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„Ich wäre auf der Bühne fast gestorben“: Gitarrist Al Di Meola kommt nach Dresden

Nach einem Herzinfarkt auf der Bühne spielte sich Al Di Meola zurück ins Leben - auch dank seiner sächsischen Familie. Am 4. März kommt er in den Dresdner Kulturpalast.

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Seine Frau stammt aus Oederan, seine Tochter wurde in Rabenstein geboren: Al Di Meola hat enge Verbindungen nach Sachsen, nicht nur zum Dresdner Striezelmarkt.
Seine Frau stammt aus Oederan, seine Tochter wurde in Rabenstein geboren: Al Di Meola hat enge Verbindungen nach Sachsen, nicht nur zum Dresdner Striezelmarkt. © Foto (PR): earMUSIC / benwolf

Von Tom Vörös

Der 69-jährige Star-Gitarrist und Grammy-Preisträger Al Di Meola galt als kerngesund, als er am 27. September während eines Konzerts in Bukarest plötzlich einen Herzinfarkt erlitt. Lange war nicht klar, ob der viel beschäftige und in Sachsen heimisch gewordene Amerikaner überhaupt noch mal ins Rampenlicht treten würde. Inzwischen ist er mehr denn je unterwegs, wohlwissend, dass das Ende überall und jederzeit um die Ecke kommen kann. Al Di Meola spricht über die Zeit nach dem Bühnen-Schock, darüber, wie ihn Familie und Heimat am Leben hält und warum er seiner sächsischen Frau zuliebe die Gitarre nicht an den Nagel hängt.

Herr Di Meola, wie geht es Ihnen nach dem Herzinfarkt?

Ich habe mir drei Monate Auszeit genommen, um mich zu erholen. Die Ärzte haben mich im Dezember als vollständig genesen eingestuft, ohne jegliche Schäden oder Einschränkungen, was eine Erleichterung war. Ich werde den Ärzten in Rumänien für immer dankbar sein. Ohne ihre schnelle Hilfe und sofortige OP wäre das Ganze nicht so glimpflich verlaufen.

Seitdem sind Sie mehr denn je auf den Bühnen der Welt unterwegs. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich stehe auf der Bühne, seit ich 19 bin. Und jetzt wäre ich fast auf der Bühne gestorben. Das hat eine riesige mediale Welle erzeugt und Reaktionen von Fans, anderen Künstlern und Followern auf der ganzen Welt. Ich konnte mich gar nicht bei allen bedanken, es war überwältigend. Auch weil sich plötzlich Leute gemeldet haben, mit denen man vielleicht mal ein Problem oder mit denen man Jahrzehnte lang keinen Kontakt hatte. Es war sehr emotional!

Es mag makaber klingen, aber viele Künstler sagen, sie wollen solange auf der Bühne stehen, bis sie umfallen. Trifft dieses Credo auch für Sie zu?

Fast wäre es so weit gekommen. Mir geht es nicht darum, auf der Bühne zu stehen bis zum bitteren Ende, aber ich habe eine achtjährige Tochter. Als ich dann hinter der Bühne in den Krankenwagen geschoben wurde, war mein einziger Gedanke: Bitte, lass mich nicht sterben, ich will Ava aufwachsen sehen.

Durch seine Konzerte mit den Gitarrengöttern John Mclaughlin (M.) und Paco de Lucía (r.) wurde Al Di Meola in den Achtzigern weltberühmt.
Durch seine Konzerte mit den Gitarrengöttern John Mclaughlin (M.) und Paco de Lucía (r.) wurde Al Di Meola in den Achtzigern weltberühmt. © F. Antolín Hernandez

Woher glauben Sie kommt dieses Gefühl eines Künstlers, immer alles geben zu wollen für das Publikum und dabei womöglich über Grenzen zu gehen?

Ich glaube, dass an dem Motto „The Show must go on“ etwas dran ist, die Show muss weitergehen! Wahrscheinlich so lange, bis es nicht mehr möglich ist. Schaut euch die Rolling Stones an, Paul McCartney. Ich finde das inspirierend! Künstler gehen nicht in Rente. Es ist das Adrenalin, der Applaus, wenn man es einmal erlebt hat, will man es immer wieder haben!

Am 22. Juli feiern Sie Ihren 70. Geburtstag. Wie und wo werden Sie feiern?

Ich spiele am 21. Juli beim Jazz Open in Stuttgart und werde danach weiter touren. Da wird es nicht viel Zeit zum Feiern geben. Aber unsere Familie hat ein Haus auf Capri, dort werden wir nach der Tour einige Wochen verbringen und meinen Geburtstag nachfeiern.

Ihre Frau stammt aus Oederan, Ihre Tochter wurde in Rabenstein geboren. Hat Ihre Tochter Ihr musikalisches Talent geerbt?

Und inwiefern ist Deutschland für Sie Heimat geworden?Meine Tochter Ava spielt Klavier und Schlagzeug. Wir üben zusammen bei mir im Studio. Deutschland war schon immer meine Heimat in Europa, vor allem in München, wo meine Frau Stephanie gelebt und gearbeitet hat, als ich sie kennengelernt habe. Ava geht inzwischen auf die Deutsche Internationale Schule in New York, spricht fließend Deutsch und Englisch.

