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„Leute, geht zur Vorsorge“: Wie die Diagnose Krebs das Leben eines Kamenzers veränderte

Mit 41 Jahren dachte Stefan Vetter an vieles: Die Firma, den Hausbau, neue Geschäftsfelder. Doch dann kam der Krebs. Und er sieht seitdem manches anders.

Von Ina Förster
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Eine Krebsdiagnose veränderte das Leben von Stefan Vetter aus Kamenz 2023 grundlegend. Für ihn war das der Aufwachmoment seines Lebens.
Eine Krebsdiagnose veränderte das Leben von Stefan Vetter aus Kamenz 2023 grundlegend. Für ihn war das der Aufwachmoment seines Lebens. © Matthias Schumann

Kamenz. Es ist Februar 2024. Genau 7.20 Uhr in der Früh. Der Mann hat eine Tasse Ayurveda-Tee in der Hand, schaut entspannt in den Vorgarten. Hinterm Haus blitzen die ersten zarten Knospen an den Bäumen. "Wie schön", denkt er sich. Auch aus zehn Meter Entfernung sieht Stefan Vetter das. Früher hätte er direkt daran vorbeilaufen können - es wäre ihm wahrscheinlich nicht aufgefallen. Nun schon. Eigentlich, seitdem er im letzten Jahr eine schlimme Diagnose verkraften musste: Nierenkrebs! Die Krankheit, die Operationen, die Angst, das Wieder-auf-die-Beine-Kommen - das alles habe ihn verändert.

Frühling, Sommer, Herbst, Winter - früher zählte das Leben nicht in Jahreszeiten. Meditieren, mal ruhig machen. Sich gesund ernähren kam eher nicht in Frage. Für den Kamenzer Geschäftsmann zählten andere Dinge. Die Versorgung seiner Familie zum Beispiel, der anstehende Hausneubau. Und der weitere Ausbau seines Unternehmens Lausitzer Gebäudeservice (LGS), das er 2004 gegründet hat.

Große Verantwortung für Mitarbeiter

36 Mitarbeiter stehen bei ihm in Lohn und Brot. Gebäudereiniger, Objektpfleger, Büroangestellte. Menschen, denen man pünktlich den Lohn auszahlen will. Und Vetter hat einen Anspruch. Service, Qualität und dabei Mensch bleiben. Die LGS zahlt über Tarif. Es gibt Bonis und ein eigenes Gesundheitsmanagement.

An Aufträgen mangelt es nicht. Auch nicht an Mitarbeitern und Lob. Es mangelt eher an Ruhephasen für den Chef. "Mein Stresslevel war mega hoch", gesteht Stefan Vetter. Zwischen Geschäftsterminen, Kundengesprächen, Akquisen und Bürojob, wird oft nur hastig und ungesund gegessen. Für seinen geliebten Fußball ist immer weniger Zeit. Zu wenig Schlaf, zu wenig gesunde Verhaltensmuster. Ein Teufelskreis.

Mit Rückenschmerzen fing es an

"Vor allem in den letzten fünf, sechs Jahren habe ich echten Raubbau an meinem Körper betrieben", sagt Stefan Vetter. Gemerkt hat er es nicht. Erst als 2023 wieder einmal eine Routinekontrolle beim Hausarzt ansteht, wendet sich das Blatt. "Ich habe glücklicherweise regelmäßige Check-up mit Ultraschall gemacht", erzählt der Kamenzer.

In letzter Zeit plagten ihn Rückenschmerzen. Da er an Morbus Scheuermann leidet, einer Wachstumsstörung der Wirbelsäule im Jugendalter, denkt er auch diesmal, dass die Beschwerden daher rühren. Sein Glück: Gerade hat er seinen Hausarzt gewechselt. "Irgendetwas hatte mir gesagt: Suche dir jemanden, der sich kümmert, der dem Patienten gut zuhört. Das habe ich schon lange machen wollen. Und von der neuen Praxis von Dr. Franca Leuschner hörte man nur gute Dinge", sagt er.

