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Kretschmer streitet mit Schülern über Klima-Angst

Auf der 4. Jugendklimakonferenz trifft Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf eine streitbare Jugend. Worüber diskutiert wurde.

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Mitte Oktober protestierte  Fridays for Future Dresden vor der Sächsischen Staatskanzlei gegen die Aussagen von Ministerpräsident Kretschmer zu Klimazielen. Jetzt diskutierte Kretschmer mit Schüler  in der Staatskanzlei über Klimaschutz.
Mitte Oktober protestierte Fridays for Future Dresden vor der Sächsischen Staatskanzlei gegen die Aussagen von Ministerpräsident Kretschmer zu Klimazielen. Jetzt diskutierte Kretschmer mit Schüler in der Staatskanzlei über Klimaschutz. © dpa

Von Paul Meyer

Ernsthaft wird diskutiert, als sich 170 junge Menschen aus ganz Sachsen und Ministerpräsident Michael Kretschmer am Samstag in der Sächsischen Staatskanzlei in Dresden über Klimapolitik austauschen. Das geschieht im Rahmen der vierten Jugendklimakonferenz, in der mehrere Gesprächsrunden mit Staatsministern über Themen wie Mobilität, Konsum und nachhaltige Schulen stattfinden.

„Ich habe Zukunftsangst – warum funktioniert das alles nicht?“, fragt eine Jugendliche in einer Diskussionsrunde; „es kann nicht an unserer Generation hängenbleiben“, sagt ein anderer. „Sie kümmern sich nicht ernsthaft und verstehen unser Anliegen nicht“, meint ein weiterer Schüler.

Kretschmer verweist auf wirtschaftliche Dimension der Energiewende

Kretschmer versucht, sich diesen Meinungen zu stellen, und verweist dabei immer wieder auf die wirtschaftliche und soziale Dimension der Energiewende, die zu berücksichtigen sei. Er spricht ruhig und passt seine Ausdrucksweise sehr an das junge Publikum an. Ihm gegenüber sitzen Elf- bis 18-Jährige, die über Pumpspeicherkraftwerke und Photovoltaikanlagen debattieren wollen, wobei sie sich auf konkrete Zahlen unter anderem zum Ausbau der Windkraft in Sachsen stützen können. Einige von ihnen sind an ihren Schulen in Klimaarbeitsgruppen aktiv und setzen sich etwa dafür ein, Solarenergie auf dem Schuldach zu erzeugen.

Konkret in dieser Frage wird im Gespräch um die Verantwortlichkeit gerungen. Kretschmer findet es wunderbar, dass die jungen Menschen sich selbst vor Ort engagieren. Diese wiederum wünschen sich mehr Unterstützung durch die Politiker, um Klimaprojekte auch gegen den Widerstand der Schulverwaltung umsetzen zu können.

Es dauert nicht lange, bis die Debatte sich von konkreten klimapolitischen Argumenten hin zu einer politik-theoretischen entwickelt. Auf die Frage, wer im Raum das Wahlalter ab 16 Jahren unterstützt, heben die Schüler unisono die Hand. Auch Bürgerräte und Volksabstimmungen werden angeschnitten, da Klimapolitik als generationales Problem auch die Ordnung des politischen Systems betrifft.

Als sinnvolles politisches Handeln versteht Kretschmer es, bei Bauprojekten für die Energiewende Anwohner eng mit einzubeziehen. Um die Leute im Umbauprozess nicht zu verlieren, müsse man mit gemessenem Tempo vorangehen. Nur so ließen sich bessere Ausbauzahlen erreichen, die auch von der Seite der Unternehmen dringend gefordert werden.

Durchwachsenes Urteil bei Jugendlichen

Immer wieder führt Kretschmer dabei eine „Vorbildrolle“ Deutschlands an. So sei es aus seiner Sicht nicht sinnvoll, die hiesige Industrie zu riskieren, um einige Jahre früher den Kohleausstieg zu verwirklichen. Dabei verweist er wieder wie schon bei früheren Diskussionen darauf, dass Deutschland „nur“ zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausstoße.

Ein "Faktencheck" von Sächsische.de zeigte, dass diese Aussage den relativ großen Anteil Deutschlands am CO2-Ausstoß herunterspielt. Die Jugendlichen kennen sich jedoch in der Debatte aus und weisen unzutreffende Argumente als „populistische Aussagen“ zurück. Als Kretschmer etwa Atomstrom als Übergangslösung ins Spiel bringt, weisen sie auf Versorgungsschwierigkeiten mit Kühlwasser aufgrund des Klimawandels in französischen Atomkraftwerken hin.

Das Urteil der Jugendlichen ist durchwachsen. Es sei gut, sich einmal direkt mit dem Ministerpräsidenten austauschen zu können und eigene Fragen loszuwerden. In einer abschließenden Runde sammeln sie Ergebnisse aus allen Arbeitsgruppen. Jedoch seien einige Antworten Kretschmers recht oberflächlich gewesen.

Besonders widersprüchlich fanden sie es, dass er von ihnen verlange, sich zu engagieren, und gleichzeitig eine Senkung des Wahlalters eher ablehne. Auch dass der Ministerpräsident einer Beteiligten, die ihre Zukunftsangst schilderte, rundheraus sagt, sie solle keine Angst haben, da das lähme, erzeugte Unmut, da viele hier Angst als einen großen Motivator betrachten, sich überhaupt für Klimapolitik einzusetzen. Interessant sei ja sowieso nicht primär, was nur geredet wird, sondern was konkret passiert. Die Schüler wissen, wie Politik funktioniert und warten nun auf Ergebnisse.