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Görlitzer Rückkehrerin saniert Zwanziger-Jahre-Villa im Alleingang

Ina Kwiatkowski ist Görlitz-Rückkehrerin. Im Stadtteil Rauschwalde traf sie auf ein verstecktes Bau-Juwel. Das finden jetzt sogar Filmleute interessant.

Von Susanne Sodan
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Ina Maria Kwiatkowski saniert eine 20er-Jahre-Villa in Görlitz.
Ina Maria Kwiatkowski saniert eine 20er-Jahre-Villa in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die großen Schiebetüren mit ihren geschliffenen Glasfenstern ziehen sofort die Blicke auf sich. Die bisherigen Bewohner der Villa auf der Reichenbacher Straße müssen sehr vorsichtig umgegangen sein, das Glas ist noch komplett original. Die Schiebetüren im Wohnzimmer - eher ein Salon - bleiben definitiv. Soweit es möglich ist, erzählt Ina Maria Kwiatkowski, versucht sie den Original-Zustand der ganzen Villa wiederherzustellen. Seit über zwei Jahren saniert sie das Gebäude.

Die Schiebetüren blieben über ein Jahrhundert erhalten.
Die Schiebetüren blieben über ein Jahrhundert erhalten. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Dort, wo die Villa steht, gilt nicht mehr das Görlitzer Sanierungsgebiet. Und doch gibt es auch hier historische Schätze. Doch anders als zahlreiche Häuser in der Innenstadt, stammt die Villa im Stadtteil Rauschwalde nicht aus dem 19. Jahrhundert, sondern wurde Mitte der 20er Jahre mit klassizistischen und Jugendstilelementen erbaut. Ina Kwiatkowski deutet auf die Zimmerdecke mit ihren Kassetten, der zweite Blickfang. Irgendwann war die Decke mit braunem Sprelacart abgedeckt worden, Ina Kwiatkowski legte sie wieder frei - wie so vieles andere.

Sie stammt aus Görlitz. "Das Haus Untermarkt 25 hat meiner Oma gehört", erzählt sie. 1980 reiste ihre Mutter nach Westdeutschland aus, sie selbst und ihr Vater konnten zwei Jahre später im Rahmen einer sogenannten Familienzusammenführung folgen. In Bayern lebte Ina Kwiatkoski eine Weile, später zog sie an die Ostsee. "In Görlitz war ich um die 20 Jahre lang nicht." Vor ungefähr neun Jahren war sie beruflich in der Stadt, kehrte daraufhin jedes Jahr mindestens einmal zurück, um die "alten Stätten" ihrer Kindheit zu besuchen. "Mein Gebiet waren damals Jauernicker Straße und Goethestraße", wo die Familie einst wohnte.

"Ich dachte, jetzt oder nie"

Vor wenigen Jahren starben Mutter und Vater in einer recht kurzen Zeitspanne. „Ich dachte dann, jetzt oder nie.“ 2021 verkaufte sie ihr Haus an der Ostsee und zog nach Görlitz. Ina Kwiatkowski fand einen Job bei der DDV Neiße, zu der unter anderem die Görlitzer SZ gehört. „Ich wollte ganz gerne wieder ein Haus haben“, erzählt sie. Und stieß schließlich auf eine Annonce für die Villa an der Reichenbacher Straße.

Aktuell steht die Fassadensanierung an.
Aktuell steht die Fassadensanierung an. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Erbauen ließ sie einst der Görlitzer Maschinenfabrikant Julius Lindner. Die Villa war immer in Familienbesitz geblieben. "Als wir das Haus von Familie Lindner gekauft haben, gab es eine Hauptbedingung: dass wir das Gebäude nicht zerstückeln." Aber das hatte Ina Kwiatkowski ohnehin nicht vor. "Es ist ein wirklich schönes Gebäude." Doch schon allein ob der Größe ist viel zu tun. Die Entscheidung dafür bereue sie dennoch "keinen Tag". "Vielleicht mache ich ja irgendwann eine Senioren-WG auf." Oder vielleicht will eines Tages ihr Sohn mit seiner Familie nach Görlitz kommen.