Was haben Sie neben den Weihnachtsmärkten noch lieben gelernt an Sachsen und Dresden?

Ich bin jedes Mal absolut fasziniert, wie sich Dresden im Laufe der Zeit verändert hat. Ich war das erste Mal in den 1980er-Jahren da und erinnere mich, wie ich an der Ruine der Frauenkirche stand. Später habe ich eine Uhr mit einem Stein bekommen. Heute stehe ich vor der Frauenkirche mit Bewunderung und freue mich, dass Dresden wie ein Phoenix aus der Asche wiedergeboren wurde.

Was halten Sie als italienischstämmiger Amerikaner von der politischen Stimmung hierzulande? Und wie ist es in Ihrer Heimat, wo ja gerade wieder Wahlkampf ist?

Ich bin Demokrat, meine Eltern waren Einwanderer aus Neapel auf der Suche nach einem besseren Leben in den USA, was sie auch gefunden haben. Dafür mussten sie hart arbeiten, anfangs am unteren Ende der Nahrungskette. Mein Vater hat härter gearbeitet, als alle anderen, um seiner Familie ein gutes Leben bieten zu können. Diese Arbeitsmoral habe ich von ihm übernommen. Die Generation meiner Eltern wollte nichts mehr als Amerikaner werden. Bei uns zu Hause wurde Englisch gesprochen. Die Welt heutzutage ist komplizierter geworden. Aber ich finde, dass, wenn man in einem Land lebt, man auch die Sprache lernen muss. Meine Schwiegermutter ist Schulleiterin in Freiberg an einer Schule mit 45 Prozent Migrationsanteil. Da gibt es viele Probleme, ich rede oft mit ihr darüber und verstehe die Frustration auf allen Seiten.

Wie kommen Sie mit der sächsischen Mentalität klar? Können Sie sich auf Deutsch verständigen?

Meine Frau ist in Sachsen geboren und aufgewachsen, hat ein Jahr in Australien und Shanghai gelebt und dann in München gearbeitet. Sie kommt also eher international daher mit einer guten Mischung aus deutscher Bodenständigkeit und dem Traum, aus der Kleinstadt Oederan so schnell wie möglich wegzukommen. Was ihr gelungen ist. Sie ist sehr eng mit ihren Eltern, die uns immer besuchen oder mit auf Tour kommen. Letzten Sommer sind wir als Familie durch Europa getourt und haben uns dann am Ende alle zusammen auf Capri erholt. Was das Deutsch angeht: Ich kann Essen bestellen, ansonsten ist aber das Englisch meiner Frau besser als mein eigenes.

Man kann Sie mit dem Programm „The Early Electric Years“ erleben. Was reizte Sie daran, als bald 70-Jähriger noch mal zur E-Gitarre zu greifen?

Mick Jagger fragt doch auch keiner, was ihn dazu bewegt mit 80 noch „Satisfaction“ zu spielen! Im Ernst, ich habe in der Pandemie meine alten Alben angehört und festgestellt, dass ich viele Stücke nie live gespielt habe. Das hole ich jetzt nach. 40 Jahre später!

Sie sagten mal: So eine Fülle an kreativer Musik wie in den 1960er-Jahren gab es seitdem nicht mehr. Was fehlt uns? Was wäre nötig, um dem Musikschaffen eine Art Unschuld zurückzugeben in Zeiten hochkommerzialisierter Musikindustrie und künstlicher Intelligenz?

Die Aufmerksamkeitsspanne ist durch das iPhone zu einem Minimum geschrumpft, sowohl beim Publikum als auch beim Künstler. Jede hängt acht Stunden oder mehr am Telefon, Laptop. Früher habe ich acht Stunden am Tag Gitarre gespielt. Das passiert jetzt nur noch nachts, wenn keiner was von mir will. Ich glaube, dass gute Musik und gute Musiker immer da sein werden, aber Plattenfirmen investieren nicht mehr in die Künstler. Es gibt so viele großartige Gitarristen auf Youtube, ich sehe jeden Tag neue, aber die werden es nie so weit schaffen, wie wir in den 1970er-Jahren, weil das Umfeld nicht da ist.

Haben Sie noch Träume, die Sie unbedingt verwirklicht sehen wollen?

Träume gibt es: Wenn mich Paul McCartney anrufen würde, weil er ein Gitarrensolo braucht. Realistisch arbeite ich am Arrangement meiner Musik mit Philharmonie-Orchester. Da geht mein Traum hin.

Können Sie sich vorstellen, die Gitarre eines Tages an den Nagel zu hängen und ganz ohne Bühne auskommen?

Nein, meine Frau würde durchdrehen, wenn ich jeden Tag zu Hause wäre. Das hat schon in der Pandemie gereicht. Wir reisen gerne zusammen und ich bin an einem Punkt, wo ich mir die Konzerte aussuche und wir auch als Familie zusammen unterwegs sein können.