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Vom Spielmannszug zur gefragten Jazzmusikerin: "Ich habe die Zweifel als Treibstoff genutzt"

Theresia Philipp wollte schon immer Musik machen. Doch ihr Weg von den Anfängen beim Spielmannszug Oberlichtenau bis auf die großen Bühnen der Welt war nicht leicht.

Von Heike Garten
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Zu Gast in der Heimat: Theresia Philipp, eine der bekanntesten Jazzmusikerinnen Deutschlands, war beim Jahresempfang des Oberlichtenauer Spielmannszuges mit dabei.
Zu Gast in der Heimat: Theresia Philipp, eine der bekanntesten Jazzmusikerinnen Deutschlands, war beim Jahresempfang des Oberlichtenauer Spielmannszuges mit dabei. © Matthias Schumann

Oberlichtenau. Mit geschlossenen Augen gibt sie sich ganz der Musik hin, entlockt dem Saxofon Töne, die berühren. Theresia Philipp ist eine der bekanntesten Jazzmusikerinnen Deutschlands und auf vielen Bühnen in der ganzen Welt zu Hause. Jetzt ist sie auf Heimatbesuch in der Lausitz.

Theresia Philipp ist im Pulsnitzer Ortsteil Friedersdorf aufgewachsen, ihre musikalischen Anfänge machte sie unter anderem beim Spielmannszug Oberlichtenau (SZO). Der hatte sie jetzt zu seinem Jahresempfang eingeladen. „Sie hat sich im Laufe ihrer Karriere in der Szene einen Namen gemacht, und wir sind froh, dass sie immer mal wieder vorbeischaut“, sagt Yvonne Swiontek vom Vorstand des SZO.

„Für mich war früh klar, dass ich etwas mit Musik machen will“, sagt Theresia Philipp. Behütet aufgewachsen mit Natur und Tieren und vielen Freiheiten fühlte sie sich als Kind doch manchmal als Außenseiter, weil sie andere Interessen hatte als andere Kinder in ihrem Alter. Sie sei nicht der Typ gewesen, sich irgendwo anzupassen. Über ihren Vater kam sie zum Spielmannszug in Oberlichtenau – fand so musikalisch einen Anschluss zu Gleichaltrigen. Außerdem lernte sie an der Musikschule Saxofon und Keyboard. „Da merkte ich ganz schnell, dass das meine Welt ist“, so die Musikerin.

Theresia Philipp: „Ich wurde oft unterschätzt“

Ganz allein habe sie die Entscheidung getroffen, nach Dresden aufs Landesgymnasium für Musik zu wechseln, damit verbunden ein Leben im Internat. Die Eltern stimmten dem zu und unterstützten sie in allen Belangen. Und doch hatte es Theresia Philipp am Anfang nicht leicht. „Ich war unterer Durchschnitt, wurde oft unterschätzt“, blickt sie heute zurück.

So kamen manchmal auch Zweifel auf, ob das der richtige Weg ist. „Doch Musik war und ist meine Welt, und ich habe die Zweifel als Treibstoff genutzt“, sagt die heute 32-Jährige zu ihrer Motivation - die sie schließlich zu einer der erfolgreichsten Jazzmusikerinnen Deutschlands gemacht hat. Letztlich schloss Theresia Philipp ihr Studium in Köln im Fach Saxofon mit Bestnoten ab, absolvierte ein weiteres Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim im Fach Komposition. Schon während der Ausbildung war sie Mitglied im Jugendjazzorchester Sachsen und im Bundesjazzorchester.

Inzwischen kann sie von der Musik leben, gibt Konzerte, arbeitet mit verschiedenen Bands zusammen, komponiert und arrangiert und ist seit 2020 Lehrbeauftragte an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. „Es ist das Leben, wie ich es mir vorgestellt habe“, sagt sie. Dazu gehört, viel zu reisen. Theresia Philipp liebt es, unterwegs zu sein, andere Musiker zu treffen und mit ihnen zu spielen. Genauso gehört es zu ihrem Leben, anderen Leuten auf der ganzen Welt zu helfen, ihnen mit ihrer Musik Freude und manchmal auch Trost zu spenden.

Auch in Mossul im Irak spielte Theresia Philipp schon, hier ein Foto von den Proben für das Konzert.
Auch in Mossul im Irak spielte Theresia Philipp schon, hier ein Foto von den Proben für das Konzert. © privat/Theresia Philipp

Sie erzählt von einer Reise im September 2023 nach Mossul im Irak, wo sie am Mosul Music Heritage Festival teilnahm. Theresia Philipp war in Bagdad gelandet, wurde dann von Sicherheitskräften mit einem Auto nach Mossul gebracht. „Plötzlich hielt das Auto, nachts, irgendwo im Niemandsland. Ich sitze mit zwei bewaffneten Sicherheitsleuten im Fahrzeug und bin vor Angst wie gelähmt“, erzählt sie. Dann muss sie umsteigen in ein anderes Auto, weiß nicht, ob das so geplant ist. Letztlich landet sie dann doch im Hotel in Mossul, der Umstieg war eine reine Sicherheitsmaßnahme.

Theresia Philipp unterrichtet Kinder in Namibia

Auch das gehört zum Leben von Theresia Philipp. Doch gerade die Erlebnisse in Mossul hätten ihr viel gegeben, obwohl sie dort so viel Elend und Leid gesehen hat. „Ich habe noch nie so intensiv die Dringlichkeit verspürt, Musik zu machen.“ Sie sei froh gewesen, dass sie in diesem Land mit anderen Musikern spielen konnte, dass Musik erlaubt, Grenzen zu überschreiten und zu vereinen.

Ähnlich ergehe es ihr, wenn sie nach Afrika, nach Namibia, reist. Dort unterrichtet sie Kinder, zeigt ihnen, wie schön Musik sein kann. Sie habe Menschen verschiedener Kulturen kennengelernt und sei ihnen auf Augenhöhe begegnet – unabhängig von Sprache, Kultur oder Religion. Theresia Philipp sagt, dass die vielen Reisen für sie nicht nur ein Privileg sind, sondern dass sie auch Verantwortung bedeuten. Sie wolle anderen Menschen mit ihrer Musik Lebenskraft und Energie geben.

In Afrika unterrichtet Theresia Philipp (2.v.r.) Kinder.
In Afrika unterrichtet Theresia Philipp (2.v.r.) Kinder. © privat/Theresia Philipp

Köln ist Theresia Philipps Lebensmittelpunkt, die Welt ihr Zuhause. Die Saxofonistin weiß, dass für einen Weg wie ihren Motivation allein nicht ausreicht. Auch ganz viel Disziplin und die Neugier, sich weiterzuentwickeln, gehören dazu. Das sind Dinge, die sie jungen Musikern, auch denen vom Oberlichtenauer Spielmannszug, mit auf den Weg gibt. „Man ist nie fertig mit Lernen, man benötigt gnadenlose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, muss auch mal die Komfortzone verlassen und sich Fehler erlauben.“

Die Oberlichtenauer Musiker lauschen gespannt den Worten von Theresia Philipp. Vielleicht schafft es ja jemand von ihnen, einen ähnlichen Weg zu gehen. Weltmeister sind die Spielleute immerhin schon.