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Für Katie Melua ist Singen wie tiefes Atmen – eine gute Therapie

Mit 56 Platinauszeichnungen gehört sie zu den Top-Künstlerinnen Europas: Nun widmet sie sich in Songs ihren Lieben und singt am Sonnabend in Dresden.

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Die georgisch-britische Sängerin Katie Melua (38) freut sich auf ihre Tournee, die sie nun nach Sachsen führt.
Die georgisch-britische Sängerin Katie Melua (38) freut sich auf ihre Tournee, die sie nun nach Sachsen führt. © dpa

Unlängst hat die erfolgsverwöhnte Katie Melua das sehr persönliche Album „Love & Money“ herausgebracht. Die Londonerin mit ihrer kristallklaren Stimme feiert darauf ergreifend die Liebe und Schwangerschaft. Mit der vor 38 Jahren in Georgien geborenen Sängerin und Songschreiberin sprach Olaf Neumann via Zoom über positives Denken, den Freitod ihres Therapeuten und eine gute Work-Life-Balance.

Frau Melua, zu der Zeit der Studiosessions waren Sie mit Ihrem Sohn schwanger. Wie hat sich das auf Ihre Stimmung während der Aufnahmen ausgewirkt?

Zu Beginn war ich besorgt, weil ich nicht wusste, ob ich in der Schwangerschaft krank werden würde. Aber ich hatte dann sehr glückliche andere Umstände und war so zuversichtlich wie lange nicht mehr. Es war eine so positive Kraft in meinem Leben. Vielleicht wäre es schwieriger gewesen, wenn ich eine traurigere Platte mit melancholischen Liedern gemacht hätte.

Katie Melua 2019 bei Auftritt in der "Jungen Garde".
Katie Melua 2019 bei Auftritt in der "Jungen Garde". © kairospress

Sie müssen derzeit glücklich sein, denn Sie haben Ihrem neuen Partner viele Songs gewidmet. Was ist jetzt anders?

Ich glaube, ich habe in meinem bisherigen Leben eine Menge gelernt. Als Frau ist die Frage, ob man Kinder kriegen soll oder nicht, eine große. Aber vielleicht auch als Mann. Ich habe meiner Arbeit immer Priorität eingeräumt. Als ich jung war, bedeutete es für mich als Frau sehr viel, unabhängig zu sein und mein eigenes Geld zu verdienen. Diese Art zu leben hat definitiv dazu beigetragen, dass ich eine Scheidung durchgemacht habe. Dann kam Covid, und mir wurde klar, dass ich wirklich umdenken musste. Außerdem hatte ich das Glück, einen wunderbaren neuen Menschen kennenzulernen, der einen großartigen Sinn für Humor hat. Er liebt sich selbst und ich liebe es, in seiner Energie zu sein. Er hat eine wirklich coole Ausstrahlung. Wir hatten Glück, glaube ich.

Ihr Album heißt „Liebe & Geld“. Gehören diese beiden Dinge zusammen?

Nun, das tun sie natürlich nicht direkt. Aber Geld ist so wichtig, dass es die Welt in Schwung bringt. Es sorgt für eine Art Vertrauenssystem zwischen den Menschen. Ich erwähne die Welt des Geldes, denn als meine Familie mit mir als Kind Georgien verließ, gab es einen großen sozialen und wirtschaftlichen Unterschied zwischen dem Ort, den wir verließen, und dem Ort, an den wir zogen. Natürlich sind viele von uns, die diese Entwicklungsländer verlassen haben, die Versorger der zurückgebliebenen Familien in der Heimat. Aber das Wichtigste, was ich mit „Liebe & Geld“ sagen will, ist, dass es zwar ein Akt der Großzügigkeit ist, Geld an Verwandte zu schicken, aber er bezahlt nicht das Geschenk des Lebens. Ich habe das Gefühl, dass meine Familie in Bezug auf die Sicherheit, die sie mir gegeben hat, und die positive Einstellung, die sie mir beigebracht hat, sehr großzügig war.

Das Klischee lautet, ein Künstler müsse leiden, um wirklich gute Songs schreiben zu können. Wie denken Sie?

Ich stelle diese Frage genau in diesem Album. Ich habe gelitten. Ich habe nach einer gescheiterten Beziehung die Songs „Piece by Piece“ und „I cried for you“ geschrieben. Aber es muss möglich sein, dass man trotz allem ein glückliches Leben führen kann, dass man erfüllt ist und große Kunst machen kann. Die Lieder auf meiner neuen Platte sind fröhlich und handeln nicht von Leiden, es sind Blue-Sky-Songs mit vielen verschiedenen Nuancen. Es ist zu einfach, zu sagen, dass Elend zu großer Kunst führt.

