SZ + Kamenz
Merken

Kamenzer Oberbürgermeister: "Wir rücken vom Speckgürtel in die Mitte der Schwarte"

Ärger mit der S-Bahn, Neuansiedlungen, Dresden vor der Haustür - es wird nicht langweilig in Kamenz. Sächsische.de sprach mit OB Roland Dantz über den Stand der Dinge.

Von Torsten Hilscher
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sächsische.de-Redakteur Torsten Hilscher (l.) im Gespräch mit dem Kamenzer OB Roland Dantz.
Sächsische.de-Redakteur Torsten Hilscher (l.) im Gespräch mit dem Kamenzer OB Roland Dantz. © Foto: Anne Hasselbach

Kamenz. Kaum ein sächsischer Kommunalpolitiker hält so lange die Stellung wie er: Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) sitzt seit Ende der 1980er-Jahre im Rathaus, inzwischen fast 20 Jahre als Stadtoberhaupt. Nicht immer zur Zufriedenheit aller, doch auffallend engagiert und aktiv, wie selbst politische Gegner einräumen. Bald aber muss er loslassen. Im Gespräch mit Sächsische.de gibt der Politiker einen Überblick, wo die Stadt steht.

Herr Dantz, macht sich nach so langer Zeit nicht Amtsmüdigkeit breit?

Nein, wir haben noch viel vor. Ich bin ein rundum glücklicher Mensch. Ich bin klar in meiner Mitte. Das nach außen zu tragen, hilft - gerade bei der Lösung von Problemen.

Sie sind bis 2025 im Amt und dürfen danach aus Altersgründen nicht mehr kandidieren. Ist zumindest zu erwarten, dass aus dem Parteilosen noch ein Parteimitglied wird?

Nein, das ist nicht zu erwarten.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat?

Da sind wir - im besten Sinne für die Leute - zusammengewachsen.

"Ich rede mit jeder Partei"

Klingt fast ideal. "Zusammen" heißt in diesem Falle auch Zusammenarbeit mit der AfD. Was halten Sie von einer sogenannten Brandmauer in diese Richtung?

Wir brauchen keine Brandmauer im Sinne politischer Abgrenzung oder Ausgrenzung. Es ist für mich unglaublich wichtig, mit jedem und jeder Partei zu reden! Das Einzige, was wir brauchen, sind bestenfalls Brandmauern gegen Ignoranz und Dummheit. Das kann die von anderen sein, das kann aber auch unsere eigene sein. Wir sind alle nur Menschen. Es geht um Respekt und um die Einsicht, dass es in einer Gemeinschaft Leute gibt, die unterschiedlich denken: von links bis rechtskonservativ.

Nun gibt es innerhalb der AfD programmatische und ideologische Ansätze, mit denen ein liberaldenkender OB doch Schwierigkeiten haben dürfte. Einige Aussagen werfen Fragen auf.

Nennen Sie mir eine.

"Holt euch eure Heimat zurück." Das suggeriert Verlust und Opfer-Status.

Dieses Beispiel ist politische Zuspitzung. Doch wenn man genau hinschaut, ist doch der Heimatbegriff in unserer Parteienlandschaft in der Zwischenzeit etabliert. Das war nicht immer so.

Die Frage ist doch, wie es gemeint ist.

Richtig, es kommt schnell der Punkt, wo ich mich frage, wo ist die Grenze der Übereinstimmung. Eine Brandmauer jedoch schließt aus, dass ich diesen Gedankengang überhaupt mache. Ich war immer der Überzeugung: So ein Abgrenzungs- und Diskriminierungsgedanke wird sich totlaufen. Entweder, dass diejenigen, die so behandelt werden, marginalisiert sind. Oder, wenn sie in der Hinsicht wachsen, was bei der AfD der Fall ist, dass eine Wählermehrheit sich repräsentiert fühlen will.

"Respekt und Toleranz sind für mich essentiell"

Demgegenüber steht, wie sie repräsentiert werden: Vielerorts agiert die AfD destruktiv oder verhält sich den demokratischen Gremien gegenüber verächtlich.

Ich habe in der gesamten Legislatur hier nicht einmal erlebt, dass sich die AfD destruktiv oder zerstörerisch bewegt. Doch ich bin nicht naiv, das wird es schon andernorts geben. Das hängt ja auch von den Personen ab; aber auch, wie ich in den Wald hinein rufe. Respekt und Toleranz sind für mich essentiell.

Bis zum Zusammentreffen der Krisen aus Corona, Inflation, Ukraine-Krieg sowie Handwerker- und Materialmangel galt Kamenz als Speckgürtel von Dresden, also auch als Ausweichort für Wohnraumsuchende/Häuslebauer aus der Landeshauptstadt.

Das sind wir noch! Die Ausrichtung unserer Perspektive gemeinsam mit anderen Städten des Umlandes gilt nach wie vor: Wachstumsregion Dresden. Um im Bild des Speckgürtels zu bleiben: Momentan sind wir am oberen Rand der Schwarte. Wenn aber Dresden weiter wächst, was mit den Tech-Ansiedlungen passieren wird, dann rücken wir in die Mitte.

Trotz Baukrise?

Da denken wir eher mittelfristig. Klar, momentan stagniert es, und in Dresden gibt es noch Potentiale. Wenn aber die Nachfrage wieder anzieht, dann können wir in Kamenz nicht nur preislich mitspielen.

"S8-Verlängerung muss endlich kommen"

Umso mehr muss es Kamenz doch aber ärgern, wenn's ständig bei der S-Bahn klemmt.

Wir haben in den vergangenen Wochen sehr intensiv mit DB Regio kommuniziert, Vertreter waren hier im Stadtrat. Denn die S8 aus Dresden ist für unseren Wirtschaftsraum eine Hauptschlagader. Der Halbstundentakt war ein großer Durchbruch. Aber was steckt denn dahinter?! Es holen uns Dinge aus der Vergangenheit ein. Wenn eine Verkehrswende proklamiert wird, muss die Frage nach den Zugführern und nach den Wartungsintervallen beantwortet sein.

Die Entwicklung der DB war aber in den vergangenen Jahrzehnten anders ausgerichtet. Nämlich auf Wettbewerb. Der hat stattgefunden, aber auf dem Rücken des Zugpersonals und der Infrastruktur. Es wäre ein Aberglaube zu glauben, dass 2024 die Probleme gelöst sind. Auch bei der Verlängerung der S8 nach Hosena muss die DB eigentlich schneller vorankommen. Schließlich stehen wir in einem Standortwettbewerb!

...wozu auch ausreichend Parkplätze gehören.

Wir arbeiten an der Erweiterung des Parkraumpotenzials am Bahnhof, gemeinsam mit dem VVO. Auf der anderen Seite entstehen 100, 120 ebenerdige Stellplätze. Stromtankstellen gibt es am Markt, an der Stadtinfo, am Gymnasium und am Hutberg - und dann etwas später auch am Bahnhof, aber eben auch an einigen Supermärkten.

Welche Wirtschaftsnachrichten haben Sie?

Momentan entwickelt die Stadt Bernsdorf vis à vis von TDDK einen Industrie- und Gewerbepark. Dort soll sich ein Wärmepumpenhersteller mit 400 Beschäftigten ansiedeln. Wir besitzen dort 27 Hektar Fläche. Die werden wir verkaufen, um mit zu helfen. Übrigens erweitert TDDK.

Gibt es Neuigkeiten zum Kamenzer "Flughafen"? Auch dort ist die Stadt bereits mehrfach in Vorleistungen gegangen.

Hinter dem Verkehrslandeplatz hat eine Gruppe aus Berlin knapp 20 Hektar Gewerbefläche erworben. Dort soll ein neuer Gewerbe- und Logistikpark mit 70.000 Quadratmetern Hallenfläche entstehen. Zudem gibt es auf dem Landeplatz weitere Erschließungen. Vier ,Hangarierungen' (Anm. d. Red.: künftige Unterstellmöglichkeiten für Flugzeuge) werden dort vorgenommen, auch eine Flugschule siedelt sich an.