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„Macht's euch nicht zu leicht“: Das sind die neuen Dresdner Reden

Der 2023er-Jahrgang der traditionsreichen Reihe Dresdner Reden ist prominent besetzt: Es geht um Klimawandel, Armut, den Islam und unseren Zusammenhalt.

Von Karin Großmann
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„Macht´s euch nicht zu leicht“, empfiehlt Alena Buyx am 19. Februar im Schauspielhaus, wenn die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates dort ihre Dresdner Rede hält.
„Macht´s euch nicht zu leicht“, empfiehlt Alena Buyx am 19. Februar im Schauspielhaus, wenn die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates dort ihre Dresdner Rede hält. © Michael Kappeler/dpa

Die Dresdner Reden sind in über dreißig Jahren zu einer Institution geworden. Seit die Reihe 1992 mit Willy Brandt begann, standen mehr als hundert Prominente aus Kultur und Politik auf der Bühne des fast immer ausverkauften Schauspielhauses. Anfangs wurden unter dem Motto „Zur Sache: Deutschland“ Konflikte nach dem Mauerfall verhandelt. Inzwischen weitete sich der Blick. Die Ungleichheit in der Gesellschaft, die Folgen des Klimawandels, die Macht der Bilder im Zeitalter des Internets sind Themen des nächsten Jahrgangs. Fünf Redner laden im Februar und März zum gemeinsamen Nachdenken ein. Veranstalter sind das Staatsschauspiel Dresden und die Sächsische Zeitung mit Sächsische.de.

Zum Auftakt am 12. Februar spricht Florian Illies über „Caspar David Friedrich der Große“.
Zum Auftakt am 12. Februar spricht Florian Illies über „Caspar David Friedrich der Große“. © Matthias Bothor

Kunst und Klima

Den Auftakt gibt der Erfolgsautor Florian Illies am 12. Februar. Es ist für den Berliner Schriftsteller fast ein Heimspiel. Gerade kuratierte er die Ausstellung im Kupferstich-Kabinett über den bisher kaum bekannten Dresdner Künstler Albert Venus. Nun schreibt er an einem Buch über einen Maler, der als „Caspar David Friedrich der Große“ zur Hauptfigur einer Dresdner Rede werden soll. Illies ist Experte für die Kunst des 19. Jahrhunderts und fragt: Worin liegt die Zeitlosigkeit von Friedrichs Sehnsuchtslandschaften? Welches Verhältnis zur Natur kann er uns lehren in Zeiten der Klimakatastrophe? Und warum werden seine Bilder auch das Internetzeitalter überleben?

Florian Illies, 51, hat als Journalist, Kunsthändler und Verlagschef einen Namen. Seit seinem Buch „Generation Golf“, einer kritischen Betrachtung seiner eigenen Generation, besetzt er regelmäßig die Bestenlisten. Zuletzt mit „Liebe in Zeiten des Hasses“. Fesselnd erzählt er von den größten Liebespaaren der Kulturgeschichte in der Epoche einer politischen Katastrophe.

Streit und Konsens

In der heißen Phase der Corona-Pandemie war Alena Buyx ein Dauergast in den Fernsehnachrichten und Talkshows. Dass gerade eine Medizinethikerin den Deutschen Ethikrat leitet, erwies sich als glücklicher Zufall. Sie brachte Fachwissen und Besonnenheit in die Debatten. „Wir machen genau das Gegenteil von Polarisierung. Wir versuchen, Konsens zu erarbeiten.“ So beschreibt sie die Aufgabe des Gremiums, das Politiker wissenschaftlich berät. Ihr Appell: „Macht´s euch nicht zu leicht.“

Alena Buyx, 45, promovierte 2005 in Medizin und ist zugelassene Ärztin. Seit 2018 ist sie Professorin und Institutsdirektorin an der Technischen Universität München. Ihre Fachgebiete reichen von medizinethischen Fragen aus der klinischen Praxis über Herausforderungen durch biotechnologische Innovation bis hin zu Gerechtigkeitskonflikten in modernen Gesundheitssystemen. Schon früh hat sie sich etwa mit dem Thema Triage befasst. Durch Corona war das plötzlich keine Theorie mehr. Am 19. Februar hält Alena Buyx ihre Dresdner Rede.

