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Warum die Görlitzer Welterbe-Bewerbung scheitern musste

Mit dem Thema Welterbe beschäftigen sich in Görlitz viele Fachleute und auch einige Oberbürgermeister. Was an der Absage jetzt verwundert und was zu erwarten war.

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Blick auf historische Hallenhäuser am Untermarkt in Görlitz.  Die Stadt wollte mit den zahlreichen historischen Bauten auf die Welterbeliste der Unesco kommen.
Blick auf historische Hallenhäuser am Untermarkt in Görlitz. Die Stadt wollte mit den zahlreichen historischen Bauten auf die Welterbeliste der Unesco kommen. © Jens Trenkler

Von Andreas Bednarek

Am 5. Dezember berichtet die Sächsische Zeitung, dass Görlitz nicht auf der Tentativliste für das Unesco-Welterbe aufgenommen wurde. Damit ist wieder einmal das Bemühen der Stadt, ihr besonderes kulturelles Erbe durch die Marke Welterbe hervorzuheben, gescheitert. Das Bedauern in der Stadt ist überall zu vernehmen.

Aber warum scheiterte die Bewerbung? Zunächst ist eines richtigzustellen. Das Foto der im Beitrag abgebildeten Mitglieder der Arbeitsgruppe Welterbe-Bewerbung ist schon einige Jahre alt. Wenigstens zwei der hier dargestellten Personen, Frank Ernest Nitzsche und Andreas Bednarek, sind seit vielen Jahren nicht mehr Mitglied der Arbeitsgruppe und waren somit am Ausgang der Bewerbung auch nicht mehr beteiligt. Es wird aber der Eindruck erweckt, dass sie unmittelbar an dem Scheitern der Bewerbung beteiligt gewesen sind. Über die Gründe für das Scheitern der Bewerbung können aber nur jene Mitglieder Auskunft geben, die in den letzten Jahren an der finalen Fassung der Bewerbung gearbeitet haben.

Görlitz hat sich nun zum wiederholten Mal um diesen Titel beworben. Im ersten Jahrzehnt nach der politischen Wende wurden der Stadt gute Erfolgschancen bescheinigt. In jenen Jahren hatte die Stadt mit Prof. Gottfried Kiesow (1931-2011), hessischer Landeskonservator und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, einen prominenten Fürsprecher und Berater. So war der Antrag aus dem Jahre 1999 sehr ausgewogen und hatte die Altstadt als Gesamtkunstwerk in den Blick genommen. Dieser Antrag scheiterte bereits in der sächsischen Auswahlrunde an der Bewerbung der Landeshauptstadt Dresden. Aus heutiger Sicht muss festgestellt werden, dass in jenen Jahren eine solche Bewerbung mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich gewesen wäre. So fanden die Altstädte von Lübeck (1987), Bamberg (1993), Quedlinburg (1994), Wismar und Stralsund (2002) und Regensburg (2006) Aufnahme. Ohne einen Vergleich anzustellen, aber Görlitz kann sich durchaus mit diesen Städten messen.

Gut zehn Jahre später entschloss sich die Stadt zu einem weiteren Anlauf. So begründete am 21. Juli 2011 der damalige Oberbürgermeister Joachim Paulick eine Facharbeitsgruppe Weltkulturerbe und berief in einem ordentlichen Verfahren Fachleute, städtische Angestellte und Bürger in diese Arbeitsgruppe. Man trug der Entwicklung der letzten Jahre Rechnung und fokussierte die Bemühungen auf die Besonderheit der spätmittelalterlichen Hallenhäuser, die sich in Görlitz in großer Zahl erhalten haben und in besonderer Weise die frühbürgerliche Wohn- und Handelskultur repräsentierten. Zugleich hatten sich mit Dresden-Hellerau, Meißen, Torgau und Leipzig namhafte Konkurrenten um einen Platz auf der sächsischen Tentativliste beworben. Ein erster Antrag lag im Frühjahr 2012 vor und wurde in der sächsischen Staatsregierung eingereicht und verteidigt – mit Erfolg. So titelte die Sächsische Zeitung unter dem 27. Juni 2012 „Görlitz baut jetzt auf Hallenhäuser“ und verkündete, dass Görlitz von der Staatsregierung nach Dresden-Hellerau und der Leipziger Notenspur auf Platz 3 auf die sächsische Vorschlagsliste gesetzt wurde.

