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"Blutende" Marienstatue: Was steckt hinter dem Wunder von Ostro?

In der Gemeinde Panschwitz-Kuckau beobachtet man seit Kurzem ein Phänomen. Die Katholische Kirche warnt vor Deutungen. Ein Vor-Ort-Besuch.

Von Ina Förster
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Die Marienstatue von Ostro. Das kleine Foto zeigt "Blutspuren" auf den Köpfen von Maria und dem Jesuskind, es handelt sich um  einen Ausschnitt aus einem Video.
Die Marienstatue von Ostro. Das kleine Foto zeigt "Blutspuren" auf den Köpfen von Maria und dem Jesuskind, es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Video. © Fotos: Matthias Schumann/privat

Ostro. Eigentlich will niemand von offizieller Seite das Wort "Wunder" in den Mund nehmen. Doch gerade das scheint es für viele Menschen im Sorbenland zu sein. Was im kleinen Panschwitz-Kuckauer Ortsteil Ostro seit dem 16. März 2024 passiert, lässt sich nicht in drei Worten erzählen. Und noch weniger logisch erklären. Aus einer Statue der Gottesmutter mit Jesuskind auf dem Arm "blutet" es seit Tagen in unregelmäßigen Abständen. Anders können es sich jedenfalls die zahlreichen Augenzeugen nicht erklären.

Auch in den sozialen Medien kursieren seitdem Videos, die das Phänomen zeigen. Deutlich tropft da eine rötliche Flüssigkeit aus der Stirn des Jesuskindes. Auch auf dem Kopftuch der Mutter Gottes sind rote Verfärbungen zu sehen und verschwinden wieder. Am Sonnabend wurde das Ganze von einem Landwirt in einer kleinen Kapelle erstmals beobachtet.

"Das aufgetretene Phänomen sorgt derzeit unter den Gläubigen der Region für Aufmerksamkeit und Diskussionen", bestätigt das Bistum Dresden-Meißen auf Nachfrage von Sächsische.de. "Auf dem Kopf einer Statue der Gottesmutter mit Jesuskind auf dem Arm wurde eine rote Substanz festgestellt, die an den Köpfen der Figuren herunterrinnt", beschreibt Pressesprecher Michael Baudisch die Sachlage.

"Die Katholische Kirche lässt bei der Bewertung derartiger Phänomene bewusst besondere Vorsicht walten. Ein aktueller Handlungsbedarf wird derzeit ausdrücklich nicht gesehen. Das Bistum bittet darum, von Bewertungen und religiösen Interpretationen des Phänomens zum gegenwärtigen Zeitpunkt Abstand zu nehmen. Der Sachverhalt soll vielmehr zunächst sachlich weiter beobachtet werden", so Baudisch.

Statue stammt aus Wallfahrtsort in Bosnien

Die Natursteinkapelle mit der Statue befindet sich ein bisschen außerhalb der Ortschaft, etwas abseits der Straße von Ostro in Richtung Kaschwitz, an einem Feldweg unter einer uralten Weide. Efeu-umwachsen ist sie. Man muss nahe herantreten, um die Marienstatue hinter Gittern überhaupt zu sehen. Diese wurde vor ein paar Jahren von Pilgern aus dem Wallfahrtsort Medjugorje in Bosnien mitgebracht und ersetzte die Vorgängerstatue, die in die Jahre gekommen war.

Die kleine Kapelle liegt versteckt unter einer alten Weide direkt am Feldrain in der Nähe von Ostro. Zurzeit pilgern viele Gläubige täglich dahin. Ein Landwirt entdeckte die "blutende" Marienstatue am 16. März 2024.
Die kleine Kapelle liegt versteckt unter einer alten Weide direkt am Feldrain in der Nähe von Ostro. Zurzeit pilgern viele Gläubige täglich dahin. Ein Landwirt entdeckte die "blutende" Marienstatue am 16. März 2024. © Matthias Schumann

In Medjugorje werden seit Anfang der 1980er-Jahre Marien-Erscheinungen und Wunderheilungen beobachtet. Obwohl von der Kirche noch nicht als Wallfahrtsort anerkannt, verzeichnet die Kleinstadt jedes Jahr Besucherzahlen in sechsstelliger Höhe. Regelmäßig würden auch Busse aus der hiesigen Pfarrgemeinde hinfahren. "Die Ostroer Statue ist aber nicht die Abbildung des Originals aus Medjugorje, selbige trägt nämlich kein Kind im Arm", weiß Rafael Ledschbor. Er ist nicht nur Redakteur bei der Wochenzeitung Katolski Posol, sondern auch Theologe.

