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Großenhain: 120 Kulturleute diskutieren, wie man Publikum gewinnt

Sachsens Kulturgipfel im Großenhainer Schloss: Sinkende Zuschüsse, Überalterung, Bürokratie – wie kommt Kultur auf dem Land am besten an?

Von Kathrin Krüger
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Wie sichert man sich Publikum? Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch, Großenhains Oberbürgermeister Sven Mißbach, Carola Gotthardt von der Elblandphilharmonie, Generalintendant Dirk Löschner und Tobias Hülswitt (v.l.) im Gespräch in Großenhain.
Wie sichert man sich Publikum? Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch, Großenhains Oberbürgermeister Sven Mißbach, Carola Gotthardt von der Elblandphilharmonie, Generalintendant Dirk Löschner und Tobias Hülswitt (v.l.) im Gespräch in Großenhain. © Kristin Richter

Großenhain. In der Röderstadt gibt es alle zwei Jahre die Kulturnacht als Angebot von Bürgern für Bürger. Im Kulturschloss läuft hochrangiges Programm u. a. mit Künstlern, die man auch aus dem Fernsehen kennt, zu erschwinglichen Preisen. Großenhain lässt sich seine Kultur was kosten. "Doch es kommt der demografische Wandel, das Publikum wird immer älter", wirft Oberbürgermeister Sven Mißbach beim zweiten sächsischen Kulturgipfel in die Debatte. Mit der Kultusministerin des Freistaates, Barbara Klepsch, und 120 Gästen aus ganz Sachsen wird im Kulturschloss diskutiert, wie Publikum künftig zu begeistern ist. Auch mit gastronomischem Zusatz – der an diesem Freitag vom Gasthof Roda gestellt wird.

Die Teilnehmer kommen sogar aus Berlin und Vorarlberg in Österreich, sie haben sich über die Homepage aus Interesse angemeldet. Kulturzentrum-Geschäftsführer Jörg Rietdorf hat sich redlich bemüht, die Veranstaltung nach Großenhain zu holen – der ländliche Raum ist ja gefragt. Frank Richter, kulturpolitischer Sprecher im Landtag, hat Heimvorteil – er wurde schließlich hier geboren. Referatsleiterin Susanne Meyer aus dem Ministerium kennt Schloss und Stadt, weil sie Freunde in Großenhain hat. "Das Gebäude sorgt für einen Aha-Effekt", sagt sie. Andere wie Jan Haubensak aus Mittweida sind bestenfalls mal durchgefahren. "Das Haus macht Eindruck", sagt der Vereinsvertreter. Weitere Kulturzentrumschefs aus Pirna, Neustadt, Coswig oder Weinböhla wissen um die Qualitäten des Kulturtempels, den die Stadt mit der Landesgartenschau 2002 "geschenkt" bekam.

Konkurrenz durch Fernsehen und Internet

Auf der Suche nach gesellschaftlicher Relevanz sind sie alle: auch Christiane Böttger von der Kulturbetriebsgesellschaft Coswig. Sie erzählt, wie in ihrer Heimatstadt Lommatzsch mit 5.000 Euro ein Kulturfonds gegründet wurde. Was damit passiert, soll die Bürgerschaft mitentscheiden. "Schließlich kennen wir unser Publikum vor Ort am besten, wir wohnen ja hier", so Christiane Böttger. Nicht nur Jörg Rietdorf, auch Oberbürgermeister Mißbach und zum Beispiel Theatermann Folkert Uhde wünschen sich weniger Bürokratie und mehr Pauschalisierung und Strategie in der Kulturförderung. Denn besonders den kleinen Einrichtungen gehen immer mehr die guten Mitarbeiter aus. Und Corona schlägt laut Theaterleiter Stefan Behr für manche erst jetzt so richtig zu, wo die Pandemiehilfen ausgelaufen sind.

Doch es geht bei der Publikumsgewinnung nicht nur ums Geld. Sondern auch darum, wie man Menschen erreicht, sie berührt. Ministerin Klepsch wird widersprochen, als sie meint, Kultur müsste immer populärer werden. "Wir haben auch einen anderen Auftrag", so einige Redner. Stefan Behr meint sogar: "Es wird zu wenig geweint im Theater." Auch im ländlichen Raum müssen Angebote gut gemacht und Ernst gemeint sein. Dann sind auch die Menschen außerhalb der Großstädte zu überraschen. Carola Gotthardt und ihre Elblandphilharmonie Sachsen bringen sehr gute Beispiele dafür ein.

Die Erwartungen, was so ein Kulturgipfel als Austausch bringen kann, sind vielfältig. Oberbürgermeister Sven Mißbach hofft, dass das Dresdner Ministerium vielleicht wieder mal eine Veranstaltung hier ausrichtet. Jan Haubensak sucht Anregungen, wie die leeren Schaufenster in Mittweida wieder gefüllt werden können: vielleicht mithilfe von Straßentheater? Frank Richter sieht die Kultur nicht als freiwillige Aufgabe, sondern als Daseinsvorsorge, die so wichtig ist wie Strom und Trinkwasser. Doch die Konkurrenz durch Fernsehen und Internet ist groß. Und bisweilen auch durch den Kleingarten.