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Schloss Ober-Neundorf: Denkmalstiftung stoppt Förderung

Die Schloss-Eigentümer stehen im Verdacht, einer rechts-esoterischen Bewegung anzugehören. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zieht die Reißleine - und macht die Gründe transparent.

Von Susanne Sodan
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Das Banner links können Kuhns jetzt abnehmen: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zieht sich aus Ober-Neundorf zurück.
Das Banner links können Kuhns jetzt abnehmen: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zieht sich aus Ober-Neundorf zurück. © Martin Schneider

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat ihre Förderung für die Sanierung von Schloss Ober-Neundorf bei Görlitz eingestellt. Bereits 1993 hatte die Stiftung eine Notsicherung für das Schloss unterstützt, schildert Sprecherin Ursula Schirmer, denn bei dem Schloss handelt es sich um ein hochkarätiges Denkmal der Renaissance in Sachsen, das aber über viele Jahre stark verfiel.

Auch nachdem der aus Baden-Württemberg stammende Kiesgruben-Unternehmer Dietrich Kuhn das Schloss übernommen hatte, förderte die Denkmalschutz-Stiftung die Sanierung weiter. Zwischen 2016 und 2022 flossen 105.000 Euro, vor allem für die Arbeiten an den Fassaden und Putzen des Gebäudes sowie den erhaltenen bauzeitlichen Elementen, erklärt Ursula Schirmer. Doch 2023 hat die Denkmalschutzstiftung ihre Förderung für das Schloss eingestellt.

Stiftung ist auf Untadeligkeit "ihrer" Projekte angewiesen

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt seit 1985 den Erhalt bedrohter Denkmale. Welche konkret, darüber entscheidet der Vorstand zusammen mit Fachleuten sowie einer unabhängigen wissenschaftlichen Kommission. Mit Blick auf die Vielzahl hilfsbedürftiger Denkmale konzentriere sich die Stiftung auch auf Projekte, "mit denen wir für den Gedanken des Denkmalschutzes und um Spenden für unsere weitere Arbeit werben können". Die Stiftung ist eine private Initiative, lebt vor allem durch private Spenden und Förderer. "Wir sind als Spenden sammelnde Institution auf unseren guten Ruf und die Untadeligkeit unserer Förderprojekte angewiesen", erklärt Ursula Schirmer. "Daher reagieren wir sehr sensibel auf entsprechende Informationen."

Eigentümer machen wenig Hehl aus ihren Einstellungen

Es gibt Hinweise darauf, dass die Schloss-Eigentümer, Familie Kuhn, Anhänger der rechts-esoterischen Anastasia-Bewegung sind. Man wisse nicht, was mit Anastasia-Bewegung gemeint sei, teilte die Familie der SZ im Frühjahr mit. Ähnlich äußerte sich Dietrich Kuhn kürzlich gegenüber ZDF Online. Andererseits, was sie von den Anastasia-Büchern halten, daraus machen Kuhns keinen Hehl. Mehrfach traten Dietrich und seine Frau Simone Kuhn in den vergangenen Monaten bei der "Montagsdemo" in Görlitz ans Mikrofon - auch, um über die Anastasia-Bücher des russischen Schriftstellers Wladimir Megre zu schwärmen. So stand Simone Kuhn vor vier Wochen zum Beispiel nur wenige Minuten nach Max Schreiber, der heute bei den rechtsextremen Freien Sachsen und früher für die NPD aktiv war, auf der Bühne und empfahl dem Publikum die Bücher.

Eine Romanreihe, die teils antisemitische Ressentiments verbreite, demokratiefeindliche und rassistische Inhalte aufweise, schätzt der Bundesverfassungsschutz ein. Er hat die Anastasia-Bewegung, eine Siedlungsbewegung, die sich ideologisch auf die Bücher bezieht, im Juni als Verdachtsfall eingestuft. Sich öffentlich konkret äußern darf Sachsens Verfassungsschutz erst zu sogenannten erwiesenen extremistischen Bestrebungen. Laut ZDF Online schätzt aber das Kulturbüro Sachsen Schloss Ober-Neundorf als das am weitesten gediehene Anastasia-Projekt Sachsens ein, vor allem wegen der Veranstaltungsfülle und der Vernetzung in der Szene.

Warum der Freistaat Fördermittel nicht einbehalten kann

SZ-Informationen nach soll Familie Kuhn für die Schlosssanierung rund eine Million Euro Unterstützung erhalten haben, größtenteils durch staatliche Stellen wie das Landesdenkmalamt, das zum Ministerium für Regionalentwicklung gehört. Wie dessen Sprecher Frank Meyer mitteilt, wurden seit 2016 für das Schloss Ober-Neundorf aus Mitteln des Freistaates insgesamt rund 632.500 Euro bewilligt. "Ausgezahlt sind bisher 374.126,75 Euro." Mit den noch nicht ausgezahlten Geldern können Kuhns offenbar noch rechnen.

Durch verschiedene Denkmalprogramme des Freistaates oder Bund-Länder-Programme werden Eigentümer besonders hochwertiger, überregional bedeutsamer Kulturdenkmale gefördert, erklärt Meyer. Ziel ist der Erhalt des Denkmals. In Ober-Neundorf seien die Fördermittel auch ordnungsgemäß für den vorgesehenen Zweck eingesetzt worden. Daher bestehe ein Rechtsanspruch auf die Auszahlung bereits bewilligter Mittel, "soweit sie der Bewilligung entsprechend eingesetzt werden".

Eine Prüfung der Zuwendungsempfänger auf Verfassungstreue erfolge bei der Denkmalförderung nicht, sei auch in den allgemeinen Fördergrundsätzen des Freistaates nicht vorgesehen. Selbst wenn: Eine Abfrage bei den Sicherheitsbehörden hätte in den vergangenen Jahren nicht zum Förderausschluss geführt, erklärt Meyer: Die Anastasia-Bewegung wurde erst kürzlich als Verdachtsfall eingestuft - nach den Bewilligungen. Allerdings: "Wir werden den Fall zum Anlass nehmen, innerhalb der Staatsregierung die im Freistaat Sachsen geltenden Fördergrundsätze auf den Prüfstand zu stellen, um künftig ähnlich gelagerte Fälle zu vermeiden."

Wie Förderungen "extremismusfest" machen?

Eine "Extremismus-Prüfung" bei jedem Förderantrag in jeder Förderrichtlinie würde andererseits auch einen riesigen Aufwand bedeuten, wie jetzt der MDR berichtete. Dennoch, es gibt Ministerien, die zumindest versuchen, ihre Förderprogramme "extremismusfest" zu machen. Beim sächsischen Sozialministerium gibt es etwa die Förderrichtlinie "Weltoffenes Sachsen". Dabei müssen geförderte Personen oder Einrichtungen erklären, dass sie nach ihrer Satzung oder auch in ihrem tatsächlichen Verhalten keine Bestrebungen unterhalten oder fördern, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Ein solcher Fall ist bislang nicht bekannt, aber "sollte sich während oder nach der Projektumsetzung herausstellen, dass Fördermittel an extremistische Organisationen oder Personen ausgezahlt wurden", können sie, nach Prüfung, zurückgefordert werden.