Auch er zeigt sich bislang eher skeptisch in Bezug auf das beobachtete Phänomen. "Die katholische Kirche fährt einen konkreten Kurs. Der lautet: Vorsicht, Vorsicht und nochmals Vorsicht mit voreiligen Deutungen", so Ledschbor. "Besser, man hat 1.000 nicht anerkannte Wunder, als eines, das keines war", sagt er. Aber als gläubiger Christ sagt er auch: "Alles ist möglich!" Vom echten Wunder bis zur Manipulation... Immer wieder mal tauchen auch aus anderen Orten Berichte über Marienstatuen auf, die angeblich blutige Tränen weinen.

Weitere Untersuchung des Phänomens vielleicht später

Gegebenenfalls könnte zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Untersuchung und Analyse der Beobachtungen in Ostro stattfinden, teilt das Bistum mit. Gegenwärtig werde dazu aber kein Anlass gesehen.

Künftige Handlungen und Entscheidungen in diesem Zusammenhang könnten bis zum Papst in Rom reichen, berichtet unter anderem die Tageszeitung Serbske Noviny. Dieser müsse letztendlich entscheiden, ob man das Phänomen ernster betrachten wolle. Dazu müsse aber einiges passieren vor Ort. Die Rede ist von Wunderheilungen oder Erscheinungen. Eine Anerkennung davon dauere oft Jahrzehnte, wenn nicht gar länger, so Ledschbor.

In Rosenthal gleich in der Nähe gibt es eine Wallfahrtskirche mit Marienfigur aus dem 15. Jahrhundert. Diese gilt neben der Basilika in Wechselburg als bedeutendster Wallfahrtsort in Sachsen. Nun gerät auch Ostro in den Fokus vieler gläubiger Katholiken. Ihre Anziehungskraft verliert die Statue jedenfalls nicht. Auch an diesem Mittwochvormittag haben sich Menschen vor der kleinen Kapelle eingefunden. Die meisten sind neugierig. Andere beten davor. Dabei ist an diesem Tag gerade nichts von der roten Flüssigkeit zu sehen.

Am 20. März 2024 war nichts von einer roten, flüssigen Substanz auf der Statue zu sehen. Stirn und Kopftuch waren wieder rein. Zum letzten Mal habe man am 17. März etwas beobachten können.
Am 20. März 2024 war nichts von einer roten, flüssigen Substanz auf der Statue zu sehen. Stirn und Kopftuch waren wieder rein. Zum letzten Mal habe man am 17. März etwas beobachten können. © Matthias Schumann

Dass der Landwirt, der die Tropfen am Jesuskopf als Erstes entdeckte, vorher ein Stoßgebet gen Himmel gesandt haben soll, dass es nicht regnen dürfe, bis er mit der Feldarbeit fertig ist, und dafür ein späteres Gebet an der Kapelle versprach - diese Geschichte verbreitet sich mittlerweile wie ein Lauffeuer. "Stoßgebete sind für uns Katholiken völlig normal", sagt Ledschbor schmunzelnd. Was man aus solchen Geschichten im Zeitalter von Sozialen Medien mache, stehe auf einem anderen Blatt.

Eine Frau mit Hund ist am Mittwoch zum wiederholten Mal da. "Ich drehe hier immer meine Runde mit ihm, in der letzten Woche wollte er ständig am Stamm der Weide hochspringen. Ich dachte anfangs, ob vielleicht Waschbären im Baum sitzen", sagt sie. Aber wer wisse schon genau, was hier vor sich gehe...

Zahlreiche Gläubige pilgern zur Kapelle bei Ostro

"Wir kommen täglich her, seit Tagen allerdings umsonst", bedauert ein Großvater mit Enkelkind. Es sei faszinierend, was die Videos gezeigt haben. Das alles habe eine magische Wirkung und sich in Windeseile in den umliegenden Ortschaften herumgesprochen. Viele sorbische Katholiken würden dieser Tage zur Kapelle pilgern - vor allem für ein kleines Gebet.

Ein Ostroer hat sich Mittwochmittag auf den Weg gemacht, um die alten Feldsteine rund um die Weide wieder aufzusetzen. Es müsse ordentlich aussehen, mehr wolle er nicht sagen. Die Erscheinung zeige sich auch bestimmt niemandem, der nur auf eine Sensation aus sei. Es gehe vielmehr um das Gebet. Am Wochenende habe es bereits größere Zusammenkünfte gegeben. "Die Leute beten hier den Rosenkranz zusammen", weiß Rafael Ledschbor. Augenzeugenberichten zufolge habe die Statue am Sonntag dann wieder "geblutet".