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Wie ersetzt man einen Star wie Ludwig Güttler? Neustart bei "Sandstein und Musik"

Neuanfang beim kriselnden Festival: Der Pianist Hinrich Alpers übernimmt und sagt: „Wenn man mich nicht will, ich klammere mich nicht fest!“

Von Bernd Klempnow
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Hinrich Alpers betritt mit der Leitung von „Sandstein und Musik“ als Nachfolger von Trompeter Ludwig Güttler kein Neuland: Der Dresdner Musikprofessor leitet seit 15 Jahren in seiner Heimatstadt Uelzen ein  Festival aus Meisterkursen und Konzerten.
Hinrich Alpers betritt mit der Leitung von „Sandstein und Musik“ als Nachfolger von Trompeter Ludwig Güttler kein Neuland: Der Dresdner Musikprofessor leitet seit 15 Jahren in seiner Heimatstadt Uelzen ein Festival aus Meisterkursen und Konzerten. © Copyright: Felix Broede

Klare Ansage: „Eine so große Persönlichkeit wie Ludwig Güttler kann man nicht ersetzen. Über Jahrzehnte hat er als Trompeter dieses Instrument dominiert, hat sich für Denkmale unglaublich engagiert und viele Festivals initiiert und sehr erfolgreich geführt“, sagt der Pianist Hinrich Alpers. „Insofern werde ich als der ihm nachfolgende Künstlerische Leiter vom Festival ,Sandstein und Musik’ nicht versuchen, Ludwig Güttler zu kopieren, sondern kann nur eigene Akzente setzen.“

Das ist ambitioniert, schließlich war Güttler der Ideengeber, hatte weltweit Kontakte und war als Trompeter der viel beschäftigte Publikumsmagnet des Festivals.

Der Trompeter Ludwig Güttler hatte 1993 das Festival "Sandstein und Musik" gegründet. Er führte es 30 Jahren bis 2022.
Der Trompeter Ludwig Güttler hatte 1993 das Festival "Sandstein und Musik" gegründet. Er führte es 30 Jahren bis 2022. © dpa-Zentralbild

Alpers übernahm das Amt relativ kurzfristig, doch dazu später. Sein Programm zeugt dennoch von neuem Zuschnitt, neuen Formaten und anderen, interessanten Kombinationen von Werken und Interpreten.

An diesem Wochenende startet sein erster, der insgesamt 32. Jahrgang. Bis 8. Dezember wird es insgesamt 22 Veranstaltungen geben, einige könnten noch dazukommen. Das Motto „Zeitreisen“ soll in den kommenden drei Jahren – so lange geht vorerst Alpers Vertrag – „vielfältige Möglichkeiten und zahlreiche Entdeckungen“ ermöglichen. Dabei würden kleinere und größere Komponisten-Jubiläen, etwa von Richard Strauss, bedacht.

„Für mich persönlich ist jede Beschäftigung mit Musik eine innere Zeitreise – ganz gleich, ob zur Musik längst vergangener Zeiten, Musik von neulich oder zu einem gerade erst komponierten Werk, welches zur Uraufführung kommen soll“, sagt der 43-Jährige, der als Solist international gefeiert wird. „Wir erkunden Berührungspunkte großer Geister, epochenübergreifende musikalische Entdeckungen werden präsentiert, innere Zusammenhänge aufgedeckt“, so Alpers, der beim Festival unter anderem über mehrere Jahre Beethovens 32 Klaviersonaten interpretieren will.

Einen schwungvollen Neustart verspricht bereits das erste Wochenende etwa mit einem Beethoven im quasi Taschenformat als Streichorchester-Fassung mit einem exzellenten Orchester aus Wroclaw. „Take-off“ – abheben zur ersten Zeitreise, ist das Eröffnungskonzert übertitelt.

