Die frische Landluft hat sie umgehauen. Als Katrin Minor und Matthias Gottschalk im Sommer 2020 auf ihre Baustelle kamen, um das Betonieren der Bodenplatte zu besprechen, schlugen die Pollen zu, von Gräsern und Getreide. Die Augen verklebten, die Sicht schwand, ein Nieser jagte den anderen. "In fünf Minuten hat es uns beide richtig weggehauen", sagt Katrin. Heute lacht sie darüber. "Das hatten wir nicht bedacht."
Beim Hausbau dürfte die Entdeckung eines Heuschnupfens zu den eher seltenen Schwierigkeiten zählen. Das allgemeine Problem sind die Preise. Sie steigen und steigen, verstärkt seit der Finanzkrise 2007, und erst recht seit Corona. Die Pandemie hat die Flucht ins Eigentum weiter angetrieben, zugleich aber die Ressourcen verknappt und den Materialstrom gestört.
Beim Einzug noch fast allein im Wohngebiet
Laut Statistischem Landesamt war der Bau eines Wohnhauses 2021 im Schnitt fast zwölf Prozent teurer als im Vorjahr. Aber gebaut wird. Zum Beispiel in Rabenau. Da, wo die kleine Stadt, 4.400 Einwohner, mit am höchsten liegt und ihr Wahrzeichen, der spitzhütige Wasserturm, grüßt, wächst das Wohnquartier Talblick. Auf zweieinhalb Hektar ehemaligem Acker werden einmal 28 Häuser stehen.
Das Haus von Katrin Minor, 32, und Matthias Gottschalk, 31, ist schon fertig. Im Mai 2021 sind die beiden mit ihrer Tochter Emilia, die jetzt zweieinhalb ist, eingezogen. Damals waren sie so gut wie alleine auf der weiten Flur. Inzwischen liegt ihr Eigenheim inmitten von Baustellen. Die Wiese weicht Wänden. Der Heuschnupfen dürfte künftig milder verlaufen.
Die eigene Terrasse ist wie ein Urlaub
Für die frisch gebackenen Hausbesitzer ist das Nebensache. Die Hauptsache ist: mehr Platz, mehr Blick, mehr Ruhe. Im Sommer haben sie schon mal die Gartenstühle raus auf den Schotter gestellt. Sie haben gegrillt und zugeschaut, wie das Abendlicht auf die Hügel fällt. Irgendwo dahinter, in Dresden-Plauen, steht ihr altes Mietshaus. Dort war es auch schön. "Aber das hier ist eine ganz andere Form von Entspannung", sagt Matthias. "Das ist wie Urlaub."
Das Paar stammt nicht aus Dresden. Beide sind in Berlin geboren und aufgewachsen, lernten sich in der Schule kennen. "Ich wusste, er baut mir ein Haus", sagt Katrin. Sie wurde in einem Plattenbau in Köpenick groß. Enge Verhältnisse, die Nachbarn stets präsent. "Ich war nie ein Fan davon, wenn Leute direkt an meiner Wand wohnen", sagt sie. "Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr."
Matthias hingegen hat die Vorzüge eines Eigenheims von klein auf genossen. Das Haus der Familie lag nahe dem Schönefelder Flughafen. "Der Wunsch, ein eigenes Haus zu besitzen, war immer vorhanden", sagt er. Das Paar ging so etwas wie eine Wette ein: Wer zuerst einen sicheren Job hat, der würde den Lebensmittelpunkt bestimmen. Und somit auch, wo das Haus gebaut wird.
Herzklopfen beim Unterschreiben des Hausbauvertrags
Matthias gewann diese Wette. 2017 fand der studierte Historiker eine Anstellung in Dresden, in der Presse-Abteilung einer Krankenkasse. 2018 zog ihm Katrin, die Public Management studiert hat, hinterher. Sie stieg bei der TU in der Verwaltung ein. Zwei Haushalte in einem - da wurde der Platz in der Mietwohnung knapp, sagt Matthias. Dann kündigte sich Emilia an. "Da haben wir beschlossen, größer zu denken."