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Unter dem Oberbürgermeister Siegfried Deinege, der 2012 sein Amt antrat, wurden die Bemühungen als Chefsache weiter vorangetrieben. Kulturbürgermeister Michael Wieler übernahm die Leitung der Arbeitsgruppe. Diese Arbeitsgruppe beriet über die speziellen Fachfragen, über die Einbeziehung der Bevölkerung in den Bewerbungsprozess und konzipierte Ausstellungen. Mitglieder der Arbeitsgruppe nahmen an verschiedenen Tagungen zum Unesco-Welterbe teil, so unter anderem im November 2012 in München. Zwischen August und November 2012 wurde mit einer intensiven Forschungskampagne eine Vergleichsanalyse erstellt. Neben den Analysen und architekturhistorischen Betrachtungen war Frank Ernest Nitzsche mit dem Fotografen Ullrich Schwarz entlang der Via Regia unterwegs, um die Hallenhäuser im Einzelnen zu studieren und wichtige Erkenntnisse zu der beispielhaften Entwicklung dieses in Görlitz entstandenen Haustyps zu ermitteln. Am 6. Dezember 2013 wurde die Studie fristgerecht in Berlin vorgelegt.

Am 6. Januar 2014 besuchte eine international besetzte Fachkommission der Unesco Görlitz und informierte sich über den Görlitzer Antragsgegenstand. Nach Besichtigungen und einem Fachvortrag wurde das Thema Hallenhäuser ausführlich erörtert. Grundsätzlich zeigte sich die Kommission vom Görlitzer Antrag überzeugt. Die Begeisterung für Görlitz war so groß, dass sie ihre ursprünglich geplante Abreise um zwei Stunden verschob und noch einen Rundgang durch die Stadt unternahmen. Mit diesem Termin war klar, dass noch viel Detailarbeit zu leisten war. Am 14. März 2015 informiert die Sächsische Zeitung „Es ist still um die Unesco-Bewerbung geworden“. Für die nächste Etappe ließ nun die Stadt Görlitz ein Konzept erarbeiten, wechselte stillschweigend und ohne Abberufung die externen Mitarbeiter gegen städtische Fachangestellte aus und führte die Arbeiten an der Bewerbung in anderer Besetzung fort. Welche Schwerpunkte dann gesetzt wurden, ist dem Autor allerdings nicht bekannt.


Der Kunstwissenschaftler und Architekturhistoriker Dr. Andreas Bednarek war Mitglied der Görlitzer Arbeitsgruppe Welterbe-Bewerbung.
Der Kunstwissenschaftler und Architekturhistoriker Dr. Andreas Bednarek war Mitglied der Görlitzer Arbeitsgruppe Welterbe-Bewerbung. © freier Fotograf

Die im Abschlussbericht des Fachbeirates aufgeführten Beanstandungen, wie der Titel und die mangelnde Fokussierung auf das Hallenhaus sind nun gründlich zu analysieren. Der Vorwurf, dass das Hallenhaus nicht in seiner technischen Entwicklung dargestellt wurde, verwundert sehr. Der Arbeitsansatz in den Jahren 2012-14 konzentrierte sich eben darauf. Frank-Ernest Nitzsche hatte dazu intensive Bauforschung betrieben und unter anderem technisch und bauhistorisch korrekte isometrische Pläne erstellt. So ist auch die Kritik des fehlenden Vergleiches nicht nachvollziehbar. Insbesondere zur Ausstrahlung nach Osten und Süden war in jenen Jahren Forschungsarbeit geleistet worden! Zu fragen ist, warum nicht die schon 2011 bekannte Tatsache, dass Altstädte wohl keine Chance mehr haben, als Gesamtkunstwerk aufgenommen zu werden, nicht beachtet wurde. Das Hallenhaus als Antragsgegenstand unter Berücksichtigung des grenzübergreifenden Aspektes hätte wohl alte und neue Möglichkeiten eröffnet. Diese sind nun vergeben.

Der Autor: Dr. Andreas Bednarek ist Kunstwissenschaftler, Buchautor und Bauingenieur. Er gründete 2001 in Görlitz ein Planungsbüro für Architektur und Denkmalpflege. Bis 2015 war er Mitglied der Arbeitsgruppe Welterbe-Bewerbung. Seit 2023 ist Andreas Bednarek im Ruhestand.