Platz genug wäre. Souterrain und Dachgeschoss mitgerechnet hat die Villa vier Etagen. Im Erdgeschoss und teils in den oberen Etagen ist Ina Kwiatkowski schon gut vorangekommen. Für vieles sind freilich Handwerker und Spezialisten gefragt. Für anderes Kreativität. Die Zimmerecken sind keine scharfen, sondern abgerundete Ecken. Und die Sockelleisten mussten erneuert werden. Aber woher maßgefertigte abgerundete Leisten bekommen? Vor allem, die wären bei der Zahl der Zimmer ziemlich teuer geworden. "Mir kam dann die Idee, mit 3-D-Druck zu arbeiten" und der Denkmalschutz machte mit.

Die Villa liegt zwar außerhalb des Sanierungsgebietes, die Denkmalschutz-Vorgaben sind dennoch einzuhalten. Es ist allerdings schwieriger, Förderung zu erhalten. Einen fünfstelligen Betrag erhielt Ina Kwiatkowski für den "denkmalschutzrechtlichen Mehraufwand" bei der Restaurierung von Fenstern und Fassade, die gerade an der Reihe ist. Doch insgesamt wird die Sanierung ein Vielfaches kosten. Was geht, macht sie daher selbst.

Der einstige Salon - die Decke mit ihren Kassetten legte Ina Kwiatkowski wieder frei.
Der einstige Salon - die Decke mit ihren Kassetten legte Ina Kwiatkowski wieder frei. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Ein Filmdrehort mehr für Görlitz

Monatelang verbrachte sie ihre Feierabende damit, Türen abzuschleifen, die Dusche im Bad baute sie selbst auf, die frisch geflieste Küche ist großteils ihr Werk. "Hier steht mein Lieblingsstück" - eine Spüle mit weißem Porzellanbecken. "Das war mein Geschenk an mich selbst, als das Erdgeschoss größtenteils fertig war". Vorteil: Zumindest teilweise war die Villa immer bewohnt. Jedoch hinterließen die vergangenen hundert Jahre freilich ihre Spuren - und die Wohntrends wechselten mehrfach. Bei manchen Böden hatte Ina Kwiatkowski sogar mehrere Linoleum-Schichten zu entfernen, einige Decken und auch Wände waren verschalt worden. Im Souterrain lebte offenkundig lange niemand mehr. Teils ist der Boden durchgebrochen, DDR-Tapete ist noch an der Wand zu erkennen. "Hier hat man dann doch Feuchtigkeit gemerkt. Als erstes hatte ich deshalb Entwässerung und Heizung erneuern lassen."

Viele historische Details, wie diesen Mechanismus an der Badezimmertür, versucht Ina Kwiatkowski zu erhalten.
Viele historische Details, wie diesen Mechanismus an der Badezimmertür, versucht Ina Kwiatkowski zu erhalten. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

In anderen Räumen wiederum waren die Böden über Jahrzehnte gut gepflegt und Decken im Originalzustand belassen worden. Die historischen Türklinken oder auch Fenstergriffe erhielten die Vorbesitzer. 41 Fenster hat die Villa, "wenn ich fertig bin, lade ich zu einer großen Fensterputz-Party ein!" Neben vielen historischen Details durfte Ina Kwiatkowski so einiges von den Vorbesitzern übernehmen. "Sie haben mir zum Beispiel eine Deckenlampe aus den 20er Jahren geschenkt", und Kahla-Keramik.

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Die steht im Wohnzimmer auf einem großen, dunklen Holzregal. Es passt wie maßgefertigt an die Wand. "Es stammt aber von meinen Eltern", erzählt Ina Kwiatkowski. "Ich habe kaum neue Möbel gekauft." Dass viele Möbel zu dem 20er-Jahre-Ambiente passen, ist Zufall. "Ich hatte den Hausstand meiner Eltern aufzulösen und meinen eigenen. Da war die Villa fast schon voll." Fast wären sie und ihre Einrichtung sogar schon Filmdrehort geworden. Auch wenn teilweise noch Baustelle herrscht, hatte Ina Kwiatkowski die Villa in der Görlitzer Filmdrehort-Datenbank angeboten. Voriges Jahr wurde in Görlitz für "Die Schule der magischen Tiere 3" gedreht, und das Filmteam zog die Villa als Wohnung des Schulleiters in Betracht. Es klappte zwar letztlich nicht, aber einen historischen Drehort mehr hat Görlitz jetzt.