Görlitz
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Historikerin sucht modische Bückware

Alice Peterich recherchiert für ein Buch über das Görlitzer Steppke-Werk. Viel hat sie erfahren. Etwas Wichtiges fehlt noch.

Von Gabriela Lachnit
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Alice Peterich (links) und ihr Mann Dieter Peterich besuchten 2016 das Prignitz-Museum in Havelberg, wo Kinderkleidung „Made in Havelland“ zu den Exponaten gehört. Die Museologin Sabine Ball (rechts) führte durch die Ausstellung.
Alice Peterich (links) und ihr Mann Dieter Peterich besuchten 2016 das Prignitz-Museum in Havelberg, wo Kinderkleidung „Made in Havelland“ zu den Exponaten gehört. Die Museologin Sabine Ball (rechts) führte durch die Ausstellung. © SZ-Archiv / Andrea Schröder

Alice Peterich recherchiert zur Kindermode in der DDR. Die 68-jährige Historikerin hatte gehofft, in Görlitz dabei Unterstützung zu bekommen. Nach einem Beitrag in der Sächsischen Zeitung im März dieses Jahres meldeten sich einige Görlitzer bei ihr. „In Gesprächen mit drei ehemaligen Mitarbeiterinnen aus dem Görlitzer Steppke-Werk bekam ich dankenswerterweise viele detaillierte Informationen“, erklärt Alice Peterich. Wertvoll sind für sie die Berichte der Görlitzer Frauen über den Produktionsverlauf vom Modell über den Zuschnitt bis zum fertigen Kleidungsstück. Dazu erhielt sie viele Informationen zur Zulieferung der Stoffe, zum Beispiel aus dem Lautex-Kombinat, das zahlreiche Betriebe im Oberland hatte. „Die Frauen erzählten mir über die Ausbildung der Industrienäherinnen und auch darüber, dass nahezu 80 Prozent der Jungenkleidung in die damalige Sowjetunion geliefert wurden“, so die Historikerin. Fünf bis sechs Prozent der Knabenbekleidung gingen an westdeutsche Versandhäuser, Festbekleidung für Kommunion und Konfirmation wurde für C & A gefertigt, Mäntelchen erreichten Käufer in Holland. Der Rest blieb in der DDR – „kein Wunder, dass Muttis hier sehr wenig Jungenkonfektion in den Geschäften bekommen konnten“, resümiert Frau Peterich.

Die Berichte der Frauen sind als Hintergrundwissen für Frau Peterich wichtig. Eine originale Jungenbekleidung aus der Steppke-Produktion konnte Frau Peterich allerdings nicht erlangen. Im April hatte sie ein Mann aus Görlitz angerufen, der die Sachen seines Sohnes schicken wollte. Darunter waren eine Jeanshose, die Mitte der 1970er Jahre im Werksverkauf bei Steppke zu bekommen war. Die Frau des Mannes arbeitete bei Steppke. Warum das Paket aber nie bei Frau Peterich ankam, weiß sie leider nicht.

Historie der Mode im Norden legte den Grundstock

Momentan versucht Frau Peterich mit einer ehemaligen Gestalterin von Kindermode, etwas über die Jeansmodelle von Steppke herauszufinden. „Dazu habe ich ihr Kopien von Jungenkleidung aus dem Centrum Versandhaus Leipzig geschickt. Ich hoffe, die Frau kann sich erinnern.“

Auf die Idee zur Erforschung von Mode kam Alice Peterich als Museumsmitarbeiterin. „Immer wieder habe ich dabei auch Bekleidung in die jeweilige Ausstellung eingeordnet. Über deren Entstehung und kulturgeschichtliche Bedeutung im Ganzen zu recherchieren, dafür blieb einfach keine Zeit“, bedauert die Historikerin. Diese Zeit nimmt sie sich jetzt. Mit der Historie der DDR-Kindermode im Norden hat sie einen Grundstock gelegt. Auf dem baut sie auf. Alice Peterich will mit ihren Dokumentationen zur Kindermode ein Stück DDR-Geschichte in Erinnerung halten, ohne zu politisieren. In ihrem neuen Buch wird sie verschiedene Kategorien beleuchten, unter anderem die Festbekleidung zur Jugendweihe und die Entwicklungen in der Pionier- und FDJ-Bekleidung. „Die Mode in der DDR war zweckmäßig und hatte sich damals schon an der Einfachheit und Zweckmäßigkeit des Bauhauses orientiert“, sagt Frau Peterich.

Kontakt zu Alice Peterich: Telefon 04323-1449; Mail: [email protected]

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