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Wie viel Denkmalschutz kann sich Görlitz noch leisten?

Nach dem Fassadenstreit am künftigen Landratsamt zielt die Diskussion nun auf den Kern des Problems. In der Görlitzer Gründerzeitstadt sind viele Gebäude einsturzgefährdet.

Von Sebastian Beutler
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Soll das die Zukunft in der Görlitzer Gründerzeitstadt sein: Abriss des einsturzgefährdeten Hauses Landeskronstraße 34 im Jahr 2017.
Soll das die Zukunft in der Görlitzer Gründerzeitstadt sein: Abriss des einsturzgefährdeten Hauses Landeskronstraße 34 im Jahr 2017. ©  Archivfoto: Nikolai Schmidt

Als Reaktion auf den Fassaden-Streit an der Salomonstraße in Görlitz hat Oberbürgermeister Octavian Ursu einen "Paradigmenwechsel in der Stadtverwaltung" gefordert. Es steht außer Frage, dass "wir die historische Substanz und Schönheit unserer Stadt bewahren wollen", erklärte er bei seinem Neujahrsempfang in der vergangenen Woche. Doch müsse man sich darüber austauschen, "wie wir künftig notwendige Sanierungen organisieren können".

Auf Nachfrage verwies Ursu auf die Beispiele an der Bautzener Straße und Landeskronstraße, wo in den vergangenen Jahren Häuser nicht rechtzeitig saniert wurden und stattdessen einfielen und schließlich abgerissen wurden. Jetzt klaffen in den Straßenzügen hässliche Lücken. In der Stadt Görlitz konzentrieren sich die einsturzgefährdeten Häuser in der Gründerzeitstadt. Ob es möglich ist, den historischen Baubestand in diesen Quartieren ähnlich wie in der Altstadt und Nikolaivorstadt zu erhalten, ist fraglich. Die Eckhäuser weisen meist schwierig zu vermarktende Flächenzuschnitte auf und haben meist enge, kleine Höfe. Investitionen in Gebäude gingen zuletzt konjunkturell bedingt zurück.

Hinter der Diskussion steht die Frage: Wie viel Denkmalschutz will oder kann sich Görlitz noch leisten? Und vor allem die Bauherren. Zwar flackerte die Debatte immer wieder in den vergangenen 30 Jahren auf, vor allem von Hausbesitzern, die hohe Auflagen der Denkmalpflege bei der Sanierung ihrer Gebäude erfüllen mussten. Am Ende aber überwog meist die Freude über die schöne Architektur und das positive Echo auf die Wiederaufbauleistung nach 1990.

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In der Gründerzeitstadt belasten aber die schwierigen Eigentumsverhältnisse mit weit verzweigten Erbengemeinschaften, die hohen Investitionen und die geringen Mieten in Görlitzer Bauprojekte. Deswegen stockt die Sanierung der rund 120 Jahre alten Gebäude. Ob sich das mit weniger Denkmal-Anforderungen ändert, ist aber genauso offen.

Bislang jedenfalls fragte die Denkmalpflege nicht danach, ob sich die Sanierung rechnet. In jüngster Zeit mehren sich nun die Fälle, wo von einer strikten Denkmalpflege abgewichen wird, weil ansonsten die Kosten zu hoch ausfallen wie an der Salomonstraße oder um die Pläne von Investoren zu berücksichtigen, wie beim beabsichtigten Abriss der beiden klassizistischen Villen am Postplatz für die Erweiterung des Kaufhauses und City-Centers. Ursu nannte als weitere Herausforderungen für den Denkmalschutz die Nutzung von Fotovoltaikanlagen, die Sanierung des Kaufhauses und der Stadthalle.

Görlitz hat über 4.000 Häuser, die auf der Denkmalliste stehen. Ein Großteil befindet sich in der Gründerzeitstadt, die an Altstadt und Nikolaivorstadt grenzt. Das erhaltene Ensemble von Gebäuden aus 400 Jahren gilt als ein besonderer Schatz von Görlitz. Allerdings waren bislang alle Versuche vergeblich, diesen Gesamtbestand auf die Unesco-Welterbeliste zu bringen. Der letzte Anlauf von Görlitz, auf die deutsche Vorschlagsliste zu kommen, scheiterte krachend im Dezember vergangenen Jahres.