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So plant die Leag den Kohleabbau bis 2038

Das Bergbauunternehmen passt sein Revierkonzept an. Die Leag verzichtet auf Kohle unter Welzow, aber Mühlrose muss weg.

Von Frank Thümmler & Irmela Hennig & Uwe Schulz
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Der Dichtwandbau zwischen dem Tagebau Welzow und dem Lausitzer Seenland erfolgte auf einer Länge von zehn Kilometern bis in 120 Meter Tiefe. Mit der neuen Perspektive wäre der Bau zumindest nicht in diesem Umfang erforderlich gewesen.
Der Dichtwandbau zwischen dem Tagebau Welzow und dem Lausitzer Seenland erfolgte auf einer Länge von zehn Kilometern bis in 120 Meter Tiefe. Mit der neuen Perspektive wäre der Bau zumindest nicht in diesem Umfang erforderlich gewesen. © Archivfoto: Rico Hofmann

Lausitz. Die Lausitzer Energie und Kraftwerke AG (Leag) wird ihr Revierkonzept von 2017 ändern. Das gab das Unternehmen mit Sitz in Cottbus am späten Mittwochabend bekannt. Zuvor hatte der Bundestag in einer Sitzung dem zwischen Bundesregierung und Kraftwerksbetreibern ausgehandelten Vertrag über die Ausgestaltung des gesetzlichen Kohleausstieges in Deutschland zugestimmt. Damit seien die rechtlichen Grundlagen für den Ausstiegsfahrplan geschaffen, so die Leag. Für die Verluste durch kürzere Laufzeiten von Kraftwerken soll das Unternehmen 1,75 Milliarden Euro Entschädigung erhalten.

Weil Deutschland bis 2038 raus will aus der Kohleförderung und -verstromung, werde deutlich weniger vom fossilen Brennstoff benötigt, als ursprünglich geplant, teilte Leag-Sprecher Thoralf Schirmer nun mit. Deswegen werde die Planung angepasst. Konkret heißt dass, der Tagebau Welzow-Süd in Südbrandenburg wird nicht um das Teilfeld II erweitert. Über 200 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben im Boden. Reichlich 800 Menschen aus der Stadt Welzow und dem dazugehörenden Proschim sowie aus der zu Bahnsdorf in der Gemeinde Neu-Seeland gehörenden Ortslage Lindenfeld müssen nicht umgesiedelt werden. Auch der Flugplatz Welzow bleibt somit unangetastet. In Vorbereitung auf diesen Teilabschnitt nördlich der Bundesstraße 156 hatte die Leag 2010 damit begonnen, eine über zehn Kilometer lange Dichtwand in den Boden einzubringen, um das Einströmen von Grundwasser und somit letztlich eine Entwässerung des in Flutung befindlichen Lausitzer Seenland zu verhindern. Nach der aktiven Tagebauphase sollte die Dichtwand dann wieder durchlässig gemacht werden, um Grundwasserströmung zu ermöglichen.

See bei Welzow vielleicht kleiner

Mit dem Revierkonzept trägt die Leag letztlich auch dem 2019 nach der Landtagswahl in Brandenburg ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen Rechnung. Darin war vereinbart worden, dass es „keine neuen Tagebaue, keine Tagebauerweiterung und keine Umsiedlung von Dörfern“ mehr geben solle. Ursprünglich sollte Welzow II ab den 2030er-Jahren beansprucht werden. Mit der Kohle aus Welzow werden vor allem die Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe versorgt. Langfristig muss die Leag nun auch bei der Sanierung der Tagebaulandschaft umplanen. Nach der Kohle sollte ein rund 1.600 Hektar großer See bei Welzow entstehen. Der geplante See wird nun vielleicht kleiner. Personelle Konsequenzen hat die neue Ausrichtung zunächst nicht, wie Leag-Sprecherin Kathi Gerstner informiert. Auf Tarifebene habe sich Leag aber bereits auf Instrumente zum Personalabbau und deren Konditionen verständigt. Mitarbeiter sollen vor allem altersbedingt ausscheiden, andere können ab dem Alter von 58 Jahren ein gesetzliches Anpassungsgeld erhalten.

