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Winnetou & Co: wie in Dresden das Bild der "Indianer" konstruiert wurde

Das Karl May Museum in Radebeul widmet sich in seinem Jahresprogramm 2024 einer spannenden Frage: Woher rühren unsere Vorstellungen von Indianern?

Von Oliver Reinhard
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Winnetou (Pierre Brice, l.) wurde zum Sinnbild des Indianers schlechthin, dank dessen Schöpfer Karl May und den vielen Wildwestshows seit dem 19. Jahrhundert.
Winnetou (Pierre Brice, l.) wurde zum Sinnbild des Indianers schlechthin, dank dessen Schöpfer Karl May und den vielen Wildwestshows seit dem 19. Jahrhundert. © picture alliance/United Archives

Die Spur führt zurück bis Buffalo Bill: 1891 kam der Ex-Cowboy, Indianerkriegsveteran und Unterhaltungsunternehmer William Frederick Cody mit seiner „Wild West Show“ erstmals nach Dresden und löste ein regelrechtes Indianerfieber aus. Dem erlag offenkundig auch Karl May, denn der sächsische „Reiseschriftsteller“ griff den Helden einer frühen Erzählung nach 25 Jahren wieder auf und widmete ihm ab 1893 drei eigene Romane: Winnetou.

Fortan wurde der fiktive Häuptling der Mescalero-Apachen zum Musterbeispiel des nordamerikanischen Ureinwohners. Mays Romane prägten das Klischee respektive die Inszenierung und Vorstellungen „der Indianer“ maßgeblich. Das geschah im Zusammenwirken mit deren großen Vermarktern in Deutschland, Reiseshows wie die von Buffalo Bill sowie Zirkusunternehmen wie Hagenbeck, Krone oder Sarrasani aus Radebeul.

Diese Sioux aus der Rosebud-Reservation traten 1899 im Dresdner Zoo auf.
Diese Sioux aus der Rosebud-Reservation traten 1899 im Dresdner Zoo auf. © Sandstein-Verlag

Bestes Marketing: Show-Indianer huldigten May am Grab

„Inszenierte Indianer“ heißt auch das Jahresthema des Radebeuler Karl May Museums für 2024. Den Anfang macht die kleine Sonderausstellung über „Show-Indianer“, das Dahinter ist ungleich größer. „Die Idee wurde schon vor zwei Jahren zusammen mit dem Dresdner Stadtmuseum geboren im Rahmen des dortigen Ausstellungsprojekts über die Menschenschauen“, sagt Direktor Robin Leipold. „Aber wir haben bald festgestellt, dass das Thema viel zu viele Facetten hat für eine kleine Sonderschau auf unseren 30 Quadratmetern.“

Stattdessen soll es übers Jahr verteilt eine Reihe von Veranstaltungen geben wie Lesungen, Vorträge, Diskussionen und Filme über das breite Themenfeld der „Inszenierten Indianer“. Direktor Robin Leipold und sein Team beabsichtigen damit auch zu zeigen, „dass ein Museum mehr kann als Ausstellungen zu organisieren. Wir wollen darüber hinaus auch am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen und den Bürgern die Möglichkeit zur Partizipation geben.“

Darstellung der Wildwest-Spiele im Zirkus Sarrasani 1913.
Darstellung der Wildwest-Spiele im Zirkus Sarrasani 1913. © Sandstein-Verlag

Winnetous Mörder wurden zum Kult-Stamm

Das geschieht an einem Ort, der 1927 zu einem regelmäßigen Schauplatz wurde für Inszenierungen von nordamerikanischen Natives. Nach regelmäßigen „Huldigungen“ von Darstellern der Shows am Grab von Karl May kam es 1927 zu einem ersten Besuch des sarrasani’schen Indianerensembles am Ort des Karl May Museums, das im folgenden Jahr eröffnete. „Daraus entwickelte sich eine fruchtbare Marketing-Tradition“, sagt Leipold. Alle Mitwirkenden seien vom Stamme der Sioux, hieß es damals offiziell. Doch wahrscheinlich waren kaum welche wirklich darunter, vielmehr setzten sich die Shows aus Mitwirkenden diverser Stämme zusammen.

„Sioux waren damals besonders populär“, erklärt Robin Leipold, was sich im Nachhinein schwer ursächlich rekonstruieren lässt, aber dafür eine pikante Pointe birgt: Es sind ausgerechnet Oglala-Sioux, die den stolzen Helden Winnetou, das perfekte Klischeebild eines Indianers, am Ende von „Winnetou III“ in die ewigen Jagdgründe befördern, die ebenfalls fest zur Inszenierung der Indianer gehören.