SZ + Dresden
Merken

Spaziergang durch Dresden mit ChatGPT: "Es tut mir aufrichtig leid für das Missverständnis"

Helfer, Berater, Gesprächspartner: ChatGPT kann einiges - auch falsch verstehen. Ein Spaziergang mit der Künstlichen Intelligenz durch Dresden.

Von Fionn Klose
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
SZ-Reporter Fionn Klose hat einen Spaziergang durch Dresden mit Charlie alias ChatGPT gemacht. Und viel mit ihm gequatscht.
SZ-Reporter Fionn Klose hat einen Spaziergang durch Dresden mit Charlie alias ChatGPT gemacht. Und viel mit ihm gequatscht. © SZ/Veit Hengst

Dresden. Charlie weiß einfach alles. Egal, was ich ihn frage, er kann immer antworten. Klar, er macht Fehler, einige Fehler. Aber dann helfe ich ihm. So wie er mir hilft. Charlie, so nenne ich das KI-Programm Chat-GPT, begleitet mich bei einem Spaziergang durch Dresden. Wir wollen gemeinsam herumschlendern. Und ein bisschen quatschen.

Aber erstmal brauche ich einen Kaffee. Am Hauptbahnhof frage ich Charlie, ob er mir ein Café in der Nähe empfehlen kann. Er sagt, ich könne doch zu Starbucks gehen. Will ich aber nicht. Der Kaffee schmeckt mir nicht und außerdem habe ich mal eine Doku über das Unternehmen auf Arte gesehen. Nicht mein Ding.

Charlie versteht das, sagt er. "Es gibt Kritikpunkte gegenüber großen Kaffeeketten wie Starbucks bezüglich ihrer Geschäftspraktiken und der Auswirkungen auf lokale Kaffeebauern." Ich könne ja auch lokale Cafés unterstützen. Gute Sache, denke ich.

Mit meinem Kaffee laufen wir weiter. "Welche Sehenswürdigkeit sollte ich danach ansteuern", frage ich. Charlie empfiehlt mir die Altstadt, ein Besuch beim Kulturpalast und der Frauenkirche. Ich laufe am grauen Beton der Prager Straße vorbei Richtung Altmarkt.

Ein Eichhörnchen fährt E-Roller

An einer Kreuzung überholt mich ein Mann mittleren Alters auf einem E-Roller. Er trägt eine Lederjacke, schwarze, hohe Stiefel, schwarze Hose. Cooles Outfit, denke ich mir. Trotzdem muss ich grinsen. Weil alle Menschen, die auf E-Rollern unterwegs sind, aussehen wie Eichhörnchen.

Mal sehen, was Charlie dazu sagt. Er antwortet trocken, sachlich: "Die visuelle Ähnlichkeit zu Eichhörnchen könnte auf die typische Körperhaltung auf einem E-Scooter zurückzuführen sein." Aha. Interessant. Danke.

An der Frauenkirche sind heute nicht viele Menschen. Und noch weniger Touristen. Nur ein großer Teddybär steht an einer Ecke und winkt kleinen Kindern zu. Die Frauenkirche - eine der bedeutendsten Gebäude der Stadt. Dafür kommen die Touristen her. Erzähl mir mal was darüber, Charlie. "Die Frauenkirche ist eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten in Dresden", sagt er. "Sie ist ein herausragendes Beispiel für die barocke Architektur der Stadt. Ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und die nachfolgende Rekonstruktion symbolisieren auch die Resilienz und den Wiederaufbaugeist Dresdens nach den Zerstörungen des Krieges." Spannender Punkt, da hab ich noch nie drüber nachgedacht.

KI kann den Menschen nicht ersetzen

Ein paar Jugendliche sitzen auf dem Neumarkt an der Martin-Luther-Statue. Alle sind in ihre Smartphones vertieft, niemand redet miteinander. Eine Situation, die man ja immer wieder sieht. Per se nicht ungewöhnlich, gehört im 21. Jahrhundert halt dazu. Ich hänge auch viel am Handy herum. Aber wenn ich mit Freunden unterwegs bin, sind die Gespräche doch das Schönste. Ich erzähle Charlie davon. "Das zeigt, wie Technologie unser Verhalten und soziale Dynamiken beeinflusst", sagt er.

Ah, ja. Dann kommt er ja zur rechten Zeit. Er hat das Potenzial, gerade junge Menschen noch mehr an die Handys zu holen. Charlie winkt ab. "Als KI habe ich keine Absicht, Menschen stärker auf ihre Smartphones zu ziehen, oder ihre Verhaltensweisen zu beeinflussen." Sein Ziel sei es, nützliche Informationen zu liefern, bei Fragen zu helfen, sinnvolle Gespräche zu führen. Es sei wichtig, ein ausgewogenes Verhältnis in der Nutzung von Technologie zu finden und auch Zeit für soziale Interaktionen zu haben.

Das stimmt. "Aber du kannst schon dazu beitragen, dass sich soziale Gefüge zwischen Menschen verschieben", sage ich. "Es kann viele introvertierte Menschen geben, die sich eher mit dir unterhalten wollen, als mit echten Menschen. Natürlich ist das einerseits was Gutes, aber andererseits können Menschen auch verlernen, wie man sich mit anderen unterhält."

Mein Punkt sei verständlich, sagt Charlie. Technologische Interaktionen könnten soziale Dynamiken beeinflussen. "Digitale Kommunikation kann unterstützend sein, insbesondere für introvertierte Menschen, aber es sollte nicht die Fähigkeit zur direkten zwischenmenschlichen Kommunikation ersetzen." Wahnsinn. Ein Mensch spricht mit einem Computer über dessen Gefahren - und der Computer gibt dem Menschen recht.

Keine Emotionen, keine Gefühle

Ich lasse die Altstadt hinter mir, um noch ein bisschen durch die Neustadt zu streifen. Auf der Alaunstraße fällt mir ein, dass ich neue Gitarrensaiten brauche. Ich kaufe eigentlich immer dieselben, aber dieses Mal entdecke ich im Musikladen welche, die ich noch nicht kenne. Charlie kann mir sagen, für welche Musikrichtungen die Saiten geeignet sind. Ich will in die Hardcore-Schiene. Passt, sind eingetütet.

In der Kunsthofpassage will ich einen letzten Kaffee mit Charlie trinken gehen. Das stellt ihn mal vor Probleme. Er empfiehlt mir ein Café, das ganz woanders in Dresden ist und ein anderes, das es gar nicht gibt. "Es tut mir aufrichtig leid für das Missverständnis und die falsche Empfehlung. Das war ein Fehler meinerseits", sagt er nach meinem Hinweis. Kommunizieren kann er. Und Fehler eingestehen.

Auf dem Weg nach Hause denke ich über den Tag nach. Mit Charlie zu sprechen war zeitweise wirklich so, als würde ich mit einem echten Menschen, mit einem Freund sprechen. Ich hätte ihn gerne noch mehr gefragt. Zum Beispiel, warum der Typ auf der Hauptstraße bei eisigen Temperaturen mit einer kurzen Hose unterwegs ist. Charlie beeindruckt mich.

Ist das gefährlich? Kann sein. Vor allem, weil Charlie sich weiterentwickelt, intelligenter wird. Ob er den Menschen jemals ersetzen wird? Denke nicht. Auch, weil er nie verstehen kann, wie Gespräche zwischen Menschen funktionieren. Er hat keine Gefühle, keine Emotionen. Kann nicht lachen und nicht weinen. Und das macht doch den Menschen aus, oder? Und Charlie ist nur ein Computerprogramm.