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Unverständnis und Ärger über Kahlschlag am Bahndamm in Pulsnitz

Entlang der Bahnstrecke zwischen Pulsnitz-Süd und Pulsnitz wurden Bäume gefällt und Sträucher gerodet. Nicht nur Anwohner sind entsetzt.

Von Heike Garten
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So sieht es jetzt am Bahndamm in Pulsnitz zwischen der Feld- und der Poststraße aus. Hier wächst nichts mehr.
So sieht es jetzt am Bahndamm in Pulsnitz zwischen der Feld- und der Poststraße aus. Hier wächst nichts mehr. © Anne Hasselbach

Pulsnitz. Es ist ein erschreckender Anblick: Bäume gefällt, Sträucher entfernt, kein Grün mehr. An der Bahnstrecke innerhalb von Pulsnitz zwischen den Bahnhöfen Süd und Pulsnitz wurde in den vergangenen Wochen ein regelrechter Kahlschlag betrieben. Nur noch die Stümpfe der Bäume ragen aus der Erde – und das beidseitig auf der gesamten Böschung zwischen der Feld- und der Poststraße.

Yvette Steglich aus Pulsnitz stößt der Kahlschlag am Bahndamm gewaltig auf. In einem Brief an die SZ-Redaktion äußert sie ihre Bedenken: „Es ist mir unbegreiflich, wie in Zeiten von Klimawandel und stetig steigenden Temperaturen ein ganzer Bahndamm entgrünt wird“. Mit dem Wegfall der Bäume hätten die Anwohner weder Sicht-, noch Schall- oder Sonnenschutz. „Der ohnehin schon trockene Bahndamm trocknet immer weiter aus. Selbst Bodendecker wachsen nicht mehr. Der Boden wird abgetragen und in unseren Garten geschwemmt, da die Rückhaltefunktion durch die Bäume nicht mehr gegeben ist“, schreibt sie.

Lebensraum für Vögel und Eichhörnchen ist verschwunden

Und auf noch ein Problem macht die Pulsnitzerin aufmerksam. Durch den zeitig eingezogenen Frühling hätten bereits Vögel in den angebrachten Nistkästen genistet. Außerdem lebten Eichelhäher und Eichhörnchen in den Bäumen und Sträuchern am Bahndamm. „Wo sollen die denn hin? In der Innenstadt gibt es keinen adäquaten Lebensraum“, so Yvette Steglich.

Die Pulsnitzerin erwartet von der Bundesregierung, in der auch Mitglieder der Grünen vertreten sind, und der Deutschen Bahn, dass der Baumbestand im Interesse aller geschützt wird. „Überall wird von zusätzlicher Begrünung der Städte gesprochen. Hier wird alles abgeholzt und große Flächen werden in eine Wüste verwandelt.“

Auch im Pulsnitzer Stadtrat kam das Thema zur Sprache. Andreas Schieblich (FDP) fragte, warum am Bahndamm die Bäume in Größenordnungen gefällt werden. Die Stadt Pulsnitz hat eine entsprechende Anfrage an das Landratsamt Bautzen weitergeleitet. „Von dort kam die Antwort, dass kein Verstoß vorliegt. Wir als Stadt können da nichts machen“, erklärt Stadtsprecher Dr. Michael Eckardt auf Nachfrage von Sächsische.de.

Genehmigung vom Naturschutz nicht erforderlich

Von der Pressestelle des Landratsamtes bekam Sächsische.de die Antwort, dass entlang der Bahnstrecken im Landkreis Bautzen Fäll- und Schnittarbeiten erfolgt sind. „Die Arbeiten fanden außerhalb des Fällverbotszeitraumes vom 1. März bis 30. September statt“, erklärt Pressesprecherin Anne Kretschmar. Es handele sich um Arbeiten an technischen Anlagen mit erhöhten Verkehrssicherungspflichten. Dazu sei die Deutsche Bahn verpflichtet. „In diesen Fällen sieht der Gesetzgeber grundsätzlich keine Genehmigung durch die Naturschutzbehörde vor“, heißt es weiter. Die Arbeiten werden lediglich bei der zuständigen Behörde angezeigt.

Jörg Bönisch, Pressesprecher der Deutschen Bahn für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, bestätigt die Arbeiten am Bahndamm zwischen Pulsnitz und Pulsnitz-Süd, die im Januar und Februar 2024 ausgeführt worden sind. Er spricht in diesem Zusammenhang von Rückschnittarbeiten von Sträuchern und an einzelnen Bäumen. Vereinzelt seien auch Bäume gefällt worden. Das Bild vor Ort zeigt aber, dass gar keine Bäume mehr stehen. Die Fällungen begründet Jörg Bönisch so: „Die gefällten Bäume hatten größtenteils Standsicherheitsprobleme im Dammbereich“. Weitere Gehölzschnittarbeiten im Bereich zwischen Radeberg und Kamenz, in dem sich auch der der Abschnitt Pulsnitz befindet, seien nicht geplant.

Bahn beobachtet Vegetation vom Weltraum aus

Die Arbeiten fallen in das erweiterte Vegetationsmanagement der Deutschen Bahn, das es für ganz Deutschland gibt. Es soll für mehr Sturmsicherheit sorgen, damit keine Bäume bei extremen Witterungsbedingungen auf die Gleise fallen. Die Bahn gibt laut eigenen Angaben jährlich rund 125 Millionen Euro für die Pflege des Baumbestandes aus. Expertenteams und über 1.000 Forstarbeiter sind dafür im Einsatz.

Um gefährdete Bäume noch besser zu erkennen, setzt die Bahn sogar auf Beobachtung aus dem Weltraum und Künstliche Intelligenz (KI). Satellitenfernerkundung nennt sich das. Dabei erhält die Bahn Informationen über die Vegetation am Gleis per Satellit aus dem All. So können sehr schnell auch große Flächen gecheckt werden. „Um die Qualität der Satellitendaten zu sichern, finden vor Ort zusätzliche Feldbegehungen mit den DB-Forstexperten statt. Dabei wird genau geprüft, ob die via Satellit generierten Informationen mit der Realität übereinstimmen“, so die Bahn. Anschließend fließen die Daten mit weiteren Informationen in digitale Karten ein, die die Vegetationspflege noch besser und effizienter ermöglichen sollen.

Das alles mag aus Sicht der Bahn und auch deren Kunden wichtig und richtig sein. Die Pulsnitzer verstehen aber trotzdem nicht, warum in ihrer Stadt der Bahndamm komplett entgrünt wurde und nur noch eine kahle Fläche mit Baumstümpfen zu sehen ist.