Feuilleton
Merken

Roadtrip-Roman "La Fiesta": Per Klapperkiste aus dem Erzgebirge nach Spanien

In seinem Debütroman schreibt der Dresdner Franz Päßler über seine 13.000 Kilometer-Reise durch Südeuropa. Eigentlich geht es in "La Fiesta" aber um den Tod.

Von Connor Endt
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Autor Franz Päßler in seinem 30 Jahre alten Ford Fiesta.
Autor Franz Päßler in seinem 30 Jahre alten Ford Fiesta. © kairospress

Franz Päßler schlendert um seinen roten Ford Fiesta, lehnt sich lässig an die Motorhaube. "Das ist das gute Stück", sagt er. Dann bricht ein Lachen aus ihm heraus. Schrammen und dicke Beulen ziehen sich von der Motorhaube über die Türen bis zum Heck. Die Spiegel hängen schief in ihrer Halterung, der Tankdeckel fehlt. Wenn Franz den Zündschlüssel dreht, klappert innen alles. "Ein Wunder, dass ich noch den TÜV bekommen habe", sagt er.

Die meisten Menschen würden sich weigern, nur einen Kilometer mit so einem Auto zu fahren. Franz hingegen ist mit seinem Fiesta vier Monate durch Tschechien, Frankreich und Spanien gekurvt. Im September 2021 startete der im sächsischen Walthersdorf, im Dezember endete seine Reise in der Nähe von Barcelona. Sein Kilometerzähler ist in dieser Zeit etwa 13.000 Kilometer weitergerückt. Der gebürtige Erzgebirger fing während der Reise an, seine Erlebnisse aufzuschreiben. Jetzt ist sein Buch "La Fiesta" im Berliner Novum Verlag erschienen.

Edgar wohnt mit seinem Hund Anthrax neben dem Flughafen von Barcelona.
Edgar wohnt mit seinem Hund Anthrax neben dem Flughafen von Barcelona. © Franz Päßler

"La Fiesta" ist die Geschichte von einem jungen Mann, der selber nicht so richtig weiß, wohin mit sich. Ohne Plan fährt Franz im Herbst zusammen mit seiner Hündin Lola und "einer Tonne Hundefutter" los, um aus dem Alltag auszubrechen. "Keine Listen, kein nass-kalter Winter, keine Nachrichten und keine Bürokratie! Von dem ganzen Scheiß wollte ich nichts mehr wissen", heißt es in seinem Buch.

Eine Geschichte von Heimatlosen und Outlaws

Während seiner Reise trifft Franz viele Gleichgesinnte - Reisende, Heimatlose und Outlaws. Sie sind es, die "La Fiesta" seinen großen Charme verleihen. Viele von ihnen hat Franz mit seinem Handy fotografiert, immer wieder stößt man beim Blättern auf ihre Porträts. Zum Beispiel Edgar mit seinem Boxer-Mischling Anthrax, der in einem Camper neben dem Flughafen von Barcelona lebt und schlafen kann, obwohl über ihm im Minutentakt die Flugzeuge abheben. Oder David, der in kugelsicherer Weste und Elektroroller über den Camping-Platz in Málaga rollt und sich für den örtlichen Sheriff hält.

Seine Erlebnisse hat Franz brutal ehrlich aufgeschrieben. Er berichtet davon, wie ihm seine Hündin immer wieder ausbüxt, weil er gerade nicht aufgepasst hat. Oder wie er sich den halben Fahrradträger vom Dach reißt, als er unter einer zu niedrigen Mautbrücke durchfährt. Während seiner Reise kommt Franz immer wieder an seine Grenzen, tobt und weint, schreit Leute an. "Ich wollte nichts beschönigen, sondern das so aufschreiben, wie es passiert ist", sagt Franz. "Auch wenn ich nicht immer super sympathisch dabei wegkomme."

