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Die DDR im Alltag: Heimatstube bringt Ata und Co. groß raus

In der Heimatstube Nieder Seifersdorf werden Dinge aus Vorwendezeiten gezeigt. Dabei geht es auch um den Zusammenhalt in den Dörfern.

Von Constanze Junghanß
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Der DDR-Erinnerungsschrank wurde gleich nach der Wende 1989 bestückt.
Der DDR-Erinnerungsschrank wurde gleich nach der Wende 1989 bestückt. © Constanze Junghanß

Mit dem AKA electric RG 28 hat Inge Yorke früher den Kuchenteig zusammen gerührt. Der Mixer aus DDR-Produktion fehlte wohl in kaum einem Haushalt vor der Wende. Inge Yorke hat gute Erinnerungen an das Gerät. „Das ging nie kaputt, so wie das heute bei vielen elektrischen Geräten ist“, sagt sie. Bei Ebay wird der RG 28 im Originalkarton für knapp 100 Euro angeboten. Der Mixer ist nicht das einzige Gerät, was da eine Renaissance aus der Zeit vor 1989 erlebt. Produkte aus der ehemaligen DDR sind bei Trödelmärkten beliebte Sammlerobjekte. In Dresden und Döberitz kam das Inventar zweier kompletter DDR-Museen unter den Hammer und das Interesse war enorm. Allein die Versteigerung in Dresden im Juli brachte mehr als 174.000 Euro.

Auf so manchem Dachboden oder hinter verschlossenen Schranktüren werden die Luftdusche LD 7, der RFT R4100 oder die SMW 4 aufbewahrt. LD 7 ist ein Föhn, der RFT ein Radiorecorder und die SMW ein elektrisches Kaffeebohnenmahlwerk - in der Regel nach mehr als 30 Jahren immer noch funktionstüchtig. Nicht jeder hat mit der Wiedervereinigung Deutschlands den kompletten Haushalt auf dem Sperrmüll entsorgt. „Es gab damals nur wenige Dinge bei uns im Osten, die Grenze, die Mauer, hat uns auf das Wenige eingeengt“, sagt Roselies Nitzsche. Sie ist die Vorsitzende des Nieder Seifersdorfer Heimatvereins. Der betreibt gegenüber der Kirche die Heimatstube.

Heimatstube gegenüber der Kirche

Für Außenstehende nicht so leicht zu finden. „Vor etwa 1,5 Jahren wurde das Schild über der Tür geklaut“, erzählt Veronika Spielmann, die wie Inge Yorke zum Heimatverein gehört. Die Einheimischen wissen jedoch, dass die Räume, zu denen die Heimatstube gehört, bis 1989 die Dorfschule war. Der damalige Schulleiter gehörte zu den ersten, die Erinnerungen aus der Ex-DDR aufbewahrten und somit vor einem möglichen Vergessen bewahrten. In einem Schrank hinter Glastüren steht ATA Scheuermittel neben Spee-Waschpulver-Konzentrat, eine Tube EG-GÜ Schuhpflege, ein Satz Alu-Besteck. Darunter eine Flasche original „Carmecita“ – der einzige Diabetiker-Rotwein, den es damals gab.

Roselies Nitzsche, Inge Yorke und Veronika Spielmann (von links) sind beim Heimatverein für die Heimatstube aktiv. Sie stellen jetzt DDR-Gegenstände aus.
Roselies Nitzsche, Inge Yorke und Veronika Spielmann (von links) sind beim Heimatverein für die Heimatstube aktiv. Sie stellen jetzt DDR-Gegenstände aus. © Constanze Junghanß

Inge Yorke öffnet den Schrank mit einem Schlüssel. Erstaunlicherweise riecht es nicht nach den Seifen und Reinigungsmitteln, sondern nach Piment und Zimt. Tüten davon sind ungeöffnet hinter den Glastüren eingelagert. Über dem Sammelsurium von Haushaltswaren und Lebensmittelverpackungen hängt ein Schild. „Erinnerungen an 40 Jahre DDR. Produkte, mit denen wir täglich lebten“ steht da drauf. Der DDR-Schrank steht ein wenig stiefmütterlich behandelt in der Ecke hinten am Flur.

Zum ersten Mal spielt die DDR hier die Hauptrolle

Jetzt jedoch soll die DDR verstärkt in der Heimatstube Einzug halten. Nicht aus ideellen Gründen, wie die drei Frauen betonen. Und schon gar nicht als nachträgliche Verherrlichung gedacht, betont Veronika Spielmann. Sie hat die meisten Exponate für eine DDR-Ausstellung bereitgestellt. Es ist die erste dieser Art in Waldhufen. Die Kohlezange für die Eierkohle, die Veronika Spielmann mit dem Emaille-Eimer früher vom Keller in den Stubenofen schleppte, die Sandmann-Figuren aus dem Abendgruß, die aufblasbare Friseurhaube für den Hausgebrauch, damit die Kaltwelle nach dem Haare waschen wieder gut sitzt - sind auf den Fensterbrettern und Tischen angeordnet. Und der Fleischwolf. 17 Mark EVP steht auf dem Fleischwolf-Karton. EVP, die Abkürzung für Einzelverkaufspreis, der Fleischwolf für das Schabefleisch. „So war das damals. Viele Leute vergleichen noch die Preise. Was hat das zu DDR-Zeiten gekostet, wie teuer ist das heute“, hat Veronika Spielmann ihre Erfahrung in Gesprächen gesammelt.

Haushaltsgegenstände aus DDR-Produktion haben einen Wiedererkennungswert, gerade weil es keine große Auswahl gab und die meisten Haushalte ziemlich identisch ausgestattet waren. „Das ist eine Erinnerung an unser Leben“, sagt Roselies Nitzsche. Und auch eine Erinnerung an einen „viel stärkeren Zusammenhalt, weniger Unzufriedenheit, viel mehr gegenseitiger Hilfe“, sagt sie auch. Warum das in der Erinnerung der Rentnerinnen so gewesen ist, können sie nicht genau sagen, zucken mit den Schultern. Auf dem Dorf jedenfalls sei das Leben zu DDR-Zeiten leichter gewesen, schätzen sie ein. „Und wenn jemand ein Schwein geschlachtet hat, wurde an alle Nachbarn Wurstbrühe verteilt“, erinnert sich Veronika Spielmann. Andererseits, so berichtet Inge Yorke, mussten die Bauern mit Eiern, Fleisch und Getreide das sogenannte „Soll“ erfüllen. Was passierte, wenn das nicht klappte? „Ganz früher, als ich noch ein Kind war, wurden die Bauern dafür ins Gefängnis gesteckt“, sagt sie.

Info: Die Ausstellung „DDR -Produkte, Utensilien, Erinnerungen“ kann
jeden ersten Dienstag im Monat, 15 bis 17 Uhr, oder nach Vereinbarung besichtigt werden. Der Fundus befindet sich in der Heimatstube, Arnsdorfer Straße 108, Nieder Seifersdorf.