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Dieter "Maschine" Birr zum 80. Geburtstag: "Ich habe noch eine Menge vor"

Von wegen Rockerrente: Ex-Puhdy Dieter „Maschine“ Birr wird heute 80 und denkt nicht ans Aufhören. Neues Buch, neues Album und bald ist er live in Dresden zu erleben.

Von Andy Dallmann
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Dieter „Maschine“ Birr hat für sein neues Album auch alte Hits wie „Ikarus“ noch einmal aufgenommen.
Dieter „Maschine“ Birr hat für sein neues Album auch alte Hits wie „Ikarus“ noch einmal aufgenommen. © Chris Gonz

Als die Puhdys 1984 in der DDR mit dem ironischen Song „Rockerrente“ einen Hit mit Langzeitwirkung landeten, war Frontmann und Gitarrist Dieter „Maschine“ Birr gerade mal 40 und verschwendete als Mitglied einer der erfolgreichsten Bands des Landes natürlich keinen Gedanken an den Ruhestand. Selbst 40 Jahre später macht er das nicht. Zwar lässt er in einem neuen Buch sein bisheriges Leben Revue passieren. Doch zugleich bringt er jetzt auch ein Album heraus, auf dem er neben Neuinterpretationen alter Nummern fünf neue Lieder in bewährter Deutschrock-Manier serviert.

Mag seine Stimme auch noch etwas rauer klingen, an Energie hat der Mann auf keinen Fall verloren. Durch die Töchter seines Sohnes und seiner Tochter zweifacher Großvater, nimmt er diese Rolle zwar gerne an, brennt zugleich aber darauf, bald wieder auf Tour zu gehen, aus seinem Buch zu lesen, vor allem aber darauf, live Musik zu machen. Im Interview erklärt er, dass er dafür auch weiterhin am liebsten selbst mit dem eigenen Auto durchs Land düst.

Herr Birr, ist der 80. Geburtstag für Sie nur ein Datum, eine Zahl im Kalender oder doch ein einschneidender Termin?
Dazu kann ich nur sagen: Meine Geburtsurkunde ist eine Fälschung; ich bin in Wirklichkeit viel jünger. Aber ich lasse das jetzt so stehen, weil ich sonst, wenn ich alles rückgängig machen würde, doch wahrscheinlich auch die bislang kassierte Rente zurückzahlen müsste. Und det will ick nich... Ernsthaft, die 80 ist wirklich nur eine Zahl, aber eine, die zurückblicken und denken lässt: Wie schnell ist die Zeit vergangen. Aber ich bin sehr optimistisch und ganz klar, ich habe noch eine Menge vor.

Immer noch live unterwegs: Dieter "Maschine" Birr bei einem Konzert in Leipzig.
Immer noch live unterwegs: Dieter "Maschine" Birr bei einem Konzert in Leipzig. © dpa-Zentralbild

Auf die von Ihnen einst besungene Rockerrente haben Sie offensichtlich noch keine Lust. Woran liegt das?
Musik ist ja nun mal eine Leidenschaft und ein Hobby von mir. Und ich denke, Leute, die jetzt andere Hobbys haben, die fotografieren oder Briefmarken sammeln, die werden das ja auch weiter bis ins hohe Alter machen. Ich bin mir sicher, dass kein Hobby irgendwas mit dem Alter zu tun hat.

Fahren Sie immer noch selbst zu Ihren vielen Terminen? Und immer noch gerne sehr zügig?
Ja, tatsächlich fahre ich meist selbst. Wenn man zu weite Strecken hinter sich bringen muss oder drei Tage hintereinander Konzerte macht, dann gönne ich mir schon mal einen Chauffeur. Ansonsten fahre ich selbst. Und ja, manchmal, wenn ich lange unterwegs bin, dann kann ich schon mal ein Verkehrszeichen, eine Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen. Deshalb bin ich einsichtig und nur noch mit aktivierter Distronic unterwegs.

Das ist ein Assistenzsystem, bei dem das Auto quasi autonom fährt und die Verkehrsschilder erkennt. So bin ich auf der sicheren Seite. Wenn ich also 120 fahre und da steht 80, dann bremst der Wagen automatisch ab, verringert das Tempo auf 80 und gibt zum Glück genauso selbstständig wieder Gas, wenn freie Fahrt ist. Insofern bin ich jetzt ein ganz vorbildlicher Fahrer geworden. Die hatten davor ja schon bei der Polizei eine Flatrate von mir beantragt, weil ich wirklich so oft geblitzt worden bin.

2016 gab es für die Musiker der Puhdys den Echo fürs Lebenswerk.
2016 gab es für die Musiker der Puhdys den Echo fürs Lebenswerk. © dpa-Zentralbild

Sind Sie auch von selbst auf die Idee gekommen, ein Buch zu machen?
Nee, die Idee dazu hatte der Verlag. Der Autor, also Christian Hentschel, hat schon mehrfach für diesen Verlag geschrieben. Sein letztes Buch war das über die Kollegen von City. Christian und ich sind zudem schon länger befreundet. Er kennt mich daher sehr gut. Aus diesem Grunde war jetzt für mich auch klar: Lass uns das Buch machen.

Ich war am Anfang noch ein bisschen skeptisch, weil ich dachte, die Leute wissen eh alles von mir, seit es 2014 das erste Buch über mich gab. Aber es sind doch viele neue Sachen dazugekommen in den letzten zehn Jahren. Insofern denke ich, dass es wirklich ein interessantes, auf jeden Fall reich bebildertes Buch geworden ist. Bis jetzt habe ich nur gute Reaktionen bekommen. Und es macht mir einfach Spaß, öffentlich daraus zu lesen.

