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Ein Theater voller Stars: "Asteroid City" von Wes Anderson

In seinem neuen Film "Asteroid City" verwandelt Wes Anderson die Wüste im Südwesten der USA in ein buntes 50er-Jahre-Amerika und wartet wie gewohnt mit einer großen Gruppe an Stars auf.

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Jake Ryan (l), Jason Schwartzman als Mitch Campbell und Tom Hanks als Schwiegervater in einer Szene des Films "Asteroid City" .
Jake Ryan (l), Jason Schwartzman als Mitch Campbell und Tom Hanks als Schwiegervater in einer Szene des Films "Asteroid City" . © Universal Pictures Germany

Frankfurt a.M. In einer rasant getakteten Fahrt auf einem kilometerlangen Güterzug durch die weiten Landschaften der USA nimmt uns Wes Anderson mit in seine ureigene Vision eines Wüstenkaffs im amerikanischen Südwesten. Wir schreiben das Jahr 1955 und Asteroid City, mitten in der Wüste gelegen, 87 Einwohner, ist ebenso typisch amerikanisch wie auch typisch Wes Anderson. Eine in wunderbare, perfekt aufeinander abgestimmte Pastelltöne getauchte Modelllandschaft voller skurriler Figuren.

Von Anfang an ist das Kaff ein Ort der puren Imagination: Dem Trip in die Wüste geht bereits eine zweifache erzählerische Verschachtelung voran: Ein TV-Programm aus den 1950ern in Schwarzweiß verspricht uns einen Blick hinter die Kulissen einer Theaterproduktion, und das Stück, dessen Entstehung wir verfolgen und das zugleich als perfekte Illusion vor uns ersteht, heißt "Asteroid City". Für die ganze Laufzeit des Films wechselt die Erzählung immer mal wieder von Ebene zu Ebene.

Anderson lässt mit dieser komplexen Konstruktion zwei gegensätzliche Welten aufeinanderprallen: die großstädtische Ostküste mit den damals blühenden Broadway-Theatern sowie den dünn besiedelten Südwesten mit Cowboy-Romantik, aber auch militärischen Sperrgebieten mit ihren Geheimnissen. Und die politische Paranoia jener Zeit fließt in die fiktive Welt ebenso ein wie der Hype um Außerirdische, die ungebrochene Technikbegeisterung und die Anziehungskraft unendlicher Weiten da draußen im All.

Eine illustre Gesellschaft kommt in Asteroid City zusammen, um den Jahrestag eines Meteoriteneinschlags zu begehen. Im Mittelpunkt steht Anderson-Stammschauspieler Jason Schwartzman als Kriegsfotograf Augie Steenbeck, angereist mit seinen drei kleinen Töchtern und seinem melancholischen Sohn Woodrow. Außerdem Scarlett Johansson als Filmstar Midge Campbell, mit Tochter Dinah. Tragik und Komik gehen wie so oft bei Anderson Hand in Hand. So ringt Augie nicht nur mit der Trauer um seine gerade verstorbene Frau, er muss deren Tod auch erst noch den Kindern offenbaren. Immerhin hat er ihre Asche in einer handlichen Tupperware-Dose dabei, sodass die drei kleinen Mädchen sie in einer Art Hexenritual zu Grabe tragen können.

Das pointierte Spiel der Hauptfiguren ist eingebettet in ein überaus illustres Ensemble, in dem zwar erstmals Bill Murray fehlt, das aber wie zum Ausgleich mit so vielen Stars wie nie zuvor aufwartet, darunter Tom Hanks, Edward Norton, Jeffrey Wright, Tilda Swinton und Margot Robbie. Bei allem Spaß und Spiel jedoch sind es auch diesmal die ernsten Untertöne, die den Film zusammenhalten und ihm Tiefe verleihen.

Jake Ryan (l-r), Schauspieler aus den USA, Scarlett Johansson, dänisch-US-amerikanische Schauspielerin, Wes Anderson, Regisseur aus den USA, und Jason Schwartzman
Jake Ryan (l-r), Schauspieler aus den USA, Scarlett Johansson, dänisch-US-amerikanische Schauspielerin, Wes Anderson, Regisseur aus den USA, und Jason Schwartzman © Invision/AP

So fällt zwar das eigentlich handlungsauslösende Moment eines Alien-Besuchs drollig aus, aber die daraufhin verhängte Quarantäne durch das Militär, die alle Anwesenden auf unbegrenzte Zeit in Asteroid City festhält, zeigt Motive, in denen es um die Angst vor dem Fremden geht, um Kontrollverlust und die Frage nach Orientierung in einer Welt, die immer chaotischer zu werden scheint.

Zwischen zahllosen 50er-Jahre-Anspielungen und filmischen Verweisen verhandelt der Film so auch ganz zeitlose bis ziemlich aktuelle Fragen.

Über solche konzentrierten Momente erschließt sich auch am besten, was Anderson als das Ziel für diesen Film beschreibt: Er solle "ein wenig an ein Gedicht erinnern, eine poetische Reflexion sein". Das gelingt nicht durchweg, doch in einigen Passagen löst sich "Asteroid City" mit bezaubernder Anmut aus allen Fesseln, sogar denen der eigenen Ästhetik. (epd)