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Ausgerechnet im Advent: Kamenzer Protestanten ohne Pfarrer

Die evangelischen Kirchen in Kamenz und Umgebung haben ihre beiden Pfarrer verloren. Wie es nun weitergeht.

Von Torsten Hilscher
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In einer Woche beendet Pfarrer Michael Gärtner seinen Dienst in Kamenz. Seine Frau hat die Gemeinde bereits verlassen. Beide starten neue in der Nähe von Oldenburg.
In einer Woche beendet Pfarrer Michael Gärtner seinen Dienst in Kamenz. Seine Frau hat die Gemeinde bereits verlassen. Beide starten neue in der Nähe von Oldenburg. © Kristin Richter

Kamenz. Kirchenblättl, Kirchenvorstand, Nachbarkirchen - sie alle verbreiten einen demonstrativen Optimismus. Trotzdem ist klar: Die kommenden Wochen werden für die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Kamenz-Cunnersdorf schwer. Denn binnen eines Jahres sind den Christen ihre beiden Pfarrer abhanden gekommen. Das Ehepaar Claudia Wolf und Michael Gärtner.

"Meine Frau hat bei Oldenburg eine Stelle als Seelsorgerin und Pfarrerin in einer Rehaklinik angenommen", erklärt Gärtner den Weggang. Während seine Frau bereits seit Sommer dort ist, hat Gärtner mit Blick auf die ernste Lage in Kamenz noch verlängert. Doch in einer Woche scheidet auch er. Der Resturlaub wird zum Koffer packen genutzt.

Gärtner und seine Familie gehen ohne Groll, betont er. "Wir sind jetzt zwölf Jahre hier gewesen und hatten eine intensive Zeit. Aber es war auch eine Zeit permanenter Veränderungen; immer mehr Gebiete und Aufgaben sind hinzugekommen."

Fachkräftemangel auch bei Pfarrern

Der Hauptgrund für den Weggang beider mit ihrem Sohn sei vielleicht darin zu suchen: "Meine Frau und ich, wir sind jetzt beide Mitte 50. Das ist eine Phase im Leben, in der man eine grundsätzliche Entscheidung trifft. Also nochmal ganz neu anderswo anfangen, oder bleiben."

Nun ist guter Rat teuer in Kamenz. Zwar wurde bereits Anfang 2023 die zuständige Superintendentur einbezogen. Ebenso das Landeskirchenamt in Dresden. Doch die offizielle Ausschreibung für Wolfs Stelle ist seitens der Landeskirche erst seit November erfolgt. Die Ausschreibung für Gärtners Stelle kommt gar erst Anfang 2024, da er offiziell noch bis Jahresende 2023 im Dienst ist, wenngleich die Entpflichtung, wie es im Kirchenamtsdeutsch heißt, bereits am 19. November stattfand.

Die Cunnersdorfer traf es in den vergangenen Monaten besonders hart. Kurz nach Wolfs Weggang verstarb Pfarrer Thomas Enge mit gerade einmal 63 Jahren. Er hatte die damals noch eigenständige Kirchgemeinde zwischen 1991 und 2002 geleitet.

Mehr als 3000 Gemeindemitglieder ohne Pfarrer

Wie ist also der Stand Kamenz-Cunnersdorf (betroffen ist verwaltungstechnisch auch der Bereich Elstra-Prietitz-Schmeckwitz mit 920 eingetragenen Gemeindemitgliedern)?

"Die Gemeindearbeit liegt nicht brach", betont der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Martin Kühne, "wir versuchen im Rahmen des Möglichen, Gottesdienste abzuhalten." Wenn auch nicht mehr an jeden Sonntag. Das heißt, es gibt entweder einen Gottesdienst in Cunnersdorf oder in Kamenz. Dabei helfen würden ehrenamtliche Lektoren und Prädikanten. Angedacht sind zum Beispiel reine Lesegottesdienste. Eine große Stütze sei das Kantorenehepaar Pöche.

Kantor Michael Pöche reicht den Ball gern weiter: "Wir sind sehr froh über unseren Diakon Alexander Przyborowski." Dieser decke in seiner Funktion als Gemeindepädagoge viel ab, zugleich berechtige ihn seine Qualifikation zum Diakon zu weitreichenden gottesdienstdienstlichen Handlungen, die sonst nur Pfarrern gestattet sind. "So eine Zeit kann auch sehr kreativ und produktiv sein", spricht Pöche der Gemeinde Mut zu.

Alle Gottesdienste Heilig Abend gesichert

Er betont, dass alle gängigen Termine am Heiligen Abend und darüber hinaus gesichert sind. Also Kindergottesdienst, Krippenspiel und auch der Gottesdienst am 1. Feiertag mit Posaunenchor und Gastpfarrer aus Dresden. Gesichert ist ebenso der 2. Feiertag.

Bis dahin und darüber hinaus bekommen die Kamenz-Cunnersdorfer umfangreiche personelle Hilfe, organisiert vom Landeskirchenamt und den Nachbargemeinden. "Pfarrer Raik Fourestier wird die Pfarramtsleitung für die Region Kamenz vertreten und Pfarrerin Katharina Hiecke wird für die Beerdigungen im Bereich Elstra-Prietitz-Schmeckwitz zur Verfügung stehen", schreibt Friedrich Porsch in den aktuellen Kirchennachrichten.

Er wiederum kommt aus Schwepnitz, wo er seit 2014 die Kirchgemeinde Schwepnitz-Neukirch-Schmorkau als Pfarrer betreut. Seit März 2023 ist er auch für die evangelische Gemeinde Großgrabe zuständig. Bis zur Neubesetzung wird er Kamenz-Cunnersdorf sowie Elstra-Prietitz-Schmeckwitz übernehmen.

Keine schnelle Lösung für fehlende Pfarrer in Kamenz

Tenor aller ist: Das Dilemma ohne Kamenzer Pfarrer in Residenz wird noch ein Weilchen so bleiben. Denn die Situation "bei Kirchens" ist nicht anders als im sonstigen Land. "Es herrscht wirklich Fachkräftemangel", sagt der scheidende Pfarrer Gärtner. Anders als noch vor zwei Jahrzehnten würden viel zu wenig junge Menschen Theologie studieren, um sich anschließend zum Pfarrer ordinieren zu lassen.

Bis vor kaum 15 Jahren war das noch anders: Auf dem Gebiet der Landeskirche Sachsens gab es einen Überschuss an Pfarrerinnen und Pfarrern, einige saßen in der Arbeitslosigkeit oder überbrückten mit anderen Diensten, zum Beispiel Seelsorge oder Religionsunterricht in Schulen.

Inzwischen werden Pfarrer wieder händeringend gesucht. Und nicht nur die. So fehlt den Kamenz-Cunnersdorfern sowie den Gemeindemitgliedern in Oßling auch ein Gemeindepädagoge. Hier wie dort heißt es: Interessenten herzlich willkommen!