Klaus Brähmig, Mitbegründer des Festivals "Sandstein und Musik", bei einem Konzert in der spätbarocken Kirche Lohmen.
Klaus Brähmig, Mitbegründer des Festivals "Sandstein und Musik", bei einem Konzert in der spätbarocken Kirche Lohmen. © Daniel Förster

Der Niedersachse, der bei „Sandstein und Musik“ schon aufgetreten ist, derzeit in Berlin lebt und seit 2021 an der Dresdner Musikhochschule im Vollzeitjob Klavier unterrichtet, beweist durchaus Mut. Denn er übernimmt ein kriselndes Festival. Dabei war das über Jahrzehnte ein Erfolg und stabil. 1993 hatten Ludwig Güttler und der CDU-Politiker Klaus Brähmig „Sandstein und Musik“ initiiert. Drei Jahrzehnte gab es Aufführungen in reizvollen Bauten der Region Sächsische Schweiz mit Künstlern, die für exzellente Qualität sorgten. 2022 zog sich Güttler zurück – altersbedingt und weil er Platz machen wollte für eine zeitgemäßere Neuprofilierung des Festivals etwa in der Jugendarbeit und neuen Konzertformen. Freilich konnte Brähmig nicht loslassen. Mehr noch, er blockierte jede Neuerung, überwarf sich mit fähigen Geschäftsführern und möglichen Nachfolgern von Güttler. Förderer und Sponsoren zogen sich zurück. Der Politiker und Tourismus-Experte, der so viel für das Festival geleistet hatte, demontierte es förmlich. Und gefährdete damit auch die Schostakowitsch-Tage. Beide Festivals werden unter dem Dach einer Festival-gGmbH etwa vom Freistaat gefördert, um Synergien zu nutzen.

Musizieren ohne Hierarchien

Auch Alpers hat schon seine Erfahrungen mit Klaus Brähmig gemacht. Er kommentiert sie aber mit seinem durchaus sonnig zu nennenden Gemüt nicht. Gebe es Angriffe oder würde das Publikum eine Neuprofilierung des Festivals nicht, wäre das zu akzeptieren: „Wenn man mich nicht will, ich klammere mich nicht fest!“ Dabei hat der Musiker, der fünf Veranstaltungen in diesem Jahr mitgestaltet und an mancher Tradition wie der Bläser-Weihnacht zum Jahresabschluss festhält, vielversprechende Ideen. Es sei ihm stets ein besonderes Bedürfnis, den musikalischen Nachwuchs einzuladen. So gibt es das Education-Projekt „Geloopte Zeiten“, in denen „ad hoc“ auf Basis von „Loops“ – das sind kleine, sich wiederholende Musikschnipsel – ein neues Stück Musik entsteht. „Auch in all den anderen Konzerten mit jungen Profis werfen wir einen Blick in unsere eigene musikalische Zukunft.“

Ein weiteres Beispiel für die neuartige, spannende Nachwuchsarbeit gibt es nun am Start-Wochenende mit dem Format „Teamplayer“. Die Idee: Gestandene Musiker formen um sich herum ein Ensemble aus jungen Kollegen. „Die üblichen Hierarchien werden aufgebrochen, weil wie unter Freunden miteinander musiziert wird“, so Hinrich Alpers. Und weil die „Friends“ in ihren jeweiligen Formationen selten oder noch nie gemeinsam musiziert hätten, würden „sich Türen für frischen Wind und belebende Impulse öffnen“. Das Publikum sei dann direkt dabei, wenn etwas faszinierend Neues entstehe. „Mein Festival-Ziel: Ich will das Publikum in einer Weise einbeziehen, dass ein Konzertbesuch zum Moment des Innehaltens werden kann – in dem die Zeit auch einmal stillstehen darf.“

Das Festival 2024 – Infos & Tickets

  • Das Festival startet an diesem Wochenende. Am 16. März musizieren ab 17 Uhr in der Dorfkirche Lohmen das Wratislavia Chamber Orchestra und Hinrich Alpers etwa Beethovens Klavier-Konzert Nr. 4 und Mendelssohns Doppelkonzert für Violine, Klavier und Streicher.
  • Am 17. März gibt es ab 17 Uhr im Schloss Burgk Freital das erste „Teamplayer“-Konzert von arrivierten Solisten mit jungen Kollegen. Stefan Hempel, einer der vielseitigsten Geiger seiner Generation, und Piotr Szumiel, einst Bratscher der Dresdner Philharmonie, führen ein Streichsextett durch Meisterwerke von Mozart und Schönberg.
  • Infos zu Festival, Künstlern und Spielstätten: auf www.sandstein-musik.de.p Karten gibt es online auf www.sandstein-musik.de bis zum Veranstaltungstag, telefonisch unter 03501 446572 (Anrufbeantworter), per E-Mail an [email protected] sowie in allen DDV-Lokalen und online unter www.sz-ticketservice.de.
  • Eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn öffnet die Abendkasse am Spielort.