Anfang 2019 begann der "Denkprozess". Hausmesse besuchen, Anbieter vergleichen, Budget checken. Der Finanzberater ermutigte sie. Das Projekt sei möglich, ohne wesentliche Abstriche am alten Lebensstil. Ein Haus abzubezahlen würde wohl nicht wesentlich mehr kosten, als die Dresdner Miete - damals gute tausend Euro.
Die beiden sind in komfortabler Lage: gute Jobs, sichere Jobs. "Wir wissen, dass es uns sehr gut geht", sagt Matthias. Trotzdem stieg der Puls, als sie im Sommer 2019 den Vertrag mit einer großen Firma für Fertigteilhäuser unterschrieben. Mehr als eine halbe Million Euro würde das Projekt kosten. Und das Wichtigste fehlte noch: ein Grundstück.
In Dresden gab es keine Chance. Anderswo war das Gelände zu weit draußen. Oder zu schlecht erschlossen. Eines Tages schlug die Maklerfirma, die das Hausbauunternehmen an der Hand hatte, Rabenau vor. Den Talblick. Matthias und Katrin fuhren hin. Die Erschließungsstraße war bereits im Bau. Es würde einmal die Max-Meier-Straße sein. Ihre Straße. "Wir standen am Zaun und wussten: Das nehmen wir."
Im Februar 2020 kauften die beiden ihr Grundstück. 245 Euro kostete der Quadratmeter. Im August wurde die Bodenplatte gegossen, im Oktober setzte ein Kran den Rohbau zusammen. Nach anderthalb Tagen stand tatsächlich ein richtiges Haus in der Prärie. Ein großer Moment für die Bauherren. "Das sind die Wände, in denen du alt wirst", dachte Katrin ergriffen. "Ich hab' mich einfach nur gefreut", sagt Matthias.
Bis zum Einzug dauerte es aber noch ein halbes Jahr. Den Ausbau des Gebäudes mussten die Bauherren selber organisieren. Und dabei ging nicht alles glatt. So war es schwierig, für einige Gewerke Handwerker aufzutreiben, besonders für den Installateur, der wegen Krankheit länger ausfiel.
Jeden Tag auf der Baustelle nach dem Rechten zu sehen, das schafften die Vollzeitarbeiter nicht. Sie hatten sich einen Bauüberwacher genommen, waren dafür eigens in den Bauherrenschutzbund eingetreten, um Kosten zu sparen. "Es lohnt sich, jemanden zu engagieren, der sich auskennt", sagt Matthias. Ein paar Fehler habe der Fachmann tatsächlich entdeckt. "Die wären uns später auf die Füße gefallen."
Seit einem Dreivierteljahr sind Katrin, Matthias und Emilia nun Neu-Rabenauer. Coronabedingt haben die Großen ihre Dresdner Büros schon lange nicht mehr gesehen. Sie arbeiten im Home Office. Und Emilia geht in den Rabenauer Kindergarten. Fünf Minuten zu Fuß sind es bis dahin, statt eine halbe Stunde, wie zuvor in Dresden.
- Noch mehr Nachrichten aus Pirna, Freital, Dippoldiswalde und Sebnitz.
Die Familie mag ihr neues Zuhause. Keine Spur von Vorbehalten gegenüber den Städtern. "Es ist ein offenes und freundliches Miteinander", sagt Katrin. Das gilt auch für die Rabenauer Katzen, die gern auf einen Happen bei dem neuen Haus vorbeischauen.
Matthias trabt jeden Samstagmorgen runter zum Markt, Brötchen holen. Der Berg des Rückwegs ist immer noch gewöhnungsbedürftig. "Aber der Brötchenduft motiviert mich." Wenn alles gut geht, haben die beiden ihr Haus in 37 Jahren abbezahlt. Eine vernünftige Perspektive, finden sie. "Bis zur Rente sind wir durch."