken in Weißwasser, Ebersbach und Zittau kaum etwas wie es war. Das hat Folgen für die Notaufnahmen, Kreißsäle, für Personal und Patienten. SZ gibt einen Überblick.

Von Sebastian Beutler
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Er muss den kompletten Umbau der Krankenhäuser in Zittau, Ebersbach und Weißwasser managen: Geschäftsführer Steffen Thiele.
Er muss den kompletten Umbau der Krankenhäuser in Zittau, Ebersbach und Weißwasser managen: Geschäftsführer Steffen Thiele. © Matthias Weber/photoweber.de

Als vor knapp einem Jahr der Kreistag in Görlitz das erste Mal über ein Krankenhaus-Konzept sprach, waren die Besucherreihen mit Betroffenen voll besetzt, in der Bürgerfragestunde äußerten sich Hebammen, Krankenschwestern und manch anderer kritisch über die Pläne des damals kaum 100 Tage amtierenden Landrates Stephan Meyer (CDU). Der Kreistag war von dem Protest beeindruckt und nahm die Pläne zum Umbau der Kreiskliniken nur zur Kenntnis, statt sie schon damals zu beschließen und verdonnerte den Landrat, mit den Chefärzten, den Mitarbeitern, den Klinik-Gremien zu sprechen und darüber alle drei Monate dem Kreistag zu berichten.

Als nun an diesem Mittwoch der Kreistag beschließen sollte, wie die Kliniken künftig arbeiten werden, da war alles anders: Niemand saß auf den Besucherstühlen, nur der frühere Kreisrat der Linken, Joachim Herrmann, äußerte sich in der Bürgerfragestunde zur Reform, und Landrat Meyer erhielt vom Kreistag mit 43 Ja, bei 21-Nein-Stimmen und vier Enthaltungen eine klare Rückendeckung für sein Konzept. Reichenbachs Bürgermeisterin und Kreisrätin Carina Dittrich kam zu dem Schluss, Meyer sei es gelungen, "die Mitarbeiter einzufangen".

Lage der Kliniken immer dramatischer

Dazu hat sicher beigetragen, dass innerhalb des letzten Jahres noch viel deutlicher wurde als zuvor, wie dramatisch die Lage nicht nur im Kreiskrankenhaus Weißwasser ist, sondern eben auch im Klinikum Oberlausitzer Bergland mit seinen beiden Häusern in Zittau und Ebersbach/Sachsen.

Weißwasser galt schon seit Jahren als Sorgenkind, hätte der Kreistag nicht im vergangenen Dezember eine Geldspritze von zehn Millionen Euro gegeben, wäre das Haus bereits in diesem Frühjahr pleite gewesen. Ob die zehn Millionen Euro reichen, um das Weißwasseraner Haus zu einem Gesundheitszentrum als Regelversorger umzubauen, ist auch nicht gewiss. Vier Millionen Euro werden am Ende dieses Jahres bereits verbraucht sein. Ab 1. Januar soll es in Weißwasser nur noch die Chirurgie und die Innere Medizin als Fachbereiche geben sowie die Kinder- und Jugendhilfe, die Gynäkologie und die Vor- und Nachsorge bei Geburten als ambulante Leistung. Geburten selbst aber wird es in Weißwasser nicht mehr geben.

Doch auch die Krankenhäuser in Zittau und Ebersbach stecken tief in den roten Zahlen. Geschäftsführer Steffen Thiele geht von rund neun Millionen Euro Defizit in diesem Jahr aus, in der Kreistagsvorlage hieß es sogar bis zu zehn Millionen Euro sind möglich. Setzt sich dieser Trend fort, dann sind Ende nächsten Jahres alle Rücklagen aus guten Jahren aufgezehrt.

Keine Notaufnahme mehr in Ebersbach, vermutlich auch kein Kreißsaal

Deswegen soll sich auch im Süden die Krankenhauslandschaft dramatisch ändern. Ebersbach, das war schon vor dem Kreistag bekannt geworden, wird stationär nur noch über Teildisziplinen der Inneren Medizin in der Schmerztherapie, Krebsbehandlung und Geriatrie verfügen, auch eine Tagesklinik für Krebsfälle ist vorgesehen. Die Chirurgie inklusive der Unfallchirurgie wird bereits Anfang des nächsten Jahres in Zittau stationiert, auch die Gynäkologie, vermutlich ab 2025. Die Innere Medizin in Zittau erhält einen Linkskathederherzplatz, für den ein Antrag auf Kohleausstiegsgelder gestellt wurde. Damit können dann auch schwere Herzerkrankungen in Zittau behandelt werden. Das soll ab 2025 möglichst der Fall sein.

