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Großenhain: Wenn Crystal die Erinnerung wegbläst

Zwei Großenhainer sollen einen Drogensüchtigen beraubt haben – der Geschädigte trägt aber nichts zur Aufklärung bei.

Von Manfred Müller
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Zwei Großenhainer sollen einen Süchtigen beraubt werden. Vor Gericht aber kann sich der Geschädigte an nichts mehr erinnern. Folgen des Konsums?
Zwei Großenhainer sollen einen Süchtigen beraubt werden. Vor Gericht aber kann sich der Geschädigte an nichts mehr erinnern. Folgen des Konsums? © Symbolfoto: Claudia Hübschmann

Großenhain/Riesa. Die Angeklagten, beide Anfang 40, sind bekannte Gesichter in der Großenhainer Kleinkriminellenszene. André und Marcel, so der Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft, sollen einen Bekannten aus der Drogenszene geschlagen und beraubt haben. Aber das ist nicht alles. In der Anklageschrift ist eine ganze Litanei weiterer Vergehen aufgelistet: gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Wohnungseinbruch, Ladendiebstahl.

Die meisten der Straftaten werden André angerechnet. Der Mann sitzt gerade wegen gefährlicher Körperverletzung im Zeithainer Gefängnis eine zweijährige Haftstrafe ab und wird in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Richter Herbert Zapf hat für die Aufklärung der in einem Zeitraum von drei Jahren begangenen Gesetzesverstöße einen ganzen Verhandlungstag angesetzt. Mehr als 20 Zeugen sind geladen. Aber schon beim Haupt-Anklagepunkt, der gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung, wird die Beweisführung schwierig.

Unterschiedliche Versionen erzählt

Der Geschädigte Lars (Name geändert) hat nämlich bei mehreren Befragungen durch die Polizei unterschiedliche Versionen vom Tathergang erzählt. Einmal soll ihm André im Großenhainer Gartenschaupark aufgelauert, ihn zu Boden geschlagen und getreten haben. Anschließend, so die Aussage, habe der Beschuldigte ihm eine Kette mit Anhänger, eine Gürteltasche und ein Samsung-Handy entwendet. Laut der nächsten Version soll der Überfall in einer Wohnung stattgefunden haben und Marcel an der Straftat beteiligt gewesen sein.

Als der Geschädigte – er sitzt zurzeit in Untersuchungshaft – in den Zeugenstand geführt wird, macht er die Verwirrung komplett. Er könne sich an die Vorgänge, die inzwischen drei Jahre zurückliegen, nicht mehr erinnern, sagt er. Das wirkt auch gar nicht so unglaubwürdig, denn Lars ist ein Drogenwrack. Mit glasigen Augen starrt er während der Befragung nach unten; sein Kopf liegt fast auf der Tischplatte. Unterm Tisch zuckt er spastisch mit dem rechten Fuß. Offenbar ist der 32-jährige Großenhainer im Knast nicht an Crystal herangekommen und leidet nun unter Entzugserscheinungen. Dadurch fällt er als Zeuge komplett aus.

Die einzigen Antworten, die Richter Zapf im Riesaer Gerichtssaal bekommt, sind „Weiß ich nicht“ und „Keine Ahnung“. Irgendwann wirft ihm die Staatsanwältin genervt vor, dass er wohl eher keine Lust zu einer Aussage habe. Aber er sitze ja bereits im Knast, sodass Beugehaft keinen Sinn ergeben würde. Lars' ehemalige Lebensgefährtin gibt der Sache dann den Rest. Ihr Ex-Freund habe es mit der Wahrheit noch nie so genau genommen, sagt sie. Er sei sich nach dem Vorfall nicht einmal sicher gewesen, ob André überhaupt der Täter war.

Zeuge erscheint nicht vor Gericht

Völlig zusammengebrochen ist die Anklage damit aber noch nicht. Der junge Mann, in dessen Wohnung die räuberische Erpressung stattgefunden haben soll, ist der Zeugen-Vorladung nämlich nicht gefolgt. Deshalb trennt Richter Herbert Zapf das Verfahren von den anderen Delikten ab. Es soll zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende gebracht werden.

Die anderen Anklagen aber werden zu Ende verhandelt. Marcel bekommt eine Bewährungsstrafe von drei Monaten, weil er mit einem Drahtgestell auf seine Frau eingeschlagen hat. André muss wegen einer Körperverletzung, einem Wohnungseinbruch und mehreren Ladendiebstählen ein weiteres Jahr und drei Monate im Gefängnis absitzen. Ob sein Knast-Aufenthalt nochmals verlängert wird, entscheidet sich erst im nächsten Jahr.