Schlimmste Befürchtung bestätigt sich

Deren Mann, Dr. Sven Leuschner, ist Gastroenterologe. Zusammen praktizieren sie seit Anfang 2023 im alten Barmherzigkeitsstift von Kamenz. Der Ultraschall beim Facharzt bringt es ans Licht: Da ist etwas an Stefan Vetters Niere. Vielleicht eine Zyste. Vielleicht auch mehr. "Ganz ehrlich? Ich wusste schon den Abend zuvor, dass man etwas finden würde", erzählt der 42-Jährige heute. Aber wer habe schon an Krebs gedacht.

Auch wenn noch ein MRT aussteht, auch wenn keiner in diesem Moment sagen kann, was da genau zu sehen ist, kann der Familienvater seine Angst nicht mehr einsperren. Auch, wenn alles noch irgendwie "semi-schlimm" ist, flüstert sie ihm Dinge ins Ohr, die niemand hören will. Die Diagnose eine Woche später bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: Ein Tumor, höchstwahrscheinlich bösartig, drei Zentimeter groß schon, trotzdem langsam wachsend, sitzt da auf seiner rechten Niere.

Noch nie vorher krank gewesen

"Da läuft plötzlich ein Film im Kopf ab. War's das jetzt? Warum ich und warum gerade jetzt?", erinnert sich Stefan Vetter. Und vor allem auch dieser Gedanke: "Ich habe doch noch gar nicht richtig gelebt! Habe immer nur gearbeitet, wenig von der Welt gesehen!" Bruchstückhaft kommt alles hoch. Vetter stellt sein ganzes Leben auf den Prüfstand. Und weiß auch schnell, dass nichts mehr so sein wird, wie es war. Egal wie die Sache ausgeht.

Seine Partnerin ist an seiner Seite, unterstützt ihn. Und seine neue Ärztin setzt alle Hebel in Bewegung. Im Diakonissen Krankenhaus in Dresden hat er eine Woche später sein erstes Arztgespräch für die anstehende Operation. Der Tumor muss raus. Man muss sehen, womit man es zu tun hat. Die Krankenhaus-Maschinerie läuft an. Für einen, der noch nie krank war, kein Krankenzimmer von innen gesehen hat, eine Herausforderung! Narkose, Schläuche, Drähte, Katheder. "Vor allem die Tage danach waren ein einschneidendes Erlebnis", so Stefan Vetter.

Rückblickend betrachtet, hatte er Glück, kann sich nur bei seinen Ärzten bedanken. Der Krebs hat noch nicht gestreut. Der Tumor wird in die Kategorie A1 klassifiziert, was gut ist. Die Heilungschancen stehen gut, keine Chemo, keine Bestrahlung. Die Firma läuft dank seinem tollen Team unbeschwert weiter. Er kämpft sich peu à peu zurück. Die erste Nachkontrolle im September 2023 verläuft gut. Die zweite vor ein paar Wochen auch. Es waren nicht die letzten.

Leben umgekrempelt nach dem Krebs

"Es gibt wahrlich schlimmere Schicksale. Und ich erzähle das alles nicht, weil ich Mitleid will. Das liegt mir fern", sagt der Kamenzer. Aber er habe etwas zu sagen. "Leute, geht zur Vorsorge! Und passt auf, wie ihr lebt! Geht raus, bewegt Euch! Hört auf, schlechtes Zeug zu essen!" Und genießt das Leben. Diese Krankheit sei für ihn der berüchtigte Schuss vor den Bug gewesen. Nichts sei in seinen Augen Zufall!

Stefan Vetter hat sein Leben im wahrsten Sinne umgekrempelt, trinkt wenig bis keinen Alkohol, ernährt sich gesund, nimmt sich Auszeiten. Keine Softdrinks, nur Tee und Wasser. "Wir haben viele Fertiggerichte und eingeschweißte Lebensmittel aus dem Kühlschrank verbannt und kochen frisch. Viel Gemüse, wenig Fleisch. Wenn nötig, dann nur Geflügel! Ich meditiere oft, fahre bewusst Stress runter. Und treibe regelmäßig Sport, der war auch mein größter Halt", meint er.

Bei der 1. Männermannschaft des SV Einheit Kamenz steht Stefan Vetter wieder im Tor. "Als ich meinen Jungs letztes Jahr sagen musste, dass ich Krebs hab, haben wir zusammen ne Runde geheult", gesteht er.