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"Unsere Händler haben im Zweitjob keinen Gartenmarkt"

Citymanager Alexander Ehrke fürchtet um das innerstädtische Leben von Großenhain. Geschäfte seien finanziell am Ende, und Gastronomen kämpften um die Existenz.

Von Catharina Karlshaus
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Großenhains City-Manager Alexander Ehrke fiebert wie die Händler der Röderstadt den neuen Entscheidungen entgegen. Wie er betont, würden jetzt dringend Perspektiven gebraucht.
Großenhains City-Manager Alexander Ehrke fiebert wie die Händler der Röderstadt den neuen Entscheidungen entgegen. Wie er betont, würden jetzt dringend Perspektiven gebraucht. © Foto: Norbert Millauer

Großenhain. Seine Schonzeit währte nur kurz. Gut ein dreiviertel Jahr durfte sich Alexander Ehrke den städtischen Dingen im normalen Leben widmen, bevor er dann ab März 2020 völlig unerwartet in den Krisenmodus umschalten musste. Großenhains Citymanager, den es nach neun Jahren als Teamleiter eines Handelsunternehmens in Leipzig wieder zurück in die freundliche Stadt im Grünen gezogen hatte, versucht seitdem, so gut es eben geht, Händlern und Gewerbetreibenden in der Coronakrise beizustehen. Ein Unterfangen mit viel Herzblut, an dem der 30-jährige Görziger nicht selten an Grenzen stößt.

Herr Ehrke, Hand aufs Herz, wie geht es Ihnen?

Danke, der Nachfrage! Mir persönlich geht es vergleichsweise gut. Heftiges Magengrummeln bekomme ich allerdings inzwischen, wenn ich an all unsere Händler, Gastronomen und Künstler in der Stadt denke. Die kämpfen seit Mitte November ums Überleben und sehen kein Licht am Ende des Tunnels. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Angesichts der stark angestiegenen Inzidenzien war es im November unvermeidbar, das öffentliche Leben auf ein vertretbares Minimum zurückzufahren. Ich denke, ein Großteil der Bevölkerung hat das nicht zuletzt aufgrund eigener Erfahrungen auch verstanden und mitgetragen. Inzwischen sind die Wochen aber auch ins Großenhainer Land gegangen, ohne dass die Menschen irgendeine greifbare Perspektive aufgezeichnet bekommen. Der Händler weiß nicht, wann er wieder ungehindert Kunden in seinem Laden begrüßen kann, und der Cafébetreiber sieht das schöne Wetter, darf aber noch nicht mal unter freiem Himmel Gäste zu Kaffee und Kuchen empfangen. Das ist auf die Dauer deprimierend.

Große Hoffnungen ruhten allseits auf der Bund-Länderberatung am Mittwoch. Haben sich Ihre erfüllt?

Nein, das haben sie nicht! Und zwar aus mehreren Gründen. Ich kann aus meinem politischen Verständnis heraus nachvollziehen, dass das Leben nun nicht gleich komplett wieder hochgefahren wird. Aber es bleibt das unangenehme Gefühl, dass wir seit Monaten in Deutschland auf der Stelle treten. Durchaus erfreulich ist unumwunden, dass sich das sächsische Kabinett am Donnerstagvormittag dazu durchgerungen hat, die Schulen ab 15. März generell wieder zu öffnen. Das ist selbstverständlich für Kinder, Jugendliche und Eltern eine ganz wunderbare Nachricht! Denn gerade für Letztere ist die monatelange Doppelbelastung - häusliches Lernen in Kombination mit der eigenen Arbeit - doch eine sehr große Belastung gewesen. Auch unseren Gewerbetreibenden ergeht es da ja nicht anders und eingedenk ihrer finanziellen Sorgen ist das alles andere als eine leichte Zeit. Und genau aus diesen existenziellen Gründen hatten sich Ladeninhaber und Gastronomen verständlicherweise natürlich viel mehr von den Beratungen erhofft. Wenn schon nicht die komplette Öffnung, dann wenigstens eine konkrete Impfstrategie, die aus meiner Sicht unverzichtbar ist. Nur der Schnelltest allein wird nicht das Allheilmittel aus der Krise sein. Und da unsere innerstädtischen Händler alle keinen Bau- oder Gartenbaumarkt im Zweitjob ihr Eigen nennen, hält sich die Freude verständlicherweise in Grenzen. Im Gegenteil! Die Schlinge um ihren Hals zieht sich immer mehr zu.

Ab Montag ist es aber wenigstens möglich, wieder Kunden im Geschäft zu empfangen. Ihrer Meinung nach kein Schritt in die richtige Richtung?

Modehändler Ronny Rühle hat es im Gespräch mit Ihnen gut auf den Punkt gebracht! Die Terminvereinbarung mit einem Kunden im Geschäft ist nicht zu vergleichen mit einem unbeschwerten Bummel durch die Stadt und dem spontanen Einkauf, bei dem auch mal das eine oder andere Wort mit der Verkäuferin oder dem Verkäufer geschwatzt werden kann. Aber immerhin gibt es nun diese Möglichkeit. Doch ich befürchte, dass unsere Händler nicht solche Umsätze erzielen werden, wie sie gewöhnlich möglich sind.

Herr Ehrke, es ist sicherlich in der jetzigen Situation schwierig für Sie, Initiativen für alle Gewerbetreibenden zu entwickeln. Dennoch, wie sollen die kommenden Wochen im Lockdown gestaltet werden?

Gestalten und ausfüllen kann sie letztlich nur jeder Händler oder Gewerbetreibende für sich allein. Nicht jeder von ihnen wählt dabei den gleichen Weg. Während der eine die Dinge mit sich selbst ausmacht, sucht ein anderer ganz bewusst die Öffentlichkeit oder den Austausch. Viele sind dabei erdrückt von den finanziellen Problemen, in welche sie durch die Pandemie geraten sind. Gute Ratschläge meinerseits, wie etwa eine stärkere Hinwendung zum Verkauf über das Internet oder das Suchen nach kreativen Lösungen, sind da nicht immer hilfreich. Aber ich kann versichern, ich stehe jedem, der es wünscht mit Rat und Tat zur Seite! Und ich hoffe inständig, dass alle Händler und Gaststätten die Zeit gut überstehen. Dass wir auch danach noch unser Großenhain haben, wie wir es lieben: eine bunte, belebte Innenstadt, in der es sich gut einkaufen lässt. Eine, in welcher man sich gerne niederlässt.

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