Zu „14 Windows“ ließen Sie sich von Dr. Mike McPhillips inspirieren. Der Psychiater hat Ihnen 2010 geholfen, wieder in sicherere Fahrwasser zurückzufinden. Später nahm er sich das Leben.

Ich war so schockiert. Mike McPhillips galt als einer der besten Psychiater in London, wenn nicht sogar im gesamten Vereinigten Königreich. Er gab mir so wunderbare Ratschläge. Er wollte immer, dass ich einen Seelenverwandten finde. Psychische Gesundheit ist ein großes Thema, und ich bin froh, dass man heute mehr darüber spricht als noch 2010. Es ist so wichtig, aufeinander zu achten und sich der Probleme der psychischen Gesundheit bewusst zu sein.

Sie müssen damals wirklich ernsthafte psychische Probleme gehabt haben.

Ich hatte keine Depressionen, sondern einen kurzen akuten psychotischen Zusammenbruch und war dann sechs Wochen lang im Krankenhaus. Zwei davon waren ziemlich albtraumhaft. Diese Art von Krankheit würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen. Etwas so Schreckliches hinter sich zu lassen ist schon außergewöhnlich. Es hat mir bewusst gemacht, wozu dein Geist fähig ist und wie mächtig er ist. Meine Familie hat mir damals so viel Kraft gegeben.

Und 2009 ebenfalls in Dresden.
Und 2009 ebenfalls in Dresden. © joern haufe

Hat Musik Ihnen persönlich geholfen?

O ja, natürlich. Musik wird ja als Therapieform eingesetzt. Ich muss sagen, dass mein Job dazu beigetragen hat, dass ich mich unwohl fühlte, denn er bedeutet viel Druck, Reisen, Stress. Aber sobald ich auf der Bühne stehe, die Musik beginnt, beruhigt mich das. Singen ist wie lange Atemübungen. Tiefes Atmen ist eine gute Therapie. Musik hat eine unglaubliche Kraft.

Wie streng sind Sie, wenn es darum geht, die eigenen Maßstäbe zu erfüllen?

Nun, manchmal war ich zu streng zu mir selbst. Der Überperfektionismus kann tatsächlich ein Hindernis sein. Wenn ich schon ein Blue-Sky-Album mache, dann darf der Prozess auch blauer Himmel sein und nicht zu perfektionistisch. Ich glaube, dass Künstler sich verbessern wollen, weil sie das, was sie vorher gemacht haben, nicht kopieren können, selbst wenn es etwas wirklich Gutes war. Man muss immer etwas Neues bieten.

Haben Sie auch als Mutter noch das Gefühl, stets produktiv sein zu müssen?

Ich bin mir bewusst, dass ich dieses Gefühl habe, aber ich versuche, es zu stoppen. Das Wichtigste ist jetzt die Erziehung meines Sohnes zu einem glücklichen, gesunden, schönen Jungen. Ich möchte ihm und meiner Familie den größten Teil meines Herzens und meiner Seele geben. Ich hatte Angst, bevor ich Sandro hatte, dass ich das eine dem anderen opfern muss. Aber jetzt, wo ich ihn habe, spüre ich, dass Mutter zu werden mir so viel Selbstvertrauen und Kraft gegeben hat. Er hat mir viel Inspiration zurückgegeben. Die Arbeit wird in gewisser Weise leichter.

War es schwierig, eine gute Work-Life-Balance zu finden?

Das war eine sehr schwierige Sache. Aber Covid hat alles verändert. An den meisten Tagen arbeite ich nur noch bis etwa 18 Uhr. Und dann ist Zeit für die Familie. Mein Partner und ich machen etwas zu essen und schauen einen Film. Abends und am Wochenende nehme ich mir jetzt frei.

Freuen Sie sich denn schon auf die Tour zum Album?

Und wie! Ich vermisse die Konzerte. Ich liebe es, eine gute Mutter und Partnerin zu sein, aber auch auf der Bühne zu stehen. Das bin ich, die Katie, die ich kenne. Ich kann es kaum erwarten, die neuen Songs live zu performen.

Konzert: Katie Melua am 22. Juli, ab 19.30 Uhr, Dresden Freilichtbühne „Junge Garde“ im Großen Garten, Karten gibt es auch beim SZ-Ticketservice unter www.sz-ticketservice.de sowie an der Abendkasse.