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Wagenknecht-Partei landet Coup im Kreis Görlitz

Mit 21 Kandidaten will die Partei zur Kreistagswahl antreten, darunter ist auch ein amtierender Bürgermeister. Doch zunächst braucht das Bündnis viele Unterschriften in den Rathäusern.

Von Sebastian Beutler
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Jens Hentschel-Thöricht ist der Aufbauchef der Wagenknecht-Partei im Landkreis Görlitz. Bei der Suche nach Kandidaten für die Kommunalwahl war er schon mal erfolgreich.
Jens Hentschel-Thöricht ist der Aufbauchef der Wagenknecht-Partei im Landkreis Görlitz. Bei der Suche nach Kandidaten für die Kommunalwahl war er schon mal erfolgreich. © Martin Schneider

Bei der Suche nach geeigneten und genügend Kandidaten für die Kommunalwahl hat die neue Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) im Kreis Görlitz einen Etappenerfolg gefeiert. Am Sonnabend nominierte sie 21 Bewerber für den Kreistag. In Großschweidnitz, Markersdorf, Bertsdorf-Hörnitz, Zittau, Seifhennersdorf und Lawalde schickt die Partei ebenso eigene Kandidaten ins Rennen.

Kandidaten und Interessierte des Bündnisses Sahra Wagenknecht im Dorfgemeinschaftshaus Friedersdorf bei Görlitz.
Kandidaten und Interessierte des Bündnisses Sahra Wagenknecht im Dorfgemeinschaftshaus Friedersdorf bei Görlitz. © Martin Schneider

BSW-Aufbauchef Jens Hentschel-Thöricht machte gar kein Hehl daraus, dass er dabei aus seiner Sicht auch einen Coup gelandet hatte. Im Oberland tritt Kottmars Bürgermeister Michael Görke zur Kreistagswahl für das Bündnis an. 14 Jahre gehörte er dem Kreistag an, als parteiloses Mitglied der CDU-Fraktion, ehe er sich aus Verärgerung über die Landespolitik zurückzog. Nun gilt er als Kronzeuge, dass die BSW eben nicht eine Linke 2.0 sein will.

Zu den Köpfen des BSW bei der Kreistagswahl zählen aber auch Persönlichkeiten, die derzeit noch anderen Parteien angehören. Das trifft auf den Herrnhuter Andreas Herrmann zu, der Mitglied der SPD ist. Und für die Stadtratswahl in Zittau kandidiert der frühere Justitiar der Stadt, Horst Schiermeyer, seit 44 Jahren bei den Grünen. Er hadert derzeit mit der Auslands- und Friedenspolitik seiner Partei. Beide stehen jetzt vor einem Abschied bei ihren "alten" Parteien. Politische Erfahrung als Parteiloser bringt auch der Ostritzer Stadtrat Thomas Göttsberger mit, der ebenso auf der Liste für den Kreistag steht.

Natürlich gibt es unter den Kreistagskandidaten viele Bewerber, die in der Linkspartei politisch groß geworden sind. Der Zittauer Stadtrat Winfried Bruns gehört dazu, aber auch die frühere Löbauer Landtagsabgeordnete Heiderose Gläß sowie der ehemalige Kreisrat Hans-Wilhelm Kröger, die beide in Görlitz kandidieren, und Bernd Jähne, der neben Hentschel-Thöricht zweite aktuelle Kreisrat der Linkspartei, der nun zur BSW gewechselt ist. In Gemeinderäten vertraten der Seifhennersdorfer Gastronom Rüdiger Horn und in Lawalde Petra Wagner die Linkspartei, jetzt kandidieren sie auch für den Kreistag. Sie alle betonten, wie wichtig ihnen die alten wie neuen sozialen Fragen sind.

Reinhold Gläß (links) und Jens Hentschel-Thöricht leiteten die Kandidatenaufstellung am Sonnabendnachmittag.
Reinhold Gläß (links) und Jens Hentschel-Thöricht leiteten die Kandidatenaufstellung am Sonnabendnachmittag. © Martin Schneider

Doch unter den 21 Bewerbern für das BSW zur Kreistagswahl sowie bei einigen für die Gemeinderatswahlen spielten bei ihrer Vorstellung am Sonnabend im Dorfgemeinschaftszentrum Friedersdorf bei Görlitz mindestens genauso oft Fragen der Wirtschaft eine Rolle. Beispielsweise bei Sieglinde Hemming, die in Weißwasser kandidiert und mit ihrem Mann bis zum Verkauf 2020 eine Tischlerei mit rund 30 Mitarbeitern betrieb. Oder Jessica Quade, die in einem Berliner Ministerium arbeitet, in Weißwasser lebt und zu einem erfolgreichen Strukturwandel beitragen möchte. Für den Mittelstand und Bürokratieabbau stehen der Unternehmensberater Hans-Ullrich Hinner und der Zoblitzer Reiterhof-Besitzer Marco Maas, die für den Kreistag kandidieren, und der Chef des Unternehmerverbandes Markersdorf, Rolf Domke sowie die Unternehmensberaterin Beatrix Rudolph, die beide für den Markersdorfer Gemeinderat antreten.

Fragen der politischen Kultur waren für den Marketingmanager des Görlitzer Kulturservices, Mario Kuban, und den selbstständigen Regisseur Andreas Hüttner ausschlaggebend für ihre Kandidatur. Und die Frage von Krieg und Frieden ist es auch, die nicht nur die Olbersdorferin Karin Ponesky zur Kandidatur bewegte. Die Lehrerin, Wirtschaftswissenschaftlerin und Fernsehjournalistin ist vor allem wegen der „Alles singt“-Sendungen aus dem DDR-Fernsehen bekannt, die sie zusammen mit ihrem Mann gestaltete.

Fast alle Kandidaten sind noch keine Mitglieder der neuen Partei, sie zählt im Kreis Görlitz erst vier. Die Berliner Geschäftsstelle komme nicht hinterher, die Anträge zu bearbeiten. Bis zu 20.000 liegen noch in Berlin, wusste Hentschel-Thöricht zu berichten. Aber 78 Sympathisanten haben sich mittlerweile bei ihm gemeldet. Ihre wichtigste Aufgabe jetzt: Ausreichend Menschen zu bewegen, bis 4. April in Rathäuser zu gehen und mit ihrer Unterschrift die Kandidatur des BSW zu unterstützen. In jedem Wahlkreis zur Kreistagswahl sind 23 solcher Unterschriften nötig, obendrauf braucht es noch Unterschriften in den sechs Kommunen. Erst dann wird das Bündnis auch auf dem Stimmzettel am 9. Juni stehen.