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Landratsamt zerstört Görlitzer Denkmale

Bei der Sanierung für das neue Landratsamt wurde der Stuck an den Fassaden der Häuser Salomonstraße 13 und 14 komplett abgeschlagen. Hat der Denkmalschutz das genehmigt?

Von Ingo Kramer
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Zweimal das gleiche Gebäude: Die Salomonstraße 14 vor der Sanierung im Jahr 2020 (l.) und jetzt. Der Landkreis hat sämtlichen Stuck abschlagen lassen.
Zweimal das gleiche Gebäude: Die Salomonstraße 14 vor der Sanierung im Jahr 2020 (l.) und jetzt. Der Landkreis hat sämtlichen Stuck abschlagen lassen. © Fotos: Wikipedia/Freddo213, Paul Glaser/glaserfotografie.de

Wer in diesen Tagen durch die Görlitzer Salomonstraße geht und noch deren früheren Anblick im Hinterkopf hat, kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus: Bei der Sanierung für das neue Landratsamt sind die Gerüste an den Häusern Salomonstraße 13 und 14 zum Großteil gefallen. Doch die einst reich verzierten Fassaden sind weg. Der Stuck wurde abgeschlagen, und zwar vollständig.

Dass sie zuvor in keinem allzu schlechten Zustand waren, beweisen die Fotos aus dem Jahr 2020, mit denen dieser Text illustriert ist. Beide Fassaden waren offenbar in den 1990er Jahren saniert worden. An der Nummer 14 war seither wieder Putz abgefallen, der Stuck aber war fast komplett erhalten. Die Nummer 13 dagegen war in gutem Zustand – ohne sichtbare Schäden.

Die Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung im Jahr 2020 ...
Die Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung im Jahr 2020 ... © Foto: Wikipedia/Freddo213

Warum also wurde der Stuck abgeschlagen? „Die ursprünglichen Fassaden der Gebäude Salomonstraße 13 und 14 wurden vonseiten der Denkmalpflege als nicht schützenswert eingestuft“, teilt Kevin Schlei vom Landratsamt lapidar mit. Und: „Beide Gebäude unterliegen nach der Sanierung nicht mehr dem Denkmalschutz.“ Deshalb habe sich der Landkreis „aus wirtschaftlichen Gründen für eine schmucklose, funktionale Fassade entschieden“.

... und in diesen Tagen ohne ursprüngliche Stuckfassade.
... und in diesen Tagen ohne ursprüngliche Stuckfassade. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Was diese „wirtschaftlichen Gründe“ genau sein sollen, kann Schlei auf Nachfrage allerdings überhaupt nicht beziffern. Die Fassaden der Gebäude Salomonstraße 13 und 14 hätten inklusive der Hofseite rund 250.000 Euro gekostet, teilt er mit: „Ein Vergleich mit einer denkmalgerechten Sanierung liegt nicht vor.“ Sprich: Das Landratsamt hat noch nicht einmal ermitteln lassen, ob eine Sanierung wirklich so viel mehr gekostet hätte. Stattdessen hat es den bequemen Weg gewählt und den Stuck einfach abgeschlagen, fertig.

Eine ähnlich schlichte Fassadengestaltung zeigt sich jetzt auch bei der Berliner Straße 39 und 40, die ebenfalls zum neuen Landratsamt gehört. Allerdings wurde dort der Stuck schon vor Jahrzehnten abgeschlagen. Die einzig gute Nachricht: „Die Fassaden der Gebäude Berliner Straße 41 und 42 sowie der Salomonstraße 10 bis 12 werden sehr aufwendig und denkmalgerecht rekonstruiert“, so Schlei.

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Mehr will er dazu allerdings nicht sagen – und verweist stattdessen auf die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Görlitz, die das Ganze genehmigt habe. Die wiederum ist dem Amt für Stadtentwicklung unterstellt. Amtsleiter Hartmut Wilke erklärt den Fall so: „Mit Beginn der Voruntersuchungen zur Baumaßnahme des Landratsamtes stellte sich heraus, dass der bauliche Zustand der Gebäude Salomonstraße 13 und 14 in solch weitem Umfang desolat war, dass ihre Sanierung unter Beibehaltung der Denkmaleigenschaft nicht möglich war.“ In allen Holzteilen habe es massive Schäden in Form von echtem Hausschwamm gegeben – und im Mauerwerk in Form von Auflösungen der Ziegel und Bindemittelausspülungen des Mörtels durch Wasser- und Salzeinträge.

Das hätte den Abbruch großer Teile der Häuser notwendig gemacht, erklärt Wilke: „Die Substanzverluste liegen dabei so hoch, dass die Denkmaleigenschaft der Gebäude nicht mehr gegeben ist.“ Die Fassaden selbst hätten durch etwa dreißig Jahre zurückliegende Sanierungen ebenfalls irreparable Schäden sowie ebenso hohe Verluste an denkmalrelevanter Substanz aufgewiesen, behauptet Wilke: „Damit konnten auch sie keine Kulturdenkmale mehr sein.“ Eine rechtsbindende Grundlage der Erhaltung der Fassaden habe es daher nicht gegeben, sodass sich der Landkreis zu einer neuen Gestaltung entschlossen habe.

In der Stadtratssitzung am Donnerstagnachmittag brachte der Görlitzer Architekt und Stadtführer Frank Vater das Thema während der Bürgerfragestunde vor. „Wenn die Sanierung in den 1990er Jahren nicht in Ordnung war, dann bringen Sie es jetzt in Ordnung“, forderte er die Verwaltung auf. Die Fehler der 1990er Jahre sollten korrigiert werden. Zudem erinnerte Vater daran, dass viele private Eigentümer ihre Fassaden denkmalgerecht herrichten mussten, obwohl diese in einem viel schlechteren Zustand waren als die Fassaden der Salomonstraße 13 und 14. „Welchem Bauherren wollen Sie jemals wieder entgegentreten, dass er seine Fassade sanieren soll?“, fragte Vater.

Wilke blieb bei seiner Darstellung, dass die Substanz der Häuser so weit geschädigt gewesen sei, dass sie nicht zu halten war: „Es gab eine substanzielle Schädigung im Inneren der Gebäude und die Schäden griffen von innen auf die Außenfassade über.“ Zudem mühte sich Wilke, der Aussage entgegenzutreten, dass die Stadt den Landkreis anders behandle als private Bauherren, die sich an alle Auflagen halten müssen: „Jedes Gebäude ist ein Einzeldenkmal und muss deshalb einzeln betrachtet werden.“ Vater konnte er mit seinen Äußerungen nicht überzeugen: „Die Fassade war bis zur Sanierung da und sie muss wiederhergestellt werden“, forderte der Architekt.