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Großenhain: Gynäkologin dringend gesucht

Auch wenn es laut Statistik mehr Mediziner in Sachsen gibt, mangelt es an Haus- und Fachärzten. In Großenhain ist die Not seit Wochenbeginn nun ganz groß.

Von Catharina Karlshaus
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Sie ist eine von bisher vieren in Großenhain: Dr. Franziska Rothert, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Vor fünf Jahren eröffnete sie ihre Praxis. Die Nachfrage nach Terminen ist groß wie nie.
Sie ist eine von bisher vieren in Großenhain: Dr. Franziska Rothert, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Vor fünf Jahren eröffnete sie ihre Praxis. Die Nachfrage nach Terminen ist groß wie nie. © Kristin Richter

Großenhain. Sie wollte eigentlich nur tun, was sie regelmäßig schon immer gemacht hat. Schließlich gehöre eine Stippvisite zweimal im Jahr bei der Gynäkologin ebenso dazu wie der Besuch beim Zahnarzt oder dem selbst erwählten Spezialisten für die Haut. Allerdings: Was sonst immer geklappt habe, sei inzwischen ein kleines Problem. "Als treue Patientin von Frau Dr. Hänsel in Großenhain musste ich mit großem Bedauern feststellen, dass die Ärztin meines Vertrauens leider erkrankt ist und wohl für eine längere Zeit ausfallen werde", berichtet die 35-Jährige.

Auf Anraten der Schwestern habe sie deshalb versucht, bei einer anderen von immerhin vier in der Röderstadt praktizierenden Gynäkologinnen terminlich unterzukommen. Fehlanzeige! "Alle waren sehr freundlich, haben mir aber leider erklärt, dass sie bereits so viele Patientinnen betreuen, dass es jetzt nicht möglich wäre, weitere aufzunehmen."

Ein Dilemma, dessen Diagnose wie auch in anderen medizinischen Fachbereichen eindeutig ist. Laut Auskunft der sächsischen Landesärztekammer arbeiteten immer mehr Ärztinnen und Ärzte in einem Angestelltenverhältnis, statt sich im jeweiligen Fachbereich ein eigenes Domizil aufzubauen.

Vor fünf Jahren Praxis übernommen

Franziska Rothert hat es dennoch getan. Am 1. April 2017 übernahm die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe die Praxis von Dr. Heidrun Rietz auf der Großenhainer Mozartallee. Hatte die Spezialistin für Harnwegsbeschwerden, Inkontinenz und Brustkrebserkrankungen im Vorfeld Sorgen, die Patienten würden sich möglicherweise gegen die noch unbekannte Nachfolgerin entscheiden, wurde sie schnell eines Besseren belehrt. Frauen aus dem gesamten Landkreis Meißen und auch darüber hinaus zählten inzwischen zu ihren Patientinnen, zu denen sich ähnlich wie bei den anderen beiden verbliebenen Fachärztinnen eigentlich keine mehr dazu gesellen dürften. "Wir sind tatsächlich voll ausgelastet. Aber aufgrund der erhöhten Nachfrage durch die Erkrankung von Frau Dr. Hänsel haben wir es momentan so geregelt, dass Schwangere, Tumorpatientinnen oder Notfälle selbstverständlich von uns versorgt werden", sagt Franziska Rothert.

Zehn bis 15 Anrufe gingen gegenwärtig pro Tag ein, ausschließlich Telefonate, in denen Betroffene um Aufnahme in die reguläre Betreuung bitten würden. Eine Hoffnung, der sie leider nicht nachkommen könne. Die 49-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass sie dieser Umstand selbst bekümmere. Gern würde sie mehr arbeiten beziehungsweise das Angebot erweitern und auch eine Kollegin einstellen. "Aber dazu fehlt leider das medizinische Schwesternpersonal! Ich bemühe mich seit Monaten darum und finde leider niemanden", beklagt Franziska Rothert.


Hemmnisse, die ebenso wie die Akutsituation in Großenhain, auch der Kassenärztlichen Vereinigung Dresden (KV) nicht unbekannt sein dürften. Auf Anfrage von Sächsische.de bestätigt Unternehmenssprecherin Julia Leditzky, dass Jutta Hänsel längerfristig erkrankt und auf der Suche nach einem Nachfolger beziehungsweise einer Nachfolgerin wäre. Die Patientinnen hätten die Möglichkeit, unter der Telefonnummer 116 117 die Terminservicestelle der KV Sachsen zu kontaktieren, um zu versuchen, in weiterer Entfernung einen Frauenarzttermin zu erhalten. "Da die Praxen vor Ort sehr stark bis hin zum Erreichen der maximalen Kapazitätsgrenze ausgelastet sind, besteht nicht die Möglichkeit, jede Patientin dort aufzunehmen", bestätigt Julia Leditzky.

Kassenärztliche Vereinigung: Bedarf ist gedeckt

Ehrlicherweise keine neue Situation. Insbesondere in den ländlichen Regionen Sachsens bestehen seit Jahren Schwierigkeiten in der Nachbesetzung von Arztstellen. Viele junge Medizinstudentinnen und -studenten würden laut KV eben eine Praxis in einer ländlichen Gemeinde als nicht attraktiv ansehen. Begründet werde dies unter anderem damit, dass auf dem Land Infrastrukturen für junge Familien fehlten oder nicht ausreichend vorhanden seien. Im Fall der Fälle werde die sächsische Kassenärztliche Vereinigung laut eigenem Bekunden bei der Nachfolgersuche jedoch gern vermittelnd tätig. Zumindest dann, wenn die Interessenten ihre Absichten für eine Niederlassung oder auch Anstellung kundtun.

Und das Betätigungsfeld im Großenhainer Land ist offensichtlich groß. Wer sich als Hausarzt niederlassen wolle, habe laut KV-Statistik gegenwärtig mit 5,5 freien Stellen gute Chancen. Anders schaue es dagegen bei den Frauenärzten, HNO-Ärzten, Hautärzten, Nervenärzten oder Psychotherapeuten aus. Da liege der Versorgungsgrad, allen nicht erhältlichen Terminen zum Trotz, bei 110 Prozent - weitere Neuzulassungen wären damit gesperrt. "Jedoch könnte es in den nächsten Jahren, sofern abzugebende Praxen ohne Nachfolger schließen müssen, zu weiteren Öffnungen in den einzelnen Arztgruppen kommen", heißt es.

Seit Montag hat nur noch eine Praxis auf

Ein Rechenexempel, welches für Franziska Rothert und ihre Mitstreiterinnen keineswegs nachvollziehbar sein dürfte. Anhand eines Bevölkerungsschlüssels könne doch schließlich belegbar sein, wie viele Frauen im Landkreis gynäkologisch betreut werden müssten. Ihre Fachkolleginnen und sie arbeiteten einerseits an der Belastungsgrenze und andererseits seien Patientinnen gezwungen, beträchtliche Entfernungen für eine Behandlung zurückzulegen. "Ich lade die KV gern mal in meine Praxis ein, um sich ein realistisches Bild vor Ort machen zu können", ermuntert Franziska Rothert. Seit Montag ist sie der einzige Anlaufpunkt für die Patientinnen aus Großenhain und Umgebung - die zwei noch verbliebenen Praxen haben wegen Krankheit geschlossen.