Auch bei Nochten bleibt mehr stehen

In Sachsen wird die Braunkohleförderung im Tagebau Reichwalde im Landkreis Görlitz reduziert. Das ergebe sich aus den Vorgaben des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes, so der Leag-Sprecher. Damit werde der Bereich der Kommandantur des Bundeswehr-Truppenübungsplatzes Oberlausitz am Standort Haide nördlich von Görlitz nicht in Anspruch genommen. Hier geht es um 70 Millionen Tonnen Kohle, die nicht gefördert werden. An der Umsiedlung von Mühlrose hält die Leag aber fest. Aufgrund seiner Lage, der Beschaffenheit der Kohle sowie des Tagebaufortschritts gebe es zur Inanspruchname des Teilfeldes Mühlrose im Tagebau Nochten keine Alternative, um insbesondere das Kraftwerk Boxberg langfristig zu versorgen, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Für die bereits laufende Umsiedlung des Trebendorfer Ortsteils Mühlrose, die mit der Inanspruchnahme des gleichnamigen Teilfelds verbunden ist, liegt seit März 2019 ein unterschriebener und damit rechtskräftiger Umsiedlungsvertrag vor, der auch bereits umgesetzt wird.

Das ist der Leag-Plan: Auf die rot umrandeten Flächen bei Welzow und Reichwalde wird verzichtet, das blau umrandete bei Nochten abgebaut.
Das ist der Leag-Plan: Auf die rot umrandeten Flächen bei Welzow und Reichwalde wird verzichtet, das blau umrandete bei Nochten abgebaut. © Leag

Recherchen vor Ort zeigten wiederholt: Die Mehrheit der Bewohner hat sich entweder damit abgefunden oder begrüßt das inzwischen. Nur ein kleiner Teil will bis heute nicht umziehen. Jörg Funda, seit Jahresbeginn Bürgermeister der Gemeinde Schleife, wo ein Großteil der Mühlroser leben wird, weiß aus seinen Gesprächen mit den Betroffenen vor allem: „Sie wünschen sich, zur Ruhe zu kommen.“

Kritik von Grünen und Umweltgruppe

Die Umweltgruppe Cottbus kritisierte das neue Konzept. Es sei schon jetzt überholt. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, müsse deutlich mehr Kohle im Boden bleiben, so Sprecher René Schuster. Schuster dazu: „Es ist widersinnig, einen genehmigten Tagebau wie Reichwalde zu verkleinern und gleichzeitig im Tagebau Nochten ein neues Abbaufeld beantragen zu wollen. Eine energiepolitische Notwendigkeit dafür wird die Leag in rechtsstaatlichen Verfahren nicht nachweisen können. Nötig ist ein größerer Abstand der Grube zu Dörfern wie Rohne und Mulkwitz, wie ihn die Bürgerinitiative vor Ort bereits seit Jahren fordert.“ Der Verzicht des Unternehmens auf das Teilfeld II des Tagebaues Welzow-Süd war nicht nur längst überfällig, sondern praktisch von allen Akteuren seit Jahren eingeplant.

Auch Sachsens Grüne zeigen sich skeptisch. Das Revierkonzept der Leag ändere nichts am weiterhin fehlenden Nachweis der Notwendigkeit des Abbaus der Kohle unter dem Dorf Mühlrose“, teilt Daniel Gerber, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag mit. „Das Papier ist deshalb zunächst nicht mehr als ein Wunschzettel“, so Gerber. Welche Flächen am Ende tatsächlich in Anspruch genommen werden, entscheide sich durch ein Planfeststellungsverfahren. Die Partei fordert, dass keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert werden. Die Bündnisgrünen im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße begrüßen indes die Entscheidung zu Welzow II, schlagen aber auch härtere Töne an: „Dass die Leag ihr Revierkonzept gestern nur wenige Minuten, nachdem die Bundestagsmehrheit von CDU, CSU und SPD die Milliardenzahlungen fast ohne Gegenleistung bewilligt hat, ist zudem ganz schlechter Stil. Das Revierkonzept lag offenbar schon fertig in der Schublade; das Ergebnis wurde der Lausitz jedoch bisher vorenthalten“, sagt Kreissprecherin der Bündnisgrünen Spree-Neiße Heide Schinowsky. Die unter der Erde bleibenden 200 Millionen Tonnen Kohle unter Proschim seien zudem kein zusätzlicher Beitrag zum Klimaschutz. Denn der neue Tagebau sei weder beantragt, geschweige denn genehmigt gewesen. Somit bestehe dafür auch keine Grundlage für die milliardenschweren Entschädigungszahlungen.