Auswirkungen haben diese Konzentrationen auf die zentrale Notaufnahme, die am Standort in Ebersbach Zug um Zug geschlossen wird, wie es in dem Bericht für den Kreistag heißt. Eine Notfallambulanz bleibt zwischen 8 und 20 Uhr geöffnet, der Rettungsdienst weist seine Patienten aber gleich nach Zittau, Görlitz oder Bautzen ein.

Und auch in der heiß umstrittenen Frage der Geburtshilfe in Ebersbach läuft es auf eine Schließung des Kreißsaals hinaus. Die Anfang dieses Jahres eingerichtete Arbeitsgruppe hat in einer Simulation festgestellt, dass bei einer Schließung in Ebersbach 85 Prozent aller Gebärenden in 30 Minuten eine Geburtsklinik mit angeschlossener Kinder- und Frauenklinik erreicht hätten. All das hat Ebersbach künftig nicht mehr. Zwar lässt sich der Kreis hier noch eine Hintertür offen, will zunächst die Vorgaben von Bund und Land für den Betrieb eines Kreißsaals abwarten. Aber nach Lage der Dinge werden dort Voraussetzungen genannt, die das umstrukturierte Krankenhaus nicht mehr vorweisen wird. Deswegen ist nun ein Geburtshaus von freiberuflichen Hebammen im Gespräch, vorzugsweise in Löbau. Das gab es bereits einmal.

Zahl der stationären Patienten sinkt um 30 Prozent

Der Chef der Sächsischen Krankenhausgesellschaft, Friedrich München, hatte zuvor den Kreisräten erklärt, dass ein Krankenhaus mit nur 200 bis 300 Geburten nicht mehr wirtschaftlich geführt werden kann. Wie schon beim Asyl-Kreistag im April hatte Landrat Stephan Meyer Experten in den Kreistag eingeladen, um aufzuzeigen, dass die Entwicklung im Landkreis kein Sonderfall in Deutschland ist. Und so berichtete München davon, dass die Krankenhäuser in Sachsen zusammen auf ein Defizit von 300 Millionen Euro zulaufen - bei einem Budget von vier Milliarden Euro. Gründe sind die steigenden Kosten für Energie und Personal und die sinkenden stationären Fallzahlen und damit sinkende Umsatzerlöse.

Das konnte Steffen Thiele auch für die Südkrankenhäuser mit Zahlen belegen. So fielen die stationären Zahlen innerhalb von sieben Jahren seit 2016 von 21.331 Patienten auf 15.100 in diesem Jahr - und ob diese Zahl erreicht wird, steht auch nicht fest. Das ist ein Rückgang um ein Drittel. Hatte der Umsatz auch dank der Corona-Hilfen des Bundes zuletzt bei 75 Millionen Euro gelegen, sinkt er in diesem Jahr voraussichtlich auf etwas mehr als 70 Millionen Euro. 60 Prozent aller Ärzte in Zittau und Ebersbach sind Ausländer, die meisten aus Polen und Tschechien, nach Angaben von Kreisrat Jens Hentschel-Thöricht (Linke) sind 200 der 800 Mitarbeiter der beiden Kliniken im Süden über 56 Jahre alt, die Fluktuation ist groß, allein im vergangenen Jahr kündigten 30 Mitarbeiter. Für den Chef der größten Krankenkasse in Sachsen, AOK-plus-Vorstand Rainer Striebel, stellt sich schlichtweg die Frage, wie "wir mit zunehmend weniger Fachkräften eine gute medizinische Versorgung absichern können". Ziel sei es eben nicht, Geld einzusparen.

AfD sieht genug Geld vorhanden - nur wo?

Während alle Fraktionen im Kreistag diesem Konzept zustimmen konnten, erteilte die AfD ihm eine Absage. Jörg Domsgen, früherer Zittauer OB-Kandidat der Rechtsaußen-Partei, musste zwar eingestehen, dass das Papier fachlich teilweise richtig sein mag. Gesellschaftspolitisch aber lehnt die Partei die Reform ab. Denn Geld sei aus ihrer Sicht genug da, es würde allerdings für unsinnigste Dinge in Deutschland ausgegeben. Man müsse es nur abrufen, wo es gehortet wird. Eine konkrete Adresse, an die der Antrag auf Überweisung der Mittel zu stellen sei, blieb Domsgen aber schuldig.