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Großenhain
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"Irgendjemand muss sich doch gegen den Rechtsruck stellen"

Julian Nehls (SPD) ist mit 22 jüngster Großenhains Stadtratskandidat. Die "freundliche Stadt im Grünen" liegt ihm am Herzen. Aber auch die Attraktivität für junge Leute.

Von Thomas Riemer
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22 Jahre alt ist Julian Nehls und damit jüngster Kandidat für die Stadtratswahl in Großenhain. Dort tritt er für die SPD an.
22 Jahre alt ist Julian Nehls und damit jüngster Kandidat für die Stadtratswahl in Großenhain. Dort tritt er für die SPD an. © Norbert Millauer

Großenhain. Julian Nehls könnte Geschichte schreiben. Sollte er am 9. Juni den Einzug in den Großenhainer Stadtrat schaffen, wäre er zumindest nach der Wende der Jüngste, dem das gelingt. Doch der 22-Jährige bleibt auf dem Boden. Vor seinem ersten Zeitungsinterview ist er ein wenig aufgeregt, gesteht er. "Das ist für mich Neuland", so der junge Mann, der in Großenhain geboren ist und wohnt, hier das Abitur ablegte, in Leipzig Jura-Student im vierten Studienjahr ist und nächstes Jahr sein erstes Staatsexamen ablegen will.

Julian Nehls kandidiert am 9. Juni auf der Liste der SPD. Einer Partei, der bundespolitisch ein ziemlicher Gegenwind entgegenbläst. "Die SPD - das ist für mich eine jahrelange Überzeugung. Ich habe zu Merkel-Zeiten zwar auch ein schulisches Praktikum bei der CDU gemacht, doch schnell gemerkt, dass ich viel liberaler geprägt bin als das Gros in der CDU." Er sei dann sehr schnell in der SPD unterwegs gewesen, weil er geschichtsfasziniert von Sozialdemokraten wie August Bebel und Willy Brandt war, nennt Julian Nehls wichtige Gründe, dass er 2020, mit 18 Jahren, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei wurde.

Warum kandidiere ich für die SPD?

Dass er nun für den Stadtrat kandidiert, verdanke er dem SPD-Stadtrat Falk Terrey. "Ein anderer Grund ist, dass es mich besorgt, wie stark die AfD in weiten Teilen Sachsens ist. Diese Partei sehe ich als eine Gefahr für die Demokratie." Dass man als Sozialdemokrat derzeit einiges aushalten muss, wenn es um Bundespolitik geht, empfinde er nicht als Last, sondern eher als Motivation, vor Ort etwas zu tun. "Irgendwer muss sich doch gegen diesen Rechtsruck stellen", bezieht Nehls klar Position.

Großenhain sei seine Heimat, hier ist er aufgewachsen und hat seine Freunde. "Der Slogan, freundliche Stadt im Grünen' gehört für mich nach wie vor dazu", sagt der junge Mann. Er liebe die Ruhe im Ländlichen im Vergleich zu einer Großstadt wie Leipzig.

  • Mehr als 23.000 Menschen aus Sachsen haben an der Umfrage von Sächsischer Zeitung und Leipziger Volkszeitung teilgenommen. Entwickelt und ausgewertet wurde der Sachsen-Kompass unter wissenschaftlicher Begleitung und in Kooperation mit der Agentur "Die Mehrwertmacher". Dabei wurde darauf geachtet, dass die Ergebnisse belastbar sind. Wo es aus kleinen Orten/Stadtteilen nicht ausreichend Antworten für belastbare Aussagen auf Gemeinde-/Stadtteilebene gab, wurden Nachbargemeinden teils gemeinsam ausgewertet. Alle Ergebnisse finden Sie auf saechsische.de/sachsenkompass

Was sind Kernaussagen meines Wahlprogramms?

Doch wo sieht Julian Nehls Handlungsbedarf und -spielraum in Großenhain? Zum Beispiel in der weiteren Digitalisierung der Verwaltung platzt es aus ihm heraus. "Da geht deutlich mehr und schneller", ist er überzeugt, dass damit mehr Bürgerfreundlichkeit erzeugt werden könne.

Ein nächster Punkt: In den letzten Jahren sei in Großenhain zu wenig für die Sauberkeit getan worden. Warum zum Beispiel werde das frühere Landesgartenschaugelände nicht öfter von Unkraut befreit? "Da muss die Stadt einfach mehr dran sein, um das Stadtbild zu verschönern", sagt Julian Nehls. Dazu müsse man natürlich den städtischen Haushalt aufstocken. Mehr Geld in der Stadtkasse würde aus seiner Sicht eine schnelle Belegung des "Industriegebietes Nord" ermöglichen, die die Stadt bekanntlich anstrebt. Eine solche Investition würde zudem Anreize schaffen, dass sich junge Leute zunehmend für Großenhain interessieren. Bislang sei es eher so, dass sie wegziehen. "Das ist natürlich ein großer Nachteil für die Stadt", so Julian Nehls. Inwiefern das Industriegebiet Nord Auswirkungen auf die 16 Ortsteile haben könnte, "dazu fehlt mir noch die Erfahrung".

Doch was ist aus seiner Sicht zusätzlich für junge Leute in Großenhain nötig, um sie hier zu binden? "Man darf im Haushalt nicht an den Angeboten für die Jugend sparen", sagt der 22-Jährige mit Blick auf die Jugendclubs. "Wenn man mit Sparen dort anfängt, wo es ohnehin schon prekär ist, wird es irgendwann abwärts gehen."

Und doch, auch das ist ihm klar, spielt Geld die entscheidende Rolle. Wie kann Geld in Großenhains Kasse kommen? "Die größten Einnahmen kommen aus der Gewerbesteuer. Und da sind in Großenhain über die Jahre viele Unternehmen leider verschwunden", konstatiert der SPD-Kandidat. Seine Schlussfolgerung: "Man muss es schaffen, für Unternehmen attraktiv zu sein, damit sie sich in Großenhain ansiedeln." Dabei sollte man nach seinem Dafürhalten gerade beim Industriegebiet Nord auch in Erwägung ziehen, nicht den einen Großinvestor, sondern mehrere kleinere Unternehmen anzusiedeln. Soviel sei klar: "Nord ist die große Chance für Großenhain, sich wirtschaftlich aufzustocken. Wenn das scheitert, läuft wahrscheinlich bald nicht mehr viel", glaubt der junge Mann.

Modernisierungsbedarf sieht Julian Nehls für die Schulen der Stadt. Nicht nur der Schüler wegen, sondern um Lehrkräfte zu binden. "Da muss man eben auch mal Geld in die Hand nehmen", erklärt der junge Sozialdemokrat. Auch Kooperationen mit anderen Schulträgern oder Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen anderer Länder seien aus seiner Sicht sinnvoll, um hochwertige Lern- und Lehrangebote unterbreiten zu können.

Julian Nehls gesteht, dass der Wahlkampf für ihn absolutes Neuland darstellt. Doch er wolle eine gewisse Angst ablegen, um keinen Fragen aus dem Wege zu gehen. "Noch bin ich etwas nervös. Aber man lernt ja immer dazu", so sein optimistischer Ausblick auf die Stadtratswahl - und für sich selbst. Vielleicht gelingt es ihm ja, Geschichte zu schreiben.

  • Weitere Kandidaten der SPD für die Stadtratswahl am 9. Juni: Falk Terrey, Heiko Probst, Dietmar Pohl, Andrea Kreisz.