Hoyerswerda
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„Endlich bewegt sich alles im Fluss“

Robert Bresan reitet in diesem Jahr zum 40. Mal bei den Osterreitern. Ein Moment ist dabei besonders erhebend.

Von Andreas Kirschke
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Robert Bresan reitet in diesem Jahr zum 40. Mal in der Wittichenauer Osterprozession mit. Ihm liegt sehr an der Weitergabe des Brauches an die Jugendlichen. In der eigenen Familien lebt er das vor. Das Foto zeigt ihn vor der Sollschwitzer Markus-Kapelle.
Robert Bresan reitet in diesem Jahr zum 40. Mal in der Wittichenauer Osterprozession mit. Ihm liegt sehr an der Weitergabe des Brauches an die Jugendlichen. In der eigenen Familien lebt er das vor. Das Foto zeigt ihn vor der Sollschwitzer Markus-Kapelle. © Foto: privat

Wittichenau. Ostersonntag hallt es am Morgen wieder durch die Wittichenauer Gassen: „Dźens Chrystus z mortwych stanył je“ (Heute ist Christus von den Toten auferstanden). Mit über 350 Reitern zieht die deutsch-sorbische Prozession nach der Aussegnung, der Kreuz-Übergabe und dreimaligem Umrunden der Pfarrkirche aus der Stadt hinaus. Sie trägt die frohe Botschaft der Auferstehung in die Nachbarpfarrei nach Ralbitz. Seit 1541 pflegt sie diese Tradition (bis auf 2020) Jahr für Jahr. Wittichenau ist die älteste und zahlenmäßig stärkste der neun Osterprozessionen im Landkreis Bautzen. „Für mich ist das Hinausreiten wie ein Eingangs-Tor zu Ostern. Die organisatorischen und technischen Details von der Morgenmesse 5 Uhr bis zum Losreiten sind geschafft. Endlich bewegt sich alles im Fluss“, erzählt der sorbische Katholik Robert Bresan (58), Inhaber der Mühle in Sollschwitz. Seit 1980 reitet er in der Wittichenauer Osterprozession mit. Dieses Jahr nimmt er zum 40. Mal teil.

In der Kindheit in der Sollschwitzer Mühle staunte er über seine Onkel. Dr. Peter Bresan, Achim Bresan und Michael Bresan ritten Jahr für Jahr mit. „Beim Passieren des Heimatortes warfen sie uns Kindern Tütchen mit Süßigkeiten zu. Solche Zuwendung hoch zu Ross vergisst du nicht“, erzählt der Sollschwitzer. „Onkel Peter besorgte die Pferde. Bis aus Wilsdruff holte er sie. Das legte in mir den Grundstein für die Liebe zum Brauch. Wir Kinder gingen den Osterreitern gern in Richtung Schönau entgegen. Voller Stolz liefen wir ein Stück Weg mit den Vätern mit.“

Erinnerungen an den Anfang

1980 ritt Robert Bresan erstmals in der Wittichenauer Osterprozession. Starke Belastung und Anspannung spürte er damals. Er konzentrierte sich auf das Pferd. Vorrangig achtete er auf den Weg. Stolz erfüllte ihn, „endlich dazuzugehören“. Ältere Osterreiter begleiteten und ermutigten ihn. „Erst beim zweiten, dritten, vierten Mal erfasst du als junger Reiter die ganze Dimension des Brauchs. Erst dann spürst du im Glauben die tiefe österliche Freude. Das ist wie ein Hineinwachsen. Ostern ist wie ein Auslöser, über den Glauben neu nachzudenken“, erzählt der 58-Jährige. Pferdegeschirr besorgte er sich bei Sattler Kobalz in Wittichenau. Gehrock, Stiefel und weitere Kleidung kamen von Schneiderin Paschke in Wittichenau. Erst mit zunehmendem Alter spürte er bei der Prozession die Freude der Einwohner und Besucher am Straßenrand. Ebenso die Tränen jener Osterreiter, die nicht mehr mitritten. „Das Einüben in der Gruppe, so wie heute für die jungen Reiter, gab es bei uns noch nicht. Die Lieder und Gebete las ich mir selbst nach und nach an“, erzählt der Katholik.

Ostern ist für ihn Hoffnung und Neuanfang. Es ist das höchste Fest der Christen. Es kündet vom Sieg des Lebens über den Tod. Ostern, so Robert Bresan, ist wie ein Auslöser und Träger des Glaubens. Gerade in dieser Zeit lebt er den Glauben intensiver als sonst. In der Fastenzeit verzichtet er unter anderem auf Alkohol. Das gesamte Jahr hindurch feiert er mit der Familie regelmäßig Sonntagsgottesdienst. Zur inneren Vorbereitung auf Ostern gehören zudem die Beichte, der Gottesdienst Palmsonntag, das letzte Abendmahl Gründonnerstag und die Leidensandacht Karfreitag. Die innere Vorbereitung auf Ostern wird Christen durch 40 Tage Fastenzeit seit Aschermittwoch geschenkt. Umkehr, Enthaltsamkeit und Gebet prägen die Fastenzeit. Zu Hause beten die Familien. Sie nehmen zudem am Kreuzweg in der Kirche teil. Dieser verdeutlicht die 14 Stationen des Leidensweges Jesu Christi.

