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Königsbrücker Heide wird Deutschlands erstes Wildnisgebiet

Aus dem früheren Truppenübungsplatz ist ein Naturschutzgebiet geworden, das jetzt einen besonderen Status bekommen soll. Was das bedeutet und wie es nun weitergeht.

Von Heike Garten
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Teresa Brose, Pressesprecherin der Verwaltung des Naturschutzgebietes Königsbrücker Heide, steigt auf den Haselbergturm. Von hier aus bietet sich ein wunderbarer Blick auf das Wildnisgebiet.
Teresa Brose, Pressesprecherin der Verwaltung des Naturschutzgebietes Königsbrücker Heide, steigt auf den Haselbergturm. Von hier aus bietet sich ein wunderbarer Blick auf das Wildnisgebiet. © Anne Hasselbach

Königsbrück. Es ist idyllisch und herrlich ruhig. Wer einen Ausflug in die Königsbrücker Heide unternimmt, kann die Ruhe genießen, Vögel, Insekten und andere Tiere beobachten und einfach mal vom Alltag abschalten. Seit der Wende hat sich das riesige Areal von einer ehemals militärisch genutzten Fläche zu einem Naturparadies entwickelt.

Deutschlandweit hat die Königsbrücker Heide zwar nicht den Bekanntheitsgrad wie zum Beispiel die Sächsische Schweiz, aber das könnte sich künftig ändern. Denn das sächsische Umweltministerium hat bei der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) den Antrag auf Anerkennung der Königsbrücker Heide als Wildnisgebiet gestellt. Sie wäre damit Deutschlands erstes international anerkanntes Wildnisgebiet. „Wir rechnen in den nächsten Wochen mit einer Antwort, hoffen auch, dass Mitarbeiter des IUCN nach Königsbrück kommen und sich die Bedingungen vor Ort anschauen“, erklärt Jürgen Stein, Leiter der Verwaltung des Naturschutzgebietes (NSG) Königsbrücker Heide.

Die Natur wird sich selbst überlassen

Doch was kann man sich unter einem Wildnisgebiet in Deutschland vorstellen? „Wir überlassen die Natur sich selbst, das Wachstum der Pflanzen, die umgefallenen Bäume, die Ansiedlung von Insekten und anderen Tieren“, erklärt Teresa Brose, Pressesprecherin der Verwaltung. Ähnlich ist es in der Kernzone des Nationalparkes Sächsische Schweiz, nur dass das Gebiet in Königsbrück wesentlich größer ist. In der Königsbrücker Heide werden etwa 5.600 Hektar sich selbst überlassen. Das Naturschutzgebiet ist insgesamt rund 7.000 Hektar groß.

Das Besondere am Königsbrücker Gebiet ist, dass aufgrund der Standortverhältnisse eine Vielzahl von Lebensräumen existiert. So gibt es neben trockenen Kiefer-, Eichen- und Birkenwäldern auch Weichholzauen, trockene Heiden, Dünen, etwa 500 Hektar Moore, natürliche Bäche mit einer Länge von etwa 100 Kilometer und stehende Gewässer mit einer Größe von 60 Hektar. Dazu gehören ehemalige Teiche und Aufstauungen vom Biber.

Die Natur wird in der Königsbrücker Heide sich selbst überlassen. So gibt es hier auch fast verwunschene Seen.
Die Natur wird in der Königsbrücker Heide sich selbst überlassen. So gibt es hier auch fast verwunschene Seen. © Archivfoto: René Plaul

„Diese Mischung von trockenen und feuchten Gebieten ist ziemlich einmalig in Deutschland, da auf anderen ehemaligen Truppenübungsplätzen oft nur ein oder zwei Vegetationsformen vorherrschen“, erklärt Teresa Brose. Als Beispiel nennt sie die ehemaligen Truppenübungsplätze in Brandenburg mit meist sandigen Böden oder den Nationalpark Berchtesgaden in den Alpen, der von Wäldern und Felsgebirge geprägt ist.

Neues Besucherzentrum geplant

Mit der Anerkennung als Wildnisgebiet sind allerdings auch weitere Anstrengungen notwendig. So benötigt das Schutzgebiet beispielsweise ein Informations- und Besucherzentrum als Begegnungs- und Bildungsstätte. Dieses müsste neu gebaut werden. Jürgen Stein stellte jetzt dem Stadtrat von Königsbrück unter dem Motto „Wo Mensch und Wildnis sich begegnen“ erste Pläne dafür vor.

Nachdem 2022 eine Projektskizze entstand, folgt dieses Jahr die Entwicklung einer Grundkonzeption. Geplant ist ein „Haus zur Wildnis“ mit einer Hauptnutzungsfläche von etwa 600 Quadratmetern. Es soll über einen Besucherempfang, einen Vortrags- und Seminarraum, einen Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche, ein gastronomisches Angebot sowie einen Naturerlebnisbereich im Freien verfügen. Das Gebäude soll Anforderungen der Klimaneutralität gerecht werden, also zum großen Teil aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz gebaut werden. Für das Gesamtprojekt wäre eine Investition von etwa acht Millionen Euro notwendig.

Diskussion zum Standort für das Haus zur Wildnis

Noch steht nicht fest, auf welcher Fläche das Haus zur Wildnis gebaut werden soll. Die NSG-Verwaltung favorisiert eine Fläche zwischen am Rande des Schutzgebietes am Ende der Steinborner Straße. Das Land gehört der Stadt Königsbrück, das der Freistaat Sachsen als Eigentümer des Naturschutzgebietes kaufen müsste.

Im Stadtrat wurde gerade bezüglich des angedachten Standortes diskutiert. „Das Projekt ist auf ein positives Echo bei den Stadträten gestoßen. Allerdings gab es geteilte Meinungen zum Standort“, erklärt Königsbrücks Bürgermeister Heiko Driesnack (CDU). Denn für die Fläche, in deren Nähe sich ein Solarpark befindet, gebe es eben auch Entwicklungspotenzial in andere Richtungen. Man habe die NSG-Verwaltung daher gebeten, nach Möglichkeiten für eine Alternative zu schauen.

Naturschutzgebiet soll noch größer werden

Für die Konzeptentwicklung für das Haus zur Wildnis wird eine Arbeitsgruppe gebildet, in der unter anderem der Königsbrücker Bürgermeister, die Regionalmanagerin der Leader-Region Dresdner Heidebogen, Susanne Dannenberg, und Fachexperten mitarbeiten werden.

Das Haus zur Wildnis ist aber nur ein Vorhaben. Nach Aussage von Teresa Brose ist zudem geplant, weitere Flächen – etwa 100 Hektar – zum jetzigen Naturschutzgebiet dazuzuschlagen.

Und auch personell soll die NSG-Verwaltung perspektivisch gestärkt werden. Zunächst wird in den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung investiert, da das Haus zur Wildnis weitere Angebote für Interessierte, vor allem auch für junge Menschen unterbreiten soll. „Junge Menschen sollen mit den Fragen des Naturschutzes vertraut gemacht werden“, nennt Jürgen Stein ein Anliegen. Die Königsbrücker Heide bietet eine Menge Potenzial, um diesem Anliegen gereicht zu werden.