Kübra Gümüsays Thema am 26. Februar: Sprache kann die Welt öffnen – oder sie verschließen.
Kübra Gümüsays Thema am 26. Februar: Sprache kann die Welt öffnen – oder sie verschließen. © Capital Headshots

Islam und Freiheit

Wie passen Islam und Feminismus zusammen? Sehr gut, meint die Journalistin, Autorin und Netzaktivistin Kübra Gümüsay. Auch mit dem Islam könne für Geschlechtergerechtigkeit und Freiheit argumentiert werden. Allerdings werde die Religion oft instrumentalisiert, um patriarchalische Strukturen zu rechtfertigen. In ihren Texten fragt Kübra Gümüsay nach Ursachen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus. Die Erscheinungsformen, die sie beschreibt, reichen von Anpöbeleien über Morddrohungen bis zur strukturellen Gewalt in Behörden.

In ihrem Buch „Sprache und Sein“ erklärt sie anhand eigener Erfahrungen, wie Sprache die weite Welt öffnen oder sie auch verschließen kann. Sie selbst spricht fließend Englisch, Deutsch und Türkisch. Sie wurde 1988 in Hamburg geboren und forscht derzeit an der Universität Cambridge über „alternative Zukünfte“. Das Magazin Forbes zählte sie zu den „Top 30 unter 30“ in Europa. Am 26. Februar setzt sie die Reihe der Dresdner Reden fort.

Anders Levermann referiert am 5. März über Klimawandel und Demokratie.
Anders Levermann referiert am 5. März über Klimawandel und Demokratie. © Foto: Klemens Karkow

Hitze und Demokratie

Wenn die Temperaturen über 30 Grad Celsius steigen, nehmen Hassreden in den sozialen Medien zu. Wenn es tagelang stark regnet, sinkt das Wirtschaftswachstum. Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, werden wir keine Demokratie mehr haben in Deutschland. Mit solchen Thesen verweist Anders Levermann auf überraschende Zusammenhänge. Der Physiker arbeitet seit 2003 am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ist Co-Autor des UN-Weltklimarats, der den Friedensnobelpreis erhielt.

Anders Levermann, Jahrgang 1973, hat mehr als 120 wissenschaftliche Publikationen verfasst zu Klimaphysik, Ozeanografie, Glaziologie oder Meteorologie. Er forscht an der Columbia Universität in New York. Auch in Interviews wirbt er für einen grundlegenden strukturellen Wandel: keine Verbrennung mehr von Gas, Kohle, Öl. „Man kriegt das Problem nicht gelöst, wenn man vom Auto aufs Rad umsteigt“, sagt er, „so wichtig das ist.“ Levermann spricht am 5. März im Dresdner Schauspielhaus.

Die Armut wandert in die Mitte der Gesellschaft – sagt Christoph Butterwegge am 12. März.
Die Armut wandert in die Mitte der Gesellschaft – sagt Christoph Butterwegge am 12. März. © Foto: Wolfgang Schmidt

Armut und Reichtum

Der Armutsforscher und Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge setzt am 12. März den Schlusspunkt unter die Redenreihe 2023. Für ihn ist die wachsende soziale und ökonomische Ungleichheit das Kardinalproblem der Gesellschaft. Sie führe im globalen Maßstab zu Krisen und Kriegen und bedrohe in Deutschland den Zusammenhalt und die repräsentative Demokratie. Butterwegge warnt: Die Armut wandert in die Mitte der Gesellschaft. Er plädiert für eine Reichensteuer und sieht einen Ausweg aus der desolaten Lage letztlich nur in einer Veränderung der Herrschaftsverhältnisse.

Christoph Butterwege, 72, lehrte von 1998 bis 2016 an der Universität Köln Politikwissenschaft. Er trat 2005 aus Protest gegen Hartz IV aus der SPD aus und kandidierte 2017 als Parteiloser für die Linke für das Bundespräsidialamt. In Büchern wie „Ungleichheit in der Klassengesellschaft“ oder „Die polarisierende Pandemie“ verbindet er die faktenreiche Analyse mit meinungsstarken Einschätzungen.

Die Dresdner Reden beginnen jeweils um 11 Uhr im Großen Haus des Staatsschauspiels. Am 13. Dezember startet der Vorverkauf.

Karten gibt es in den DDV-Lokalen oder unter Tel. 0351 4864 2002, mit SZ-Card-Rabatt für 10 Euro, online für 13 Euro unter www.sz-ticketservice.de. Tickets im Staatsschauspiel: Tel. 0351 4913 555, [email protected]