Franz Päßler hat "La Fiesta" auch geschrieben, um mit dem Tod seines Hundes fertigzuwerden, sagt er.
Franz Päßler hat "La Fiesta" auch geschrieben, um mit dem Tod seines Hundes fertigzuwerden, sagt er. © Franz Päßler

Zeilen wie ein Faustschlag

Zwei Drittel von "La Fiesta" lesen sich wie ein typischer Roadtrip-Roman. Doch dann berichtet Franz von einem Vorfall, der einen beim Lesen trifft wie ein Faustschlag. Er füllt gerade Wasserkanister an einer Tankstelle in Nordspanien auf, seine Hündin trottet über den Asphalt. Dann gibt es einen dumpfen Schlag. Ein Autofahrer hat Lola überfahren.

Die folgenden Minuten beschreibt der Autor so schonungslos wie mitfühlend. "Meine Tränen tropften ihr auf den Kopf", heißt es da. Und: "Die Leute unterhielten sich und ich hörte nur die Worte 'muerto' heraus." Es sind die stärksten Zeilen im Buch.

Wenn Franz heute über den Vorfall spricht, verschwindet sein Grinsen kurz. "Ich war alleine, habe mich ständig gefragt: Wie geht man um mit dem Tod?" Kurze Zeit später fängt er an mit dem Schreiben und hört nicht mehr auf. Drei bis vier Seiten entstehen so täglich. "Während der Reise hat sich so viel aufgestaut, das musste raus", sagt er. Irgendwann habe sich das Schreiben nicht anders angefühlt als Zähneputzen. "Das Buch habe ich auch geschrieben, um mit dem Tod von Lola fertigzuwerden", sagt Franz.

Herausgekommen ist etwas, das in seinen besten Momenten an den Roman "On the road" des amerikanischen Schriftstellers Jack Kerouac erinnert. Dort reist der Erzähler ebenfalls planlos durch die Gegend auf der Suche nach sich selbst. Und auch dort besiedeln allerhand skurrile Gestalten die Erzählung und machen sie erst so richtig lebendig.

Es gibt noch mehr Ähnlichkeiten. Kerouac schrieb seinen bekanntesten Roman als 28-Jähriger in nur drei Wochen auf einer einzigen gigantischen Schriftrolle. Der 23-jährige Franz Päßler tippt die Zeilen in vier Monaten in sein altes iPhone.

"Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie man ein Buch schreibt", warnt Franz Päßler im Vorwort. Dafür ist ihm aber ein überzeugendes Debüt gelungen. Zugegeben, manchmal verliert sich "La Fiesta" in seitenlangen Anekdoten über vermeintliche Nebensächlichkeiten. Und erst nach etwa 120 Seiten beginnt der versprochene Roadtrip. Aber all diese kleinen Ausflüge helfen am Ende zu verstehen, was für ein Mensch "da vorn in Schlüpper auf‘m Cover hockt und Nudeln frisst".

"Ich halte es nie lange an einem Ort aus"

Im Herbst geht Franz Päßler wieder auf Reise - vermutlich mit einem neuen Auto.
Im Herbst geht Franz Päßler wieder auf Reise - vermutlich mit einem neuen Auto. © kairospress

Franz' Fiesta hat die 13.000 Kilometer Strecke einigermaßen überstanden. Der ein oder andere Kratzer ist während der Reise dazugekommen. Franz will das Auto aber ohnehin bald loswerden. Mit seinen 1,86 Metern Körpergröße muss er sich beim Einsteigen ducken, seine Knie stoßen beim Fahren ständig ans Lenkrad. "Die nächste Reise mache ich zu Fuß, irgendwann im Herbst."

Dann soll es wieder losgehen, irgendwohin nach Südfrankreich, denn: "Ich halte es nie lange an einem Ort aus." Der genaue Plan entsteht wohl wieder erst kurz vor Abfahrt. Franz quetscht sich in seinen Fiesta. "Wer weiß, vielleicht schreibe ich dann ja sogar ein zweites Buch." Scheppernd springt der Motor an. "Na hoffentlich!", will man ihm hinterherrufen, als er laut klappernd Richtung Autobahn verschwindet.

Franz Päßler: La Fiesta. Novum Verlag, 342 Seiten, 15,50 Euro.