Zur inneren Vorbereitung auf Ostern gehören auch die Fastenpredigten der sorbischen Priester. Alle jene Rituale wie Kreuzweg, Fastenpredigten, Beichte und Gottesdienst nimmt Robert Bresan wahr. Viel wichtiger ist ihm jedoch, jeden Tag und das ganze Jahr über als Christ im Glauben zu leben. „Gedenke der Toten, doch kümmere dich um die Lebenden. Kümmere dich um den Nächsten“, beschreibt er seine Verwurzelung im Glauben. „Ostern heißt, dem Leben zu dienen. Das versuche ich, jeden Tag mit meiner Arbeit.“ Viele Bäckereien in der Region versorgt der Sollschwitzer Müller mit frischem Mehl.

Sein Bruder Clemens Bresan (64), langjähriger Bäckermeister in Königswartha, reitet in diesem Jahr zum 50. Mal in der Wittichenauer Prozession. Dessen Enkel Lenni Michauk (14) und Cosimo Bresan (14) nehmen dieses Jahr zum ersten Mal teil. Alle drei reiten vom Hof Antonia Rötschke in Sollschwitz aus.

Gerade das Osterreiten, so unterstreicht Robert Bresan, kann zum Glauben wieder neu hinführen. Gerade das Osterreiten kann in Jugendlichen die Freude im Glauben wecken. Ostern kann Knotenpunkt im Glauben sein. „Wir älteren Osterreiter müssen die Jugend heranführen und sie begleiten“, verdeutlicht er. Rund 50 Reiter sammeln sich am Ostermorgen an der Sollschwitzer Markus-Kapelle. Von dort reiten sie nach Wittichenau, um sich in die Gesamtprozession einzureihen.

Der Sollschwitzer Kantor Mathias Zschorlich teilt im Vorfeld die Reitpaare gezielt ein. Jung und Alt führt er zusammen. Robert Bresan begleitet dieses Jahr erstmals den Jugendlichen Simon Leonhardt (19). Seine eigenen Söhne Silas (21) und Jonatan (20) reiten wie die Neffen Tristan (18) und Ägidius (18) von der Sollschwitzer Mühle aus. Bis aus Cottbus, Spremberg und Wilsdruff besorgt Robert Bresan zehn Pferde. Dieser Aufwand ist ihm wichtig. „Wir Älteren achten gezielt darauf, dass die Erst-Reiter Pferde bekommen, die unkompliziert sind und die keine Probleme bereiten.“ Ehefrau Beate segnet am Ostermorgen im Hof der Sollschwitzer Mühle ihren Mann und die übrigen Reiter aus. Dabei bittet sie Gott um Beistand, um guten Verlauf der Prozession und um gesunde Heimkehr der Reiter. „Bóh dał, zo byšće k Bohu česći po puću byli a zo so bjez škody zaso wróćili“ (Gott gebe es, dass ihr zur Ehre Gottes unterwegs seid und ohne Schaden zurückkehren möget) gibt sie den Männern mit auf den Weg. Die Osterreiter erwidern „Daj to Bóh“ (Gott gebe es).Üblich ist bei der Begegnung am Ostersonntag oft „Daj Bóh zbožo na puć“ (Gott segne unseren Weg). Die gekürzten Worte „Daj Bóh zbožo“ sind auch beim Betreten eines fremden Pferdestalls üblich. Damit erweist ein Osterreiter Ehrfurcht und Respekt. Damit wünscht er auch dem Tier Segen.

Wissenswertes rund um die Prozessionen

  • Neun Prozessionen: In der katholischen sorbischen Oberlausitz gibt es neun Osterreiterprozessionen, in denen überwiegend Sorben mitreiten. Lediglich in der Wittichenauer Prozession gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts auch einen deutschsprachigen Teil. Die Reiter singen Osterlieder und beten unter anderem den Rosenkranz. In ihrer Prozession führen sie das Kreuz, Kirchenfahnen und eine Statue des Auferstandenen mit. Gesungen wird in den Orten, gebetet wird unterwegs.
  • Jubiläen: Wer zum ersten Mal am Osterreiten teilnimmt, trägt ein Myrtenkränzchen. Zum jeweiligen Jubiläum darf sich der Reiter mit einer silbernen „25“ oder goldenen „50“ schmücken. Insgesamt beteiligen sich jedes Jahr etwa 1.500 Osterreiter an den Prozessionen.
  • Zeitübersicht der Oberlausitzer Osterreiterprozessionen (Die angegebenen Zeiten können sich um bis zu einer halben Stunde verschieben): Bautzen (ab 10.30 Uhr) -> Radibor (an 12.15 Uhr) und zurück (ab 15 Uhr); Ralbitz (ab 9.15 Uhr) -> Wittichenau (an 12.30 Uhr) und zurück (ab 15.15 Uhr); Wittichenau (ab 9.20 Uhr) -> Ralbitz (an 12 Uhr) und zurück (ab 15 Uhr); Panschwitz-Kuckau (ab 12.45 Uhr) -> Crostwitz (an 14.15 Uhr) zurück (ab 15 Uhr); Crostwitz (ab 12.15 Uhr) -> Panschwitz-Kuckau (an 15 Uhr) zurück (ab 15.30 Uhr); Radibor (ab 11.45 Uhr) -> Storcha (an 13.45 Uhr) und zurück (ab 15.30 Uhr); Storcha (ab 12 Uhr) -> Radibor (an 13.45 Uhr) und zurück (ab 15.30 Uhr); Nebelschütz (ab 12 Uhr) -> Ostro (an 14 Uhr) und zurück (ab 15.30 Uhr); Ostro (ab 12 Uhr) -> Nebelschütz (an 14 Uhr) und zurück (ab 15.30 Uhr)