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„Entlassungen waren unabdingbar“

Die österreichische Zimm Group hat die Firma Getriebe Ohorn übernommen. Der Chef sagt, welche Folgen das hat - für den Betrieb und die Mitarbeiter.

Von Heike Garten
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Nachwuchs selbst heran zu ziehen, wird auch in Zukunft in Ohorn groß geschrieben: Ausbilder Pierre Halm (Mitte) erklärt hier den Drehtechniker-Azubis Michelle Kramer und Niklas Pilz Aufgaben an einer Maschine.
Nachwuchs selbst heran zu ziehen, wird auch in Zukunft in Ohorn groß geschrieben: Ausbilder Pierre Halm (Mitte) erklärt hier den Drehtechniker-Azubis Michelle Kramer und Niklas Pilz Aufgaben an einer Maschine. © Matthias Schumann

Ohorn. Seit Sommer dieses Jahres hat die Firma C. H. Schäfer Getriebe Ohorn einen neuen Eigentümer. Das Vorarlberger Familienunternehmen Zimm Group übernahm das Traditionsunternehmen in der kleinen Gemeinde bei Pulsnitz. Über die Zukunft des Ohorner Standortes sprach Sächsische.de jetzt mit dem neuen Firmenchef Gunther Zimmermann.

Herr Zimmermann, wie kam es zur Übernahme von Getriebe Ohorn durch Ihre Firma?

Das Ohorner Unternehmen bestand aus drei Firmen: C. H. Schäfer, Getriebe Schäfer und Schäfer Komponents. Wir sind bereits seit 30 Jahren der langjährigste Kunde von Getriebe Schäfer, es bestand also ein enger, partnerschaftlicher Kontakt. Ende 2019 ist man seitens Schäfer auf uns zugekommen, weil die gesamte Firmengruppe Liquiditätsprobleme hatte und eine Zukunftsperspektive fehlte. Es war eine Art Hilferuf.

Wie haben Sie reagiert?

Der Hilferuf, wie auch die Möglichkeit, das Ohorner Unternehmen zu übernehmen, haben mir viele schlaflose Nächte bereitet. Wir hatten uns ja vorher nicht mit dem Thema beschäftigt. Aber die Branche ist ähnlich, Zimm verfügt über ein weltweites Vertriebsnetz und Produkte, die mit denen von Schäfer Synergien und Vorteile für unsere gemeinsamen Kunden ergeben.

Gunther Zimmermann ist der neue Firmenchef des Ohorner Unternehmens Schäfer Getriebe.
Gunther Zimmermann ist der neue Firmenchef des Ohorner Unternehmens Schäfer Getriebe. © privat

Wann waren Sie das erste Mal in Ohorn, und wie war Ihr erster Eindruck?

Anfang März waren wir das erste Mal mit unserem Zimm-Führungsteam in Ohorn. Wir fanden ein Unternehmen mit einem großen Potenzial an Fachkräften vor, ganz besonders in der Produktion und mit langjährigen Erfahrungen in der Getriebeentwicklung. Probleme sahen wir im Management und im Vertrieb. Eine Vision für die Zukunft fehlte. Wir haben uns über den Verkauf mit den Firmeninhabern schlussendlich im Juni einigen können. Die Zimm Group hat mit der Übernahme der Schäfer-Gruppe zu 100 Prozent sämtliche Firmenanteile erworben. Als Fazit muss man deutlich sagen: Ohne unsere Übernahme gäbe es Getriebe Ohorn heute nicht mehr.

Wo sehen Sie jetzt die wichtigsten Aufgaben am Ohorner Standort?

Unser Ziel ist es, die drei Ohorner Firmen unter dem Namen Zimm Germany GmbH zu führen. Dazu gehört eine umfangreiche Umstrukturierung. Es geht darum, die Produktion und die Betriebsabläufe effizienter und schlanker zu gestalten. Dazu werden zum Beispiel Abteilungen zusammengelegt und die Fertigungsprozesse optimiert. Die Produkte aus Ohorn sollen künftig über das umfangreiche Vertriebsnetz der gesamten Zimm-Gruppe laufen. Wir sind weltweit in über 40 Ländern aktiv, insgesamt beschäftigen wir nun an vier Standorten etwa 300 Mitarbeiter. Zimm ist Marktführer in Europa, und gemeinsam mit dem Standort in Ohorn wollen wir erreichen, auch weltweit zu den führenden Unternehmen in der Branche zu gehören.

Produktionsstrukturen und Vertrieb sind eine Seite, wie sieht es mit dem Marketing aus?

Das Marketing der Schäfer-Gruppe war bescheiden. Hier werden wir sehr rasch neue Wege beschreiten. Inzwischen gibt es eine neue Website, zeitgemäße Broschüren und Informationen zum Unternehmen, den Produkten und Dienstleistungen.