Weil Christian Hentschel als Autor genannt wird: Wie authentisch ist das alles geworden?
Eindeutig: Maschine pur steckt in diesem Buch, weil es ja nun mal auch von mir handelt. Außerdem hatte Christian die gute Idee, Interviews von mir mit rein zu nehmen, also ältere Texte einzubeziehen. So kann man nachlesen, was ich vor zehn Jahren gesagt habe, merkt also, dass nichts dazuerfunden oder beschönigt wurde. Das ist eben alles echt, mein Blick auf mein Leben und kein Rocker-Roman.

Was war bei der Arbeit anstrengender, sich an längst vergessene Details zu erinnern oder dafür die passenden Worte zu finden?
Also anstrengend war prinzipiell gar nichts daran. Aufgrund der Fragen von Christian sind mir regelmäßig Sachen eingefallen, die ich vergessen hatte. Um Daten, Details und passende Worte musste ich mich nicht kümmern. Christian hat die Fakten gecheckt und alles sprachlich glattgebügelt. Selbst wenn ich irgendwelchen Müll erzählt habe.

Gab es überraschende Momente, unerwartete späte Einsichten?
Na ja, überraschende Momente gab es schon. Etwas, was für mich damals sehr einschneidend war, ich aber verdrängt und lieber nicht mit ins Buch genommen habe. Dass man mich nämlich in der Schule gebeten hatte, die zehnte Klasse noch mal zu machen. Die Lehrer konnten mich offensichtlich so gut leiden, dass sie sagten: Mensch, Dieter, komm, mach die zehnte Klasse doch gleich noch mal.

Sie sind also sitzen geblieben.
Hm, ja, so kann man es auch sagen. Tja, ansonsten, unerwartete späte Einsichten... Da kann ich nur mit einem Spruch antworten, der leider nicht von mir ist, aber den ich so schön passend finde: Das Leben ist kein Wunschkonzert, aber manchmal spielt es doch dein Lieblingslied.

Apropos Lieblingslied. Für Ihr neues Album haben Sie auch ein paar alte Songs neu eingespielt. Warum gerade die?
Wenn man nachdenkt, welche Titel könnte man noch mal ausgegraben, ist man bei so vielen Songs förmlich überfordert. Ich habe also entschieden, erst mal nur Lieder auf die Liste zu nehmen, die mir tatsächlich selbst besonders gefallen und von denen ich glaube, dass die Fans sie ebenfalls mögen. Und dann habe ich natürlich auch sofort im Ohr gehabt, wie sie heute klingen sollten. Bei „Ikarus“ wiederum war es so, dass ich durch Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker, meinen Partner und Freund, darauf gebracht wurde.

Wir haben „Ikarus“ mit den Puhdys bis zum Schluss gespielt. Deshalb meinte Uwe: Mensch, lass uns doch „Ikarus“ auch mal live bringen. Mir schien dieser Song jedoch immer viel zu lang für solch ein Konzert zu sein. Doch jetzt dachte ich, ist das endlich die Gelegenheit, ihn deutlich zu straffen, noch mal neu aufzunehmen und mit auf die Platte zu nehmen. Bei „Das Buch“ hingegen war es so, dass Fans gefragt haben: Warum spielt ihr dieses Lied nicht mal im Konzert?

Die Puhdys 1989 mit einer Sammlung ihrer Goldenen Schallplatten. Damals hatte die Band erstmals ihre bevorstehende Auflösung bekannt gegeben.
Die Puhdys 1989 mit einer Sammlung ihrer Goldenen Schallplatten. Damals hatte die Band erstmals ihre bevorstehende Auflösung bekannt gegeben. © ADN/ZB

Sie meinen jetzt bei Ihren Solo-Konzerten, richtig?
Genau. Ich bin ja mit Hassbecker live unterwegs, als Duo mit zwei Gitarren. Und ich fand, „Das Buch“ klingt in dieser Besetzung ein bisschen dünn, weil es doch sehr bombastisch rüberkommt in der Originalaufnahme. Irgendwann haben wir es getestet, das Lied also mit nur zwei Gitarren gespielt, und die Leute sind völlig aus dem Häuschen gewesen. Die haben das Lied komplett mitgesungen.

Gut, wenn das so funktioniert, dann nehme ich es halt auch auf mein neues Album mit rauf. Ein bisschen verändert, vor allen Dingen durch die Stimme der aus Hamburg stammenden Wahlberlinerin Vanessa Ulmer alias Nessi, die mitsingt und den ersten Teil ganz alleine interpretiert. Da ist einfach Gänsehaut vorprogrammiert. Hoffe ich jedenfalls.

Warum gibt es aber keine neue Fassung von „Alt wie ein Baum“?
Dieser Song existiert bereits in so vielen Versionen. Und ich glaube, ans Original reicht keine der anderen Aufnahmen heran. Deswegen bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, diesen Song neu zu machen. Aber man soll ja nie nie sagen.

Das Album: Maschine, Mein Weg. Premium Records

Das Buch: Christian Hentschel, Maschine – Was bisher geschah. Bild und Heimat Verlag, 256 Seiten, 25 Euro

Maschine live: 14.5., Boulevardtheater, Dresden; Tickets gibt’s in allen DDV-Lokalen und hier.