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Kamenz ist Sachsens Versuchslabor für Drohnen

Waren liefern, Waldbrände erkennen und Leben retten: All das testen Forscher in Kamenz mit Hilfe von Drohnen. Testflüge gehen bald weit ins Lausitzer Land hinein.

Von Torsten Hilscher
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Die drei vom Drohnenflugplatz: Silas Polei, Timon Slowik und Florian Helm (v.l.).
Die drei vom Drohnenflugplatz: Silas Polei, Timon Slowik und Florian Helm (v.l.). © Anne Hasselbach

Kamenz. Der Weg zur Zukunft des sächsischen Drohnenverkehrs führt vorbei an Luftfahrtgeschichte: Im Treppenhaus des Kamenzer Flugplatztowers erzählen Bildtafeln von historischer Luftfahrttechnik, von Luftschiffbau und waghalsigen Landungen, von der Doppeldecker-Flugentwicklung und von faschistischen Fliegerstaffeln aus dem Zweiten Weltkrieg.

Dann, an einer unscheinbaren Tür, drei Buchstaben: AEF. Sie stehen für das Kompetenzzentrum Autonomes elektrisches Fliegen. Hinter der Tür warten bereits drei junge Männer. Florian Helm, Timon Slowik und Silas Polei. Polei ist mit seinen 17 Jahren Jüngster in der Runde. Der Praktikant. Es ist bereits sein zweites Schülerpraktikum bei den Kamenzer Drohnenforschern und zugleich die Vorstufe für die eigene Zukunft im Metier: Nächstes Jahr will er sein Abi bauen und dann an der TU Dresden Luftfahrttechnik studieren.

Drohnen-Forschung zieht viele junge Leute an

Timon Slowik geht diesen Weg bereits seit fünf Jahren. Gerade sitzt er an seiner Diplomarbeit. "Das wollte ich ausdrücklich nicht an der Uni tun, sondern bei einer technologisch-innovativen Firma", sagt er. Und weil es um Effizienzsteigerungen und neue Antriebstechnik für Drohnen und Flugtechnik geht, zum Beispiel hinsichtlich längerer Flugzeiten, hat sich der 24-Jährige dem AEF-Team angeschlossen.

Hier kommt Florian Helm ins Spiel. Er hat sein Diplom bereits in der Tasche. Jetzt fungiert er, mit gerade 27 Jahren, im Kamenzer Tower als Technischer Leiter, genauer als sogenannter AEF-UAS-Flugbetriebsleiter und beim Luftfahrt Bundesamt gelisteter UAS-Fernpilotenausbilder. UAS heißt in der internationalen Luftfahrtsprache Unmanned Aircraft System, also Unbemanntes Luftfahrtsystem.

Wissenschaftlich geht auf Helms Konto bislang unter anderem die Integration eines Brandmeldesensors, der beim Drohnenflug Glut oder Flammen am Boden erkennen, analysieren und verorten kann. Am Kamenzer Flugplatz gefällt Helm die Verbindung aus Flughistorie und Zukunftsgestaltung: "Hier haben wir zunächst unendlich viel Testmöglichkeiten."

Kamenz wird erstes Drehkreuz für Linienflugverkehr

Den dreien steht Projektleiter Axel Schober zur Seite. "Was Schwarm- und Linienverkehr von Drohnen angeht, sind wir das Versuchslabor für Sachsen", erklärt er. Alle Erkenntnisse, die hier gewonnen werden, ob technischer, logistischer oder luftrechtlicher Art, sollen später im gesamten Freistaat genutzt werden. Sehnsüchtig warten Schober und seine jungen Kollegen auf die ersten Fluggenehmigungen, die ihnen serielles Fliegen auch außerhalb des Kamenzer Flugfeldes ermöglichen.

Axel Schober ist Projektleiter am Kompetenzzentrum Autonomes elektrisches Fliegen in Kamenz.
Axel Schober ist Projektleiter am Kompetenzzentrum Autonomes elektrisches Fliegen in Kamenz. © Anne Hasselbach

"Eigentlich sollten sie bereits da sein, nun rechnen wir täglich mit dem Eintreffen vom Bescheid des Luftfahrt Bundesamtes", erklärt Schober. Diese Genehmigungen erlauben die Ausweitung von Flugtests weit ins Lausitzer Land hinein. Der erste Vektor wird Strecken bis zu zehn Kilometern umfassen, wo unter anderem Frachtdrohen automatisiert fliegen dürfen. Ziel ist es, so Schober, ein Gebiet von zirka 1.000 Quadratkilometern mit Regionalflugplätzen östlich von Kamenz einzubinden, darunter Rothenburg-Görlitz.

"Wir erforschen und testen hier in Kamenz neben der Drohnenflugtechnik auch Funkinfrastruktur, 5G/6G und so weiter. Diese muss in bestehende und neue Fluginfrastruktur, zum Beispiel Logistik-Umschlagspunkte, implementiert werden", so Schober. Soll doch das Flugfeld Kamenz zum ersten "Hub" seiner Art werden, also ein Frachtdrehkreuz mit angebundener Fluglogistik. Dafür braucht es Fachleute wie Florian, Timon und Silas.

In drei, vier Jahren fliegen Transportdrohnen über Sachsen

Die drei sind die ersten einer neuen Generation, die als Drohnenspezialisten den Strukturwandel in der Lausitz durch Flugtests, Forschung und Entwicklung aktiv in Sachsen umsetzen und gestalten. Offen für Künstliche Intelligenz, eben UAS, und die moderne Flugtechnik von morgen.

Das Kompetenzzentrum Autonomes elektrisches Fliegen ist stolz darauf, dass vor allem junge Menschen - aus Schule, Berufsausbildung und Studium kommend - sich offen und interessiert den UAS-Themen, der neuen Flugmobilität und der Fernpilotenausbildung zuwenden und sich so frühzeitig berufliche Perspektiven, Studium, Hobbies wie Flugsport oder andere Anwendungsfelder regional erschließen, so Schober. Schon stehen dazu 13- bis 15-jährige Schüler der Schule an der Kamenzer Saarstraße in den Startlöchern.

Denn die Anwendungsfelder neuer Flugtechnik sind vielfältig. Ob zum Transport von Medikamenten, zur Erste-Hilfe-Versorgung, für den Transport von eiligen Paketsendungen, bei Vermessungen, bei der Schadensanalyse, Tierbeobachtung, dem Gewässer- oder Brandschutz - unbemannte Drohnen werden zu unersetzlichen Helfern, welche - ungestört von Stau und ganz ohne Abgase - ferngelenkt Aufgaben erledigen, die heute noch Unsummen kosten. Bereits jetzt scannen Nutzdrohnen Bäume - ja ganze Waldgebiete - auf Schädlingsbefall oder auf Tierseuchen, ebenso Bergbauland, Stichwort Rutschungen, sowie Hausfassaden zur Ermittlung von Wärmebrücken.

Und wann werden nun die ersten Transportdrohnen ihre Bahnen über Sachsen ziehen? "In drei bis vier Jahren", sagt Schober. Für den Verkehr von Flugtaxen würden dann wohl noch weitere drei bis fünf Jahre vergehen.