Das klingt alles ganz optimistisch. Doch was wird mit den Mitarbeitern, die in Ohorn beschäftigt sind?

Aufgrund der aktuellen Umsatz- und Ertragssituation mussten wir längst überfällige Anpassungen vornehmen, die auch für uns nicht angenehm sind. Entlassungen waren unabdingbar. In diesem Zuge haben wir nun 32 von insgesamt 185 Beschäftigten abgebaut. In intensiver Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wurden ihnen zuvor Aufhebungsverträge mit Abfindungen angeboten. Einige Mitarbeiter sind selbst gegangen. Wir haben bei den Entlassungen eine Sozialauswahl treffen müssen. Die ersten Betroffenen sind bereits ausgeschieden. Der ganze Prozess zieht sich bis in den März 2021. Am Ende bleiben etwa 150 Beschäftigte in Ohorn.

Wie haben die Mitarbeiter reagiert, als sie von der Übernahme durch Ihr Unternehmen erfahren haben?

Nach der Übernahme herrschte große Unsicherheit unter der Belegschaft. Was werden die neuen Eigentümer machen, wird es Entlassungen geben, wie geht es weiter, waren oft gestellte Fragen. Es war uns bewusst, dass wir hier ehrlich kommunizieren und rasch eine klare Situation herbeiführen müssen. Wir haben persönlich mit den Mitarbeitern gesprochen und die Belegschaft über die weiteren Schritte informiert. Im August, zwei Monate nach der Übernahme, war geklärt, welche Mitarbeiter im Unternehmen bleiben werden. Damit war die Unsicherheit für die Mitarbeiter vorbei.

Und wie sieht es jetzt mit der Stimmung im Betrieb aus?

Am 30. September gab es noch einmal eine Betriebsversammlung, ich habe dabei viele positive Reaktionen erlebt. Wir haben die neue Führungsstruktur vorgestellt und über  Ziele informiert. Zimm ist ein Familienunternehmen, die Ohorner waren es auch. Dieser Aspekt spielt beim Klima im Unternehmen eine ganz wichtige Rolle. Ich will wissen, ob sich die Beschäftigten im Betrieb wohlfühlen, wo sie Veränderungen und Verbesserungen sehen. Und umgekehrt soll es genauso sein.

Trotz der Entlassungen wollen Sie ja auch wieder Mitarbeiter einstellen. Ist das nicht ein Gegensatz?

Das ist in meinen Augen kein Gegensatz. Wir benötigen die richtigen Leute an den richtigen Stelle. Beispielsweise werden wir die Vertriebsmannschaft mit neuen Mitarbeitern verstärken.

Was heißt das konkret?

Es fehlte bis dato eine prozessorientierte Führungsstruktur, die wir neu aufgestellt haben. Im November fängt ein neuer Geschäftsführer für Ohorn an, der die notwendige Erfahrung mitbringt. Ebenfalls werden ein neuer Finanz- und Personalleiter sowie ein neuer Betriebsleiter ab Dezember beziehungsweise Januar starten. In den kommenden Monaten wollen mein Partner Akan Celik und ich dringend notwendige Umstrukturierungen auf den Weg bringen, um danach nur  noch im Aufsichtsrat zu fungieren.

Gibt es bei den Mitarbeitern in Ohorn nicht Kollegen, die das Potenzial für diese Stellen haben?

Es werden nicht nur neue Leute eingestellt, sondern es konnten auch langjährige Mitarbeiter neu für das Führungsteam gewonnen werden. Das betrifft Bereichs-, Abteilungs- und Teamleiter. In den letzten Wochen gab es intensive Schulungen, um all die neuen Maßnahmen umzusetzen.

Wie sieht es mit der Lehrlingsausbildung aus?

Die Lehrlingsausbildung hat bei Zimm immer schon einen sehr hohen Stellenwert gehabt. Im Werk in Österreich beschäftigen wir 20 Auszubildende, mit steigendem Frauenanteil. In Ohorn sind es aktuell sieben Lehrlinge. Die Ausbildungswerkstätte in Ohorn werden wir modernisieren und ausbauen, und wir freuen uns, wenn sich noch mehr junge Menschen bei uns melden und an einer guten fachlichen Ausbildung Interesse haben.

Sind auch Investitionen am Ohorner Standort geplant?

Es wird vorerst kleinere Investitionen geben. So haben wir kürzlich ein neues CNC- Bearbeitungszentrum bestellt. Das Bürogebäude wird aktuell renoviert, um die Kommunikation und Arbeitsweise der kaufmännischen Bereiche besser zu gestalten. Weitere Investitionen können aber erst dann gemacht werden, wenn der Betrieb effizient und gewinnbringend läuft.

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