Görlitz
Merken

Schulsozialarbeit: Für wen das Geld im Kreis Görlitz reicht und für wen nicht

2,2 Millionen Euro gibt Sachsen für die Sozialarbeit an den Schulen im Kreis Görlitz. Doch die Schulen hatten Projekte für 3,1 Millionen Euro angemeldet. Jetzt gibt es Gewinner und Verlierer.

Von Sebastian Beutler
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Schulsozialarbeiter Heiner Seibt kann sich freuen: Das Görlitzer Förderschulzentrum gehört nun zu den geförderten Schulen.
Schulsozialarbeiter Heiner Seibt kann sich freuen: Das Görlitzer Förderschulzentrum gehört nun zu den geförderten Schulen. ©  Archivfoto: Nikolai Schmidt

Das Förderschulzentrum in Görlitz kann sich freuen. Nachdem die Schule jahrelang bei den Geldern für Schulsozialarbeit vom Freistaat unberücksichtigt blieb und die Aufgabe nur durch andere Finanzierungen gesichert werden konnte, ist sie nun eine der Schulen im Kreis Görlitz, an denen ab 1. Januar die Schulsozialarbeit wieder über die Sachsen-Mittel gefördert wird. Neben dem Förderschulzentrum wird es nach Angaben des Görlitzer Landratsamtes Schulsozialarbeit neu auch an der Diesterweggrundschule in Görlitz, an der Förderschule Ebersbach-Neugersdorf, am Schkola Oberland Gymnasium, an der Freien Evangelischen Grundschule in Görlitz und an der Schkola Oberland Oberschule geben. Sie alle waren bislang nicht in den Genuss einer Förderung gekommen.

Dafür beklagen andere Schulen den Verlust der Förderung und damit der Schulsozialarbeit. Das betrifft die Wilhelm-Busch-Grundschule in Zittau, die Pestalozzi-Grundschule Weißwasser, die Grundschule an der Weinau in Zittau, die Grundschule Fürst Pückler in Bad Muskau, die Schkola Grundschule in Ostritz, das Christian-Weise-Gymnasium in Zittau und die Grundschule Reichenbach.

Am Zittauer Gymnasium ist die Enttäuschung bereits seit einiger Zeit darüber besonders groß. Schulleiter Ingo Elmenthaler wandte sich nicht nur an Landrat Stephan Meyer, sondern rief die Eltern seiner Schule auch auf, sich an einer Petition an den Sächsischen Landtag zu beteiligen. Ziel: Mehr Geld für die Schulsozialarbeit, damit sie an allen Schulen stattfinden kann.

Das ist derzeit mit den Geldern vom Freistaat nicht möglich. 2,2 Millionen Euro erhält der Landkreis Görlitz, um Schulsozialarbeit zu finanzieren. Das reicht für 36 Schulen im Landkreis, in dem es über 100 Schulen gibt. Die Anmeldungen in diesem Jahr übertrafen diese Summe mit 3,1 Millionen Euro um fast die Hälfte. Wie das Landratsamt mitteilt, sind die Gründe für diese Überzeichnung vielfältig. "Steigende Personal- und Sachkosten sind ein Grund", erklärt das Jugendamt des Kreises auf SZ-Nachfrage. Es steige aber auch die Zahl der Schulen, für die Anträge gestellt werden.

Das ist kein Wunder. Denn die Probleme von Heranwachsenden sind nicht geringer geworden. So zählt die Petition des Weise-Gymnasiums in Zittau einige auf: großer Leistungsdruck, tägliches Lernpensum, Ess- und Angststörungen, Prüfungsängste, Depressionen, Medikamentenmissbrauch und Spielsucht, ausufernder Konsum von sozialen Netzwerken im Internet.

Tatsächlich ist das Tätigkeitsfeld der Sozialarbeiter an Schulen vielfältig. Einige der von den Umschichtungen betroffenen Einrichtungen hatten die Projekte vor dem Jugendhilfeaussschuss vorgestellt. So lobte die Wilhelm-Busch-Grundschule in Zittau beispielsweise die Sozialarbeiter für ihre Arbeit mit Schulverweigerern, für die praktische Unterstützung bei neuen Schülern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, auch bei der Streitschlichterausbildung und Drogenprävention. An der Busch-Grundschule lernen Schüler aus 14 Nationen, jedes vierte Kind hat einen Migrationshintergrund. Sechs Jahre lang konnte hier die Schulsozialarbeit finanziert werden.

An der Pestalozzi-Grundschule in Weißwasser ist das Bild ganz ähnlich, hier endet nach fünf Jahren die Förderung durch den Freistaat. Für 65 der 280 Schüler ist auch hier Deutsch keine Muttersprache. An der Fürst-Pückler-Grundschule in Bad Muskau sind es 67 von 202 Schülern. An diesen Schulen ist nun die Sorge groß, dass in den kommenden Monaten die Konflikte bei den Schülern stärker das Leben an den Einrichtungen belasten können. Und sie kritisieren, dass Schulsozialarbeit eine langfristige Aufgabe ist. Wenn sie jetzt an den meisten betroffenen Schulen nach fünf oder sechs Jahren endet und womöglich in vier oder fünf Jahren wieder gefördert wird, dann fangen die Sozialarbeiter wieder bei null an.

Dass das Geld hinten und vorne nicht reicht, liegt auch daran, dass von vornherein die Oberschulen gesetzt sind. Das hat der Freistaat so festgelegt. Insofern streiten sich alle anderen Schulen um den Rest des Geldes. Der erfahrene Görlitzer Jugendpolitiker Michael Hannich sieht aber jenseits der finanziellen Probleme auch beim Jugendhilfeausschuss eine Verantwortung. Der Ausschuss hatte die Kriterien für die Priorisierung der Schulen verändert. Seiner Meinung nach würde jetzt die Größe der Schule eine höhere Bedeutung bekommen. Das aber dementiert das Landratsamt. Die Schulgröße sei zwar ein Faktor bei der Priorisierung, aber ohne besondere Gewichtung.

Auch Landrat Stephan Meyer zeigte sich im Jugendhilfeausschuss unzufrieden mit der Lage, zumal sie auch zu regionalen Ungleichgewichten im Kreis Görlitz führe. Aber eine Lösung hat er nicht, zusätzliches Geld kann er angesichts der schwierigen Lage des Kreises auch nicht zur Verfügung stellen.

Kreisrätin Catrin Cordts von der Linkspartei will nun erreichen, dass sich der Landkreis einer Initiative ihrer Partei anschließt. Deren Ziel: Schulsozialarbeit an allen sächsischen Schulen sichern und etablieren. Anfang des neuen Jahres soll der Jugendhilfeausschuss darüber abstimmen. Für die Streichung der Gelder an den Schulen, die nun aus der Förderung fallen